Projektreportage

82 Flinders Street, Melbourne 22
Fender Katsalidis Architects, Melbourne

Melbourne reiht sich mit seiner städtebaulichen Entwicklung in die Hochhausmetropolen der Welt ein: hier das zentrale Geschäftsviertel mit dem Wohnhochhaus Phoenix (drittes Hochhaus von links)

Eleganter Hauch eines Gebäudes

  • Autor: Jefa Greenaway
  • Fotos: Fender Katsalidis Architects, ohyes_melbourne, Otto Wöhr GmbH

Schlanke Gebäude sind in Melbourne en vogue. Wie hauchdünne Supermodels zeigen neue Hochhäuser der Stadt ihr elegantes und statuenhaftes Profil – eine Entwicklung, die aus Städten wie Tokio, Hongkong und New York nun an den Küsten Australiens angekommen ist. In der zweitgrößten Stadt Australiens wachsen mehr und mehr Hochhäuser aus dem Boden. Allerdings wurden die Herausforderungen beim Bau von Hochhäusern auf sehr engem Raum bisher kaum bedacht. Das soll sich nun ändern: An der südöstlichen Ecke des zentralen Geschäftsviertels ist ein neues Hochhaus entstanden, das sich in die Silhouette der Stadt einfügt und einen wichtigen Beitrag für das architektonische Gesamtbild leistet.

Das Wohnhochhaus Phoenix ragt mit seinen 29 Geschossen (88,5 Meter) als superschlanker Turm zwischen zwei bestehenden Gebäuden in die Höhe und bietet einen großartigen Ausblick auf den Yarra River, den Sportbezirk mit dem berühmten Melbourne Cricket Ground, die Botanischen Gärten und den Birrung Marr Park. Mit nur einer Wohnung pro Geschoss beweisen Fender Katsilidis Architects ein weiteres Mal, dass sie innovative Antworten auf städtebauliche Situationen geben können. Es war eine große architektonische Herausforderung, auf einem Baugrundstück von nur 6,7 auf 24,3 Metern das Verhältnis von Höhe und Grundfläche des Baukörpers zu beherrschen und zu große Schwingungen zu vermeiden. Weitere Probleme waren das Bauen auf engem Raum, die Einhaltung neuer Bauvorschriften zur Erdbebensicherheit und die Integration von Stellplätzen auf dem Grundstück.

Architektonische Herausforderung auf einem schmalen und tiefen Baugrundstück.

Architektonische Herausforderung auf einem schmalen und tiefen Baugrundstück.

Mit seiner Straßenfassade von weniger als sieben Metern Breite wäre das Grundstück eher für eines jener innerstädtischen Reihenhäuser geeignet, wie man sie in Melbourne kennt; eine Typologie, die geprägt ist durch die Anforderungen der Belichtung, die Minimierung der Erschließungsfläche und die Integration von möglichst viel Wohnraum. Bei dem ehrgeizigen Projekt des Wohnhochhauses kamen im Prinzip die gleichen Anforderungen zum Tragen: Jeder Millimeter zählt.

Schlanker Wohnturm mit 29 Geschossen auf 88,5 Meter

Schlanker Wohnturm mit 29 Geschossen auf 88,5 Meter

Die Lösung erweist sich als beinahe trügerisch einfach, obgleich sie die Beschränkungen des Grundstücks fest im Griff hat. Die Wohnungen wurden an den beiden Enden des länglichen Grundstücks angeordnet, die Servicebereiche in der Mitte. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse werden die Wohnungen von zwei Aufzügen ohne Vorräume bedient. Außerdem befinden sich die Feuertreppen auch innerhalb der Wohnungsabmessungen. Die Wohnungen sind mit einer Südterrasse und jeweils zwei Badezimmern ausgestattet, wobei die kleinen Einheiten über der Parkebene als Einliegerwohnungen oder als drittes Schlafzimmer dazugeschaltet werden können, um die maximale Breite des Grundstücks auszunutzen. Die Dachgeschosse bieten großzügiges Wohnen auf zwei Ebenen, allerdings steht aufgrund der Platzbeschränkungen nicht so viel Raum zur Verfügung, wie man es normalerweise von Penthouses kennt.

