Bet- und Lehrhaus Petriplatz
Drei Religionen unter einem Dach
Text: Frank, Annette, Berlin
Bet- und Lehrhaus Petriplatz
Drei Religionen unter einem Dach
Text: Frank, Annette, Berlin
Im ältesten Teil Berlins, über den Fundamenten der Petrikirche, plant ein Verein ein gemeinsames Haus für Christen, Juden und Muslime. Der Siegerentwurf von Kuehn Malvezzi könnte die Suche nach Geldgebern erleichtern.
Der Petriplatz gilt als die Wiege Berlins. Unweit vom Schlossplatz gelegen war er das Zentrum der mittelalterlichen Stadt Cölln. Über die Jahrhunderte standen hier schon vier Kirchen, die letzte wurde 1964 gesprengt, um Platz für den Ausbau der Gertraudenstraße zu machen. Die Gemeinde wurde enteignet. Der Ort verkümmerte als Parkplatz, bis 2007 archäologische Grabungen seine Geschichte wieder ans Licht holten und die Diskussion um die künftige Nutzung anregten. Weil die evangelische Gemeinde zunächst nicht vorhatte, an den Petriplatz zurückzukehren, sah die Senatsverwaltung im Bebauungsplan einen – an der vielbefahrenen Gertraudenstaße wenig sinnvollen – Stadtplatz vor. Der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann sprach sich hingegen, im Sinne einer Reparatur des alten Stadtgrundrisses, für einen Kirchenneubau aus und bat 2009 in privater Initiative fünf Architekten um Entwürfe. Einer von ihnen wiederum, Hans Kollhoff, erarbeitete zusammen mit der Evangelischen Kirchgemeinde St.Petri-St.Marien und seinen Studenten der ETH Zürich ebenfalls Entwürfe für einen Kirchenneubau. Doch letztlich wurde deutlich, dass die Gemeinde, die in der nahegelegenen Marienkirche zu Hause ist, kein neues Gotteshaus von dieser Größe benötigt.
Daraufhin entstand die Idee eines gemeinsamen Hauses für Christen, Juden und Muslime, die in Berlin ihre Heimat haben – für ein Haus, das die Entwicklung der Stadt zur multikulturellen Metropole verkörpert. Um das Projekt realisieren zu können, gründete sich auf Initiative der evangelischen Gemeinde 2011 der Verein „Bet- und Lehrhaus Petriplatz e.V.“. Mitglieder sind u.a. die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham-Geiger-Kolleg Potsdam, das Forum für Interkullturellen Dialog e.V. als muslimischer Partner, die evangelische Gemeinde St.Petri-St.Marien und das Land Berlin.
Wie groß das Interesse an dieser bisher beispiellosen Bauaufgabe ist, zeigten die 200 Bewerbungen, die für den Wettbewerb eingegangen waren. Eine „harte Nuss“ sei die Aufgabe gewesen, sagte der Juryvorsitzende Hans Kollhoff bei der Vorstellung der Ergebnisse. Ein Bet- und Lehrhaus mit drei getrennten Sakralräumen und einem Ort der Begegnung sollte entworfen werden, das die archäologische Ausgrabungsstätte integriert und städtebauliche Bezüge aufnimmt. Doch wie vereint man drei Religionen in einem Haus, und wie verankert man dieses an einer autobahnähnlichen Straße, zwischen Plattenbauten und Resten barocker Gebäude?
Wechselspiel aus Einheit und Divergenz
Die Jury war der Meinung, dass dies dem Entwurf von Kuehn Malvezzi am besten gelungen sei. Mit ihrem kubischen Baukörper aus hellem Mauerwerk folgen die Architekten dem Grundriss der alten Petrikirche. Der 40 Meter hohe Turm überragt die umgebenden Gebäude und soll – wie einst die Kirche – die Silhouette des Platzes prägen. Er bietet von einer Art Stadtloggia einen Ausblick über Berlin. Während Kubatur und Materialität eine Einheit bilden, lassen reduzierte Öffnungen die Räume der drei Religionen von außen nur erahnen. Erst im Inneren differenzieren sich die Glaubensrichtungen in verschiedene Raumkonturen. Die drei Gebetsräume gruppieren sich um den runden Kuppelsaal, dessen Form ein harmonisches Miteinander symbolisieren soll. Ein archäologisches Fenster erlaubt im Eingangsbereich den Blick auf die Ausgrabungsstätte. Im Untergeschoss kann ein historischer Parcours gelaufen werden, der sich mit dem nebenan geplanten archäologischen Zentrum verbinden ließe.
Der Blick in die Zukunft
Ein Kostenrahmen war in der Auslobung nicht gesetzt. Nun muss der Verein Sponsoren und Unternehmer finden, die das Projekt unterstützen. Mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist eine Änderung des B-Plans anhand des Siegerentwurfes vereinbart.
