Bauwelt

Arena Pantanal



Text: Kotzan, Lydia, Berlin


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    Die Baustelle des neuen Stadions von Cuibá im Okto­ber 2013. Die Eröff-nung verschiebt sich
    um zwei Monate auf Februar 2014.
    Foto: Reuters

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    Die Baustelle des neuen Stadions von Cuibá im Okto­ber 2013. Die Eröff-nung verschiebt sich
    um zwei Monate auf Februar 2014.

    Foto: Reuters

Die Lastwagen hinterlassen einen rotbraunen Dunst über den Straßen rund um Cuiabá. Sie transportieren Soja und Mais; Exportgüter, die der Stadt Wachstum bescheren und das nicht nur in die Breite. Immer mehr Hochhäuser schießen aus Cuiabás sonst so flacher Silhouette empor.
Je höher man wohnt, desto höher ist auch das Einkommen. Denn in den oberen Geschossen lebt man sicherer.

Das hat zur Folge, dass die Villen aus dem 19. Jahrhundert, die von nicht gerade hohen Mauern umgeben sind, leer stehen und verfallen. Die stetige Angst vor der Kriminalität manifestiert sich in den Alltagsgewohnheiten der Bürger. Sobald es dunkel wird verlagert sich das öffentliche Leben von den Straßen und Plätzen hinein in die klimatisierten Shoppingcenter und Restaurants. Die Stadt wirkt dann leer und unheimlich. Tagsüber jedoch ist sie laut und chaotisch, Sehenswürdigkeiten gibt es wenige. Deshalb ist Cuiabá für Touristen oft nur eine Durchgangsstation zum Pantanal, dem nahe gelegenen größten Feuchtbiotop der Erde. Seine Artenvielfalt lockt Besucher weit ins Landesinnere – von hier bis zur Küste sind es fast 2000 Kilometer. Doch zumindest 2014, so hofft man, werden Gäste länger in der Stadt verweilen, denn die 500.000-Einwohner-Stadt ist einer von zwölf Austragungsorten der Fußballweltmeisterschaft. Die neue Arena, die sich mit dem Beinamen Verdão, das Große Grüne, schmückt, wurde vom brasilianischen Architekturbüro GCP Arquitetos entworfen. Dafür musste das alte Freiluftstadion von 1975 weichen. Es war für die Heimspiele des Viertligisten ausreichend, erfüllte aber in keiner Weise die Auflagen für WM-Spielstätten. In technischen Empfehlungen und Anforderungen setzt die FIFA weltweit ihre Standards für Sicherheit und Gestaltung durch.
Das neue Stadion scheint vom einfachen auskragenden Vordach des alten Stadions inspiriert zu sein: mit ebenso einfachen Vordächern, unter denen sich die Zuschauertribünen befinden. Der Architekt Sergio Coelho wollte kein Spektakel bauen, sondern ein Stadion, das zur Stadt und ihrem Budget passt und auf spätere Nutzungen reagieren kann. Im Erscheinungsbild unterscheidet sich die Arena von der gewöhnlichen ovalen Form eines Stadions. Das Spielfeld wird von vier sepa­raten Tribünen gerahmt, die mit jeweils einem Vordach überdeckt werden – einem mit einer PVC-Membran umhüllten Stahlfachwerk, das an einer dominanten Rahmenkonstruktion aufgehängt ist. Unter den Zuschauerrängen befinden sich die Nebenfunktionen samt Restaurants und VIP-Bereichen. Umgeben werden die Tribünen von einer oval geformten Stahlkonstruktion, an der Segel aus Polycarbonatplatten befestigt sind. Diese geben den unabhängig voneinander funktionierenden Tribünen eine optische Einheit. Die modulare Bauweise der Arena bringt vielerlei Vorteile. Anders als bei der üblichen geschlossenen Form, strömt über die offenen Ecken ein Luftzug ins Stadion. Unterstützt von einer künstlichen Lüftung lässt sich das feuchtheiße Klima so leichter ertragen. Und