Gary Emery entwickelte eine dreidimensionale, blaue Grafik für die Fassade: Das Muster reflektiert die Nähe zum Wasser

Gary Emery entwickelte eine dreidimensionale, blaue Grafik für die Fassade: Das Muster reflektiert die Nähe zum Wasser

Was die Konstruktion angeht, war die Baufirma Equiset entscheidend am Erfolg des Projekts beteiligt und hat viele logistische Hürden während des Baufortschritts bewältigt. Dies führte trotz aller Schwierigkeiten zu einer Bauzeit von nur 23 Monaten. Projektarchitekt James Pearce nutzte die H-Form des Grundrisses, um das Gebäude seitlich zu stabilisieren. Damit konnte er auch den Vorschriften zur Erdbebensicherheit entsprechen, wonach Neubauten um ein Prozent ihrer Höhe (in diesem Fall 80 Zentimeter auf beiden Seiten) von der Grundstückgrenze abrücken müssen.

„Die Parkplätze erwiesen sich als ein Schlüsselfaktor des Projekts.”

Die Betonkonstruktion wurde mit Kletterschalungen errichtet und zusätzlich durch Querwände ausgesteift, die an den Kern anschließen - eine einfache Bauweise, die allerdings eine hohe Präzision erfordert. Außerdem wurde ein Wasserballasttank an der Spitze des Gebäudes platziert und sorgfältig geformt, um das Gebäude zusätzlich zu stabilisieren und es so mit einem Abstand von nur 15 Zentimetern zu den zwei angrenzenden Gebäuden errichten zu können. Aufgrund der Enge des Baugrunds konnte eine Verkleidung der Betonkonstruktion nicht wirklich in Betracht gezogen werden. Die Stadtverwaltung schaltete sich ein, da sie eine rohe, schmucklose Seitenfassade befürchtete. Diese hätte die reine Form des architektonischen Ausdrucks zwar unterstrichen, allerdings wurde der Entwurf aber tatsächlich durch die neu verhängten Auflagen der Stadt zur Gestaltung der Fassade verbessert. Die Behandlung der Seitenwände, die auch eine Lochfassade mit Fenstern nach Ost und West mit einschloss, verleiht dem Hochhaus eine neue Dimension.

links: Nonda Katsalidis, rechts: Karl Fender

links: Nonda Katsalidis, rechts: Karl Fender

Das Baugrundstück ist schmal und tief (ca. 6,7 auf 24,3 Meter) und grenzt an die Flinders Street und an die Malthouse Lane. Der Standort, die Grundstücksgröße und der Bauherr boten eine phantastische Gelegenheit, ein skulpturales und besonderes Gebäude zu entwerfen. Die Architektur bezieht sich auf die Typologie der städtischen Hochhäuser im Umfeld, passt sich aber an die geringen Abmessungen des Baugrundstücks an. Durch die kleine und schmale Grundfläche bietet das Gebäude Ausblicke aus großen Höhen, ohne sich dabei dem Straßenbild oder den benachbarten Gebäuden durch seine Größe oder Verschattung aufzudrängen. In Zusammenarbeit mit Gary Emery wurde eine bandartige Grafik in den Entwurf integriert, um ein Gebäude mit einem hohen Wiedererkennungswert zu erschaffen. Karl Fender, Melbourne

Die grafische Gestaltung der Fassade ist mutig und herausfordernd. Der renommierte Grafikdesigner Gary Emery wurde dazu eingeladen, die Betonoberfläche wie eine weiße Leinwand zu behandeln. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist eine spielerische, intuitive Form, die die Seiten des Gebäudes umschlingt und die Front clever umschließt, so dass eine mit den Balkonen der Vorderseite verschmolzene, dreidimensionale Grafik entstanden ist. Dieses Muster wurde zu einem Erkennungszeichen des Hochhauses; es reflektiert die Nähe zum Wasser und macht den schmalen Turm abermals zum Blickfang. Die Einbeziehung der Rillen im Beton, die durch die Verschalung entstanden sind, beseitigte zusätzlich alle optischen Unvollkommenheiten des Baus.

