Bauwelt

Diener & Diener Architekten

Wohnungsbau

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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Diener & Diener Architekten

Wohnungsbau

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Noch ist es wohl zu früh, um an den Coronabedingten Ausgangssperren irgendetwas Gute zu finden. In ein paar Jahren aber könnte vielleicht bilanziert werden, dass in dieser Zeit den Europäern der Sinn für das Wesentliche wieder geschärft wurde, auch mit Blick auf ihre eigene Behausung und deren Umfeld. Was musste nicht alles auf den wenigen Quadratmetern, die dem Großstädter zur Verfügung stehen, organisiert werden: Home office, home schooling, Kochen, Essen, Erholung, individuelles und gemeinsames Spielen, Rückzugs- und Ruhebedürfnis, Meinungsverschiedenheiten. Die drei Dinge, die für den Immobilienmarkt bislang an erster Stelle standen – die Lage, die Lage und die Lage –, dürften sich zumindest auf der Nachfrageseite in den letzten drei Monaten um weitere Aspekte erweitert haben: etwa eine gewisse Neutralität der Räume mit Blick auf ihre Größe und Lage zueinander, sicher auch die Frage nach der Regulierbarkeit von Privatheit und Abgeschlossenheit innerhalb der Wohnung, ganz bestimmt ihre Beziehung zum Außenraum sowie die Existenz eines Freiraums, sei es ein Balkon oder eine Loggia, um zumindest an der frischen Luft sein und mit Nachbarn in Kontakt treten zu können. Auch wenn dies wohl nicht zum Ende des pseudorepräsentativen, hochverdichteten Spekulationswohnungsbaus führen dürfte, könnte sich der Spielraum für die Architektenschaft vielleicht wieder ein wenig öffnen, das Thema „Wohnungsbau“ wieder stärker zu einem allgemeinen Thema der Architektur werden.
Die Monographie „Diener & Diener Architekten. Wohnungsbau“ kommt da gelegen, und sei, dies gleich vorweg, jedem zur Lektüre empfohlen, der sich mit dem Thema des städtischen Wohnungsbaus in der nächsten Zeit beschäftigt. Für das Basler Büro ist die Beschäftigung mit den hoch komplexen Beziehungen der verschiedenen Funktionen, die sich auf 60, 80, 100 Quadratmetern abspielen, seit über vierzig Jahren ein zentrales Thema – im Grunde schon seit den mittleren vierziger Jahren, als Marcus Diener, Vater von Roger, sein Büro eröffnete. Diese ersten drei Jahrzehnte bis zum Eintritt des Sohnes in das Büro dürften bislang nur für Spezialisten der Basler Architekturszene nicht im Dunkel gelegen haben – mit diesem Buch werden auch sie beleuchtet, in einem äußerst lesenswerten Beitrag von Martin Steinmann, der sich seit Jahrzehnten mit der Architektur von Diener & Diener beschäftigt. Schwerpunkt der Einführung aber sind die Beiträge von Bruno Marchand, der die Rolle des Fensters im Werk des Büros analysiert, und von Alexandre Aviolat, der sich mit den Grundrisstypen beschäftigt, auf die der Wohnungsbau von Diener & Diener immer wieder zurückkehrt – lesenswerte Beiträge alle beide, auch wenn sie, anders als der Text von Steinmann, mitunter etwas gestelzt daher kommen.
Hauptteil des Buches aber ist natürlich die Dokumentation der Bauten: von der Hammerstraße in Basel (1978) bis zur Siedlung Weidmatt in Lausen und Liestal (2014 ff.) werden 28 realisierte Objekte und zwei Planungen vorgestellt, darunter international publizierte (in der Bauwelt etwa das Haus im Olympischen Dorf Turin, Bauwelt 10.2006, oder das Gebäude auf dem KNSM-Eiland in Amsterdam, Bauwelt 18.2002) wie international gebaute (etwa in Salzburg, Berlin, Den Haag, Antwerpen, Boulogne-Billancourt). Die Abfolge ist chronologisch, so dass die Entwicklung der Architektur ebenso wie die Wandlung der Aufgaben (und damit verbunden auch die der Stadt) deutlich wird. Alle Objekte sind mit Grundrissen im Maßstab 1:360 dokumentiert und mit zum Verständnis gerade ausreichend vielen Fotografien, dazu gibt es einen Erläuterungstext und einen Lageplan. Schon jetzt ein Standardwerk, zum Thema Wohnungsbau wie zur Schweizer Architektur, das in jedes Architekturbuchregal gehört. Auch wenn die Bücherregale in der eigenen Wohnung eigentlich schon voll sind.
Fakten
Autor / Herausgeber Martin Steinmann, Bruno Marchand, Alexandre Aviolat
Verlag Park Books, Zürich 2020
aus Bauwelt 23.2021
Artikel als pdf

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