Urlaubs(t)räume des Sozialismus
Zur Geschichte der Ferienarchitektur in der DDR
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Urlaubs(t)räume des Sozialismus
Zur Geschichte der Ferienarchitektur in der DDR
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Die Architekturgeschichte der DDR ist um ein weiteres Kapitel fortgeschrieben. Die Bauhistorikerin Daniela Spiegel, vor zehn Jahren bekannt geworden mit ihrer verdienstvollen Darstellung der fünf faschistischen Neustädte im Agro Pontino südlich von Rom, hat sich der Architektur des Feriendienstes des FDGB gewidmet und eine umfassende Übersicht dieses Segments des Baugeschehens im sozialistischen Deutschland verfasst. Ihr Buch „Urlaubs(t)räume des Sozialismus“ schildert die Entwicklung der Architektur und Innenarchitektur von FDGB-Heimen, Interhotels und Urlauberdörfern zwischen Ostsee und Erzgebirge in chronologischer Ordnung, topographisch sortiert und thematisch gegliedert bis in die jüngste Vergangenheit, was heißt: Abrisse und Umgestaltungen finden sich ebenfalls dokumentiert. Am Ende des Resümees steht dann ein Satz, der die Bedeutung dieses Untergebiets der DDR-Architektur ganz gut zusammenfasst: „Es sind bzw. waren sicher nicht alle Ferienheimbauten der DDR potentielle Denkmalkandidaten, doch hat die vorliegende Arbeit gezeigt, dass einige unter ihnen jenseits ihres historischen Zeugniswertes städtebauliche wie auch architektonische Qualitäten besaßen oder immer noch besitzen, die einer denkmalkundlichen Prüfung standzuhalten vermögen.“
Viel ist nicht übrig, gut dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung: Bleibt zu hoffen, dass die wenigen Reste der Nachwelt erhalten bleiben. Denn tatsächlich war das organisierte Urlaubswesen ein Segment von staatstragender Relevanz in der DDR, seine baulichen Zeugnisse liefern mithin wesentliche Fingerzeige auf die Entwicklung dieses Gemeinwesens - von der Rückbindung der noch ideologisch aufgeladenen Urlaubsreise der fünfziger Jahre in der Architektur der „Nationalen Tradition“ und des Heimatstils über den Optimismus der Bildzeichen-Bauten und Großprojekte der sechziger Jahre bis hin zur "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" unter Honecker in den siebziger Jahren, was für die Ferienarchitektur den Abschied von repräsentativen Planungen zugunsten serieller, aus den jeweiligen Elementen des Wohnungsbaus erstellter Unterbringungsstätten führte, die die Urlauber allerdings mit originellen Innenausstattungen der Erfahrungswelt ihrer Neubaugebiete enthoben. Spiegels kurze Darstellung des hierfür verantwortlichen, der Baugeschichte bislang entgangenen VEB Innenprojekt Halle ist denn auch eine der größten Überraschungen ihrer Recherche: „Das Portfolio des VEB Innenprojekts Halle war enorm, er stattete alle Arten von Gesellschaftsbauten in der gesamten Republik aus: von Verwaltungsgebäuden, Versorgungszentren, Polikliniken und Sparkassen über Gaststätten, Hotels und Ferienheime bis zu besonderen Repräsentationsbauten wie das Leipziger Rathaus, den Palast der Republik oder das Leipziger Gewandhaus“ - schuf also quasi die gesamte Benutzeroberfläche öffentlicher Innenräume der DDR. Spiegel konnte mit der Innenarchitektin Cordula Heubach eine verantwortliche Planerin des VEB befragen, was umso verdienstvoller ist, als der Pool an Zeitzeugen inzwischen klein geworden sein dürfte.
Illustriert ist das ansprechend gestaltete Buch mit zahlreichen zeitgenössischen Postkarten der Urlaubsarchitekturen. Doch als Bilder werden diese Veduten nicht weiter be- oder hinterfragt und wirken daher so, als seien sie eher aus pragmatischen Erwägungen denn aus inhaltlichem Interesse am Was und Wie des Dargestellten verwendet worden. Es bleiben noch Lücken zu schließen.
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