Übergabestation auf Straßenniveau: der Parksafe 580

Übergabestation auf Straßenniveau: der Parksafe 580

Die Parkplätze erwiesen sich schließlich als ein Schlüsselfaktor des Projekts. Aufgrund des Standorts waren die städtischen Behörden offen für eine Befreiung von der Stellplatzverordnung. Die zukünftigen Bewohner erwarteten allerdings ein High- End-Wohnhochhaus, daher waren Parkmöglichkeiten eine Voraussetzung. Dementsprechend wurden die Parkplätze durch eine innovative Lösung der Otto Wöhr GmbH umgesetzt. Bei einer verfügbaren Grundfläche von 7,30 x 5,72 Metern musste eine individuelle Lösung für 26 Parkplätze mit einer hinteren Zufahrt gefunden werden. Die Dynamik des Projekts machte eine Lösung notwendig, die auf der engen Zusammenarbeit aller Beteiligten beruht: das automatische Parksystem „Parksafe 580“ mit vertikalem Transportsystem (Aufzug) und Parkfächern auf beiden Seiten. Die beiden parallelen Parkregale bieten Platz für 13 Fahrzeuge auf jeder Seite und kommen aufgrund des integrierten Transportlift ohne Rampen oder Fahrspuren aus. Das dreizehngeschossige Stapelsystem für Fahrzeuge ist eines der höchsten Parksysteme dieser Art in Australien. Die Brandschutzbehörden hatten diesbezüglich noch keine Erfahrungen und behalfen sich mit einer im Computer simulierten Analyse des Sprinklersystems. Diese ging von einer Untersuchung der einzelnen Stockwerke aus und nicht von der Gesamtkapazität des neunstöckigen Parksystems. Die einzige Änderung, die die Feuerwehr vorschrieb, war das Integrieren von Sichtfenstern von der angrenzenden Feuertreppe in das Parksystem.

Das Parksystem kann 26 Fahrzeuge über ein vertikales Transportsystem auf beidseitig angeordnete Parkfächer befördern.

Das Parksystem kann 26 Fahrzeuge über ein vertikales Transportsystem auf beidseitig angeordnete Parkfächer befördern.

Der schlanke Wohnturm ist eine willkommene Ergänzung des vielschichtigen Wohnungsangebots in Melbourne. Die architektonische Antwort wird von den Beschränkungen des Standortes mit seiner vergleichsweise mikroskopischen Breite definiert. Wenngleich die räumliche Qualität ein wenig unter den eingeschränkten Platzverhältnissen leidet, bietet das Gebäude dafür einen unvergleichlichen Ausblick an einem erstklassigen Standort. Eine einfache Materialpalette aus Beton, Glas und in kräftigen Farben lackiertem Metall wurde genutzt, um eine prägnante architektonische Sprache zu erschaffen.
Der Phoenix ist eine vorsichtige Balance zwischen Pragmatismus und Innovation. Die Beschränkungen wurden ganz klar in Gelegenheiten umgewandelt: Gelegenheiten, um bis an die Grenzen zu gehen und Erwartungen auszureizen; Gelegenheiten, um zu zeigen, dass es durch subtile und doch clevere Entscheidungen möglich ist, selbst für ein Handtuchgrundstück wie dieses, unerwartete Lösungen zu finden.

Das 13-geschossige Stapelsystem ist eines der höchsten Parksysteme Australiens.
Das 13-geschossige Stapelsystem ist eines der höchsten Parksysteme Australiens.

Das 13-geschossige Stapelsystem ist eines der höchsten Parksysteme Australiens.

Architekten

Fender Katsalidis Architects, Melbourne
www.fkaustralia.com

Fender Katsalidis Architects (FKA) ist ein Architekturbüro aus Melbourne (Australien), das sich unter Leitung von Karl Fender seit Anfang der 90er Jahre mit zahlreichen preisgekrönten Gebäuden in Melbourne und anderen australischen Städten sowie in Südostasien einen Namen gemacht hat. Das Büro wurde als Nation Fender gegründet (ab 1996 Nation Fender Katsalidis). Die Projekte von FKA überzeugen durch innovative Bautechniken, ehrliche Formgebung und starke Materialität. Die Projekte umfassen Gewerbe- und Wohnungsbau, Mischnutzungen, Museen und Kulturbauten. Der charakteristische Eureka Tower (2006) in Southbank ist das höchste Gebäude in Melbourne und eines der höchsten Wohngebäude der Welt.

Projekte (Auswahl)

2013 4 National Circuit, ACT
2013 New Acton Nishi, ACT
2012 Travancore, VIC
2011 MONA Museum, TAS

Produktinformationen

Wöhr Parksafe 580 – 26 Stellplätze
Baujahr: 2013/14, Fläche Parken: ca. 42 m², Fläche pro Stellplatz: ca. 1,6 m², Systemmaße ca. 7,3m × 5,8m × 26,9m, Min. Zugriffszeit: ca. 90 sec, Max. Zugriffszeit: ca. 160 sec, Mittlere Zugriffszeit: ca. 125 sec, Parkkapazität: ca. 23 Pkw/h

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