Restlicht
OSRAM München
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Restlicht
OSRAM München
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Dieses Buch lässt sich auf zweierlei Weise lesen. Erstens: als Anklage, dass ein lupenrein sachlicher, denkmalgeschützter und völlig intakter Bau der Nachkriegsmoderne eines namhaften Architekten 2018 ohne Not abgerissen wurde (Bauwelt 24.2018). Zweitens: als Anschauungsmaterial über die dokumentarische Fotografie als Format der Architekturkommunikation. Die Herausgeber wollten eigentlich „Erstens“, tarnen das aber nicht ungeschickt unter „Zweitens“.
Zu „Erstens“: Die Hauptverwaltung von Osram in München wurde 1961–65 vom Industriebau-Papst Walter Henn als eines der ersten deutschenGroßraumbüros mit werbewirksamen, höchst eleganten Fassaden errichtet. Nachdem das Gebäude an einen Investor verkauft wurde, diente es kurzzeitig als Flüchtlingsunterkunft und wurde dann vom neuen Besitzer dem Abriss preisgegeben. Bei einem Wettbewerb war zwar auch der Erhalt möglich, diese Option spielte aber offenbar keine ernsthafte Rolle. Der Sohn des Architekten, Gunter Henn, hatte zuvor erfolg-los angeboten, das Gebäude zu kaufen und zum Wohnhaus umzubauen.
Zu „Zweitens“: Die Bauten der Architekten der „Braunschweiger Schule“, also vor allem Henn, Oesterlen und Kraemer, wurden von Heinrich Heidersberger fotografiert. Der „Mann mit den schwarzen Himmeln“, der schon Nazi-Rüstungsbetriebe dokumentiert hatte und 1996 mit fast 100 Jahren gestorben ist, hat auch von Osram München im Jahr 1965 ikonische Schwarz-Weiß-Bilder geliefert. Diese werden nun im vorliegenden Band kongenial mit drei Serien von HG Esch verschnitten: 2010 in ursprünglicher Nutzung, 2016 als Flüchtlingsunterkunft und 2018 beim Abriss. Der Leiter des Instituts Heidersberger, Bernd Rodrian, schreibt als letzten Satz dieses wunderbaren Buches: „Und wenn auch, wie im Falle von Osram München, die Gebäude nicht mehr existieren: Die Bilder bleiben.“
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