die Konstruktion aus zwei mal zwei identischen Modulen ist kostengünstiger herzustellen, insgesamt 170 Millionen Euro sind für den Bau veranschlagt. Das Wichtigste ist, dass die Tribünen nach der Weltmeisterschaft teilweise zurückgebaut werden können. An den Längsseiten des Spielfelds sind diese aus Stahlbeton gefertigt, an der Nord- und Südseite besteht ein Teil der Tribünen aus einer Stahlkonstruktion, die leicht zu demontieren ist. Nach den vier WM-Spielen reduziert sich damit die Kapazität von rund 42.000 auf 27.000 Plätze, um (noch unbestimmten) Nachnutzungen gerechter zu werden. Die Architektur wird dem Namen „Großes Grünes“ in vielerlei Hinsicht gerecht. Darüber hinaus wird Sonnenenergie genutzt und Regenwasser für Sanitäranlagen und zur Bewässerung des Spielfelds gesammelt (gebaut wurde nach LEED-Richtlinien). Auch während der Bauphase werden nachhaltige und soziale Prin­zipien verfolgt, indem vorrangig auf lokale Unternehmen und Hersteller gesetzt wird. Es werden bevorzugt Menschen aus prekären Verhältnissen beschäftigt, wie etwa Haftentlassene oder Arbeiter, die zuvor unter sehr schlechten Bedingungen beschäftigt waren. Sie sollen resozialisiert werden und erhalten außer dem Arbeitsplatz auch Verpflegung und Weiterbildungsangebote.
Rund um das Stadion soll ein 30 Hektar großer Landschafts- und Sportpark entstehen, der mit heimischer Vege­tation bepflanzt wird. Mit ihm soll die gesamte Umgebung aufgewertet werden. Doch bleiben dabei lokale Interessen auf der Strecke. Der große Gemüsemarkt Cuiabás wurde für den Neubau des Stadionparkplatzes zwangsgeräumt, ohne den Kleinunternehmern eine Alternative anzubieten. Das kritische Comitê Popular da Copa (Volkskomitee der WM), das 2007 gegründet und an jedem Austragungsort vertreten ist, setzt sich für Menschenrechte, Partizipation und Planungstransparenz ein. Leider gelang es dem Komitee bislang nicht, die Wünsche der Bevölkerung ausreichend zu artikulieren und ihre Rechte durchzusetzen. Für viele Baumaßnahmen wurden Sonderrechte erlassen, um die Durchführbarkeit zu erleichtern. Das Comitê Popular spricht hier von „Kriegs- und Verfolgungsstrategien“, mit denen die Zwangsenteignungen rechtskräftig gemacht würden. Dennoch hält sich der Unmut in der fußballbegeisterten Bevölkerung Cuiabás in Grenzen.
Einzig das Verkehrschaos reizt die Gemüter. Rund um das Stadion wird die Infrastruktur verbessert. Der provinziell anmutende Flughafen der Nachbarstadt Várzea Grande wird um das Doppelte vergrößert, Brücken werden verbreitert und eine 30 Kilometer lange Tramlinie entlang der Hauptverkehrsadern gebaut. Das Prestigeprojekt wird aus Zeitdruck nicht abschnittsweise, sondern auf einmal realisiert. Wie die Tram die Mobilität der Bürger tatsächlich verbessern wird, darüber gibt es keine öffentlich zugänglichen Studien. Ob
die 450 Millionen Euro an dieser Stelle richtig investiert sind? Doch nicht nur in ihre Infrastruktur, sondern auch in touristische Konzepte muss die Stadt investieren. Bisher ist Cuiabá auf Individualreisende nicht eingestellt. Hier im Hinterland, wo fast ausschließlich Portugiesisch gesprochen wird, fällt es Eigentümern schwer, ihre Wohnungen, die derzeit zahlreich für Touristen umgebaut werden, international zu vermitteln.



Fakten
Architekten GCP Arquitetos, São Paulo
Adresse Rua Oir Castilho, 155-269 - Cidade Alta Cuiabá - MT, Brasilien


aus Bauwelt 48.2013
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