Die Verteter des Vorstands haben für das Gelingen des Projektes ihre eigene Art von Optimismus: Der Muslim Ercan Karakoyun verweist auf Goethes Gedanken zur Toleranz, die eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein sollte und zur Anerkennung führen müsste: „Dulden heißt Beleidigen.“ Für den Rabbiner Tovia Ben-Chorin ist es ein Zeichen für die Richtigkeit des Projekts, dass die Wettbewerbsentscheidung am Geburtstag des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn fiel. Und Pfarrer Gregor Hohberg erinnert an Lessings Wunsch von der Gleichberechtigung der abrahamitischen Religionen, die dieser in seinem Werk „Nathan der Weise“ ausdrückte. Dessen Uraufführung fand 1783 in Berlin statt.
vollständiges Ergebnis:
Nichtoffener einphasiger Realisierungswettbewerb
1. Preis Kuehn Malvezzi, Berlin | 2. Preis Riepl Riepl Architekten, Linz | 3. Preis WandelHoefer Lorch, Saarbrücken | 4. Preis Schultes Frank Architekten, Berlin | Ankäufe Joseph Smolenicky, Zürich | Linazasoro & Sánchez Architecture, Madrid
Daraufhin entstand die Idee eines gemeinsamen Hauses für Christen, Juden und Muslime, die in Berlin ihre Heimat haben – für ein Haus, das die Entwicklung der Stadt zur multikulturellen Metropole verkörpert. Um das Projekt realisieren zu können, gründete sich auf Initiative der evangelischen Gemeinde 2011 der Verein „Bet- und Lehrhaus Petriplatz e.V.“. Mitglieder sind u.a. die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham-Geiger-Kolleg Potsdam, das Forum für Interkullturellen Dialog e.V. als muslimischer Partner, die evangelische Gemeinde St.Petri-St.Marien und das Land Berlin.
Wie groß das Interesse an dieser bisher beispiellosen Bauaufgabe ist, zeigten die 200 Bewerbungen, die für den Wettbewerb eingegangen waren. Eine „harte Nuss“ sei die Aufgabe gewesen, sagte der Juryvorsitzende Hans Kollhoff bei der Vorstellung der Ergebnisse. Ein Bet- und Lehrhaus mit drei getrennten Sakralräumen und einem Ort der Begegnung sollte entworfen werden, das die archäologische Ausgrabungsstätte integriert und städtebauliche Bezüge aufnimmt. Doch wie vereint man drei Religionen in einem Haus, und wie verankert man dieses an einer autobahnähnlichen Straße, zwischen Plattenbauten und Resten barocker Gebäude?
Wechselspiel aus Einheit und Divergenz
Die Jury war der Meinung, dass dies dem Entwurf von Kuehn Malvezzi am besten gelungen sei. Mit ihrem kubischen Baukörper aus hellem Mauerwerk folgen die Architekten dem Grundriss der alten Petrikirche. Der 40 Meter hohe Turm überragt die umgebenden Gebäude und soll – wie einst die Kirche – die Silhouette des Platzes prägen. Er bietet von einer Art Stadtloggia einen Ausblick über Berlin. Während Kubatur und Materialität eine Einheit bilden, lassen reduzierte Öffnungen die Räume der drei Religionen von außen nur erahnen. Erst im Inneren differenzieren sich die Glaubensrichtungen in verschiedene Raumkonturen. Die drei Gebetsräume gruppieren sich um den runden Kuppelsaal, dessen Form ein harmonisches Miteinander symbolisieren soll. Ein archäologisches Fenster erlaubt im Eingangsbereich den Blick auf die Ausgrabungsstätte. Im Untergeschoss kann ein historischer Parcours gelaufen werden, der sich mit dem nebenan geplanten archäologischen Zentrum verbinden ließe.
Der Blick in die Zukunft
Ein Kostenrahmen war in der Auslobung nicht gesetzt. Nun muss der Verein Sponsoren und Unternehmer finden, die das Projekt unterstützen. Mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist eine Änderung des B-Plans anhand des Siegerentwurfes vereinbart.
Die Verteter des Vorstands haben für das Gelingen des Projektes ihre eigene Art von Optimismus: Der Muslim Ercan Karakoyun verweist auf Goethes Gedanken zur Toleranz, die eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein sollte und zur Anerkennung führen müsste: „Dulden heißt Beleidigen.“ Für den Rabbiner Tovia Ben-Chorin ist es ein Zeichen für die Richtigkeit des Projekts, dass die Wettbewerbsentscheidung am Geburtstag des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn fiel. Und Pfarrer Gregor Hohberg erinnert an Lessings Wunsch von der Gleichberechtigung der abrahamitischen Religionen, die dieser in seinem Werk „Nathan der Weise“ ausdrückte. Dessen Uraufführung fand 1783 in Berlin statt.
vollständiges Ergebnis:
Nichtoffener einphasiger Realisierungswettbewerb
1. Preis Kuehn Malvezzi, Berlin | 2. Preis Riepl Riepl Architekten, Linz | 3. Preis WandelHoefer Lorch, Saarbrücken | 4. Preis Schultes Frank Architekten, Berlin | Ankäufe Joseph Smolenicky, Zürich | Linazasoro & Sánchez Architecture, Madrid
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