Bauwelt

Alte Mensa im Olympiadorf


Ideale des industriellen Bauens wieder lesbar machen


Text: Petzet, Muck, München


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1972 von Günther Eckert als Teil des Olympischen Frauendorfs entworfen, wurde die „Alte Mensa“ im Anschluss als Gemeinschaftszentrum GEZ vom „Studentenviertel Olympisches Dorf München“ genutzt. Muck Petzet Architekten haben den innovativ konstruierten Bau, der Entwurfsprinzipien des Centre Pompidou vorwegnahm, saniert.
Der markante Bau wurde zu den Olympischen Spielen 1972 in München als Verpflegungszentrum der Sportler errichtet. Entworfen hat ihn der Architekt Günther Eckert. Wie Werner Wirsing, der die benachbarten Bungalows konzipierte, arbeitete Eckert mit selbstentwickelten Bausystemen und industriellen Fertigungsmethoden. Für die Alte Mensa wie für das studentische Hochhaus entwickelte Eckert eine fast identische, außen liegende Tragstruktur aus Stahlbetonfertigteilen, die das Innere stützenfrei und flexibel nutzbar machte. Nach der Olympiade wurde die Mensa zusammen mit dem erwähnten Bungalowdorf, dem Hochhaus und den Hangbauten vom Studentenwohnheim Oberwiesenfeld umgenutzt. Die Alte Mensa bildet heute ein Gemeinschaftszentrum für die über 2000 Studenten aus der Nachbarschaft. Unter dem großen Dach sind unterschiedliche Funktionen über „Innere Straßen“ miteinander verbunden.
Als wir 2009 den Sanierungsauftrag erhielten, entsprach das Gebäude in puncto Brandschutz, Energieverbrauch und technischer Gebäudeausrüstung nicht mehr den heutigen Anforderungen. Die Fassaden mussten komplett ausgetauscht und der Beton der außen liegenden Tragstruktur saniert werden. Gemeinsam mit dem Büro R+R Fuchs haben wir die Fassade als Sonderkonstruktion in größtmöglicher Annäherung an die Originalprofile und -querschnitte entwickelt. Im Inneren wurde das Gebäude entkernt. Eine besondere Herausforderung lag in der sinnvollen Neuordnung der verschiedenen Nutzungen. In Abstimmung mit dem Bauherren haben wir die unterschiedlichen Anforderungen untersucht, sie in entsprechenden Raumbereichen zusammen­geführt und ergänzt. Alte und neue Nutzungen bilden jetzt logisch zusammenhängende Cluster: Kindereinrichtung, Beratungszentrum und studentische Selbstverwaltung liegen im Süden, Gastronomie, Diskothek, Veranstaltungs- und Lesesaal in der Mitte und interne Einrichtungen des Studentenwerks im Norden. Zusätzlich hinzugekommen sind Werkstattbereiche, ein Waschsalon und eine Physiotherapie.
Die sorgfältig „rekonstruierten“ Fassaden entsprechen genauso wie die Umbauten im Inneren einer entwerferischen Haltung, die wir als „idealisierten Originalzustand“ bezeichnen. Während das Äußere gestalterisch nahezu unangetastet blieb, haben wir im Inneren fast alles verändert; aber diese Änderungen sind kaum ablesbar, da sie aus der Architektursprache der Entstehungszeit heraus entwickelt wurden. Die von Anfang an abgehängten Decken zum Beispiel haben wir entfernt, ebenso die vielen störenden Einbauten, die sich mit der Zeit überall im Gebäude angesammelt hatten. Die Installationsführung ist heute sichtbar und setzt die Ästhetik der offenen Dachkonstruktion fort. Die Rohheit der industriellen Bauweise hat mit der Sanierung wieder ein durchgehendes eigenes Gesicht bekommen.
Wer genau hinschaut, kann in den Farbräumen und in den schlauchartigen Erschließungsstraßen einen Verweis auf Günther Eckerts weit über die Olympiabauten hinausgehende technisch-soziale Vision ablesen, wie er sie in seinem Buch „Die Röhre“ beschreibt. Ein Kontinuum in Form einer aufgeständerten röhrenförmigen Wohnkonstruktion, das zwischen dem 40. und 50. Breitengrad die Erde einmal umrundet, hätte er gerne gebaut. Die Mensa und das Hochhaus sind – ebenso wie die utopische „Röhre“ – Zeugen eines Glaubens an die Lösbarkeit der Menschheitsprobleme durch einen von humanistischen Idealen gesteuerten industriellen Fortschritt.



Fakten
Architekten Eckert, Günther (1927-2001); Muck Petzet Architekten, München
Adresse Helene-Mayer-Ring 7 80809 München ‎


aus Bauwelt 8.2014
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