Atelierhaus Miriam Cahn
Im Bergell hat Armando Ruinelli für die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn ein Atelierhaus entworfen. Es steht für das Zusammentreffen von handwerklicher Leidenschaft und bescheidener Lebensweise.
Text: Meyer, Friederike, Berlin
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Wer genau hinsieht, erkennt die feinen Hinweise darauf, dass der Bau an der Straße einer Künstlerin gehört.
Foto: Ralph Feiner
Wer genau hinsieht, erkennt die feinen Hinweise darauf, dass der Bau an der Straße einer Künstlerin gehört.
Foto: Ralph Feiner
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Dreimal Rot kontrastiert den Weißbetonkörper auf schwarzem Sockel. Das Feuerwehrrot der Eingangs-
tür, das Organge von Fluchttür und Hausanschlusskasten und der Rost der Stahltreppe.
Foto: Ralph Feiner
Dreimal Rot kontrastiert den Weißbetonkörper auf schwarzem Sockel. Das Feuerwehrrot der Eingangs-
tür, das Organge von Fluchttür und Hausanschlusskasten und der Rost der Stahltreppe.
Foto: Ralph Feiner
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In die Betonhülle ist ein Holzbau mit leicht geneigten Dachträgern eingestellt. Der kleine Wohnraum ist beheizbar.
Foto: Ralph Feiner
In die Betonhülle ist ein Holzbau mit leicht geneigten Dachträgern eingestellt. Der kleine Wohnraum ist beheizbar.
Foto: Ralph Feiner
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Viele Künstler lebten gern mitten in der Stadt, nah am Geschehen und an den Spielern des Marktes. Doch aus Kostengründen arbeiten sie oft außerhalb, im Gewerbegebiet, nutzen alte Industriebauten für ihre Zwecke um. Im Falle des Atelierhauses von Miriam Cahn ist es anders herum. In der Kunstmessestadt Basel hatte die bekannte Schweizer Künstlerin Lager und Atelier, von dort zog sie ins abgelegene Bergell, in ein Tal südlich der Alpen, das im Winter nur selten Sonne sieht. Im Gewerbegebiet von Stampa, der Heimat der Künstlerfamilie Giacometti, kaufte sie ein Grundstück an der Passstraße nach Italien und baute neu.
Wer auf dem Weg von Maloja im Oberengadin nach Chiavenna in Italien den 600-Seelenort Stampa passiert, kann das „Magazzino“ nicht verpassen. So nennt es Armando Ruinelli, der sein Architekturbüro im Nachbardorf Soglio betreibt (Bauwelt
30.11 und
44.12) und die Bauherrin kennen lernte, als er ein Bild von ihr kaufen wollte. Der 30 Meter lange und 20 Meter tiefe Steinquader, der an der rechten Straßenseite über einen schwarzen Sockel kragt, könnte ein Kühlhaus sein oder auch ein übergroßer Karton. Wenn da nicht das große Fenster wäre, geteilt mit einem Kreuz, wie es in manch altem Wohnhaus üblich ist. Zwar sollte der Bau als Teil der Gewerbezone erkennbar sein, doch nicht wie ein Geräteschuppen wirken. So haben Architekt und Künstlerin die anfänglichen Ideen einer Blech- oder Holzkonstruktion zugunsten von Beton verworfen.
Handwerkliche Leidenschaft
Die Fassade ist mit handwerklicher Leidenschaft detailliert. Drei Gestaltungsansprüche galt es technisch umzusetzen. Erstens die Oberfläche. Kein Tadao-Ando-Finish war das Ziel, vielmehr sollte sie an die Anfänge des Stahlbetons erinnern. Ruinelli wählte 30 cm breite, sägefrische Fichtenbretter für die Schalung. Nicht nur hinterließ der am Holz kleben gebliebene Zement eine besondere Struktur, auch das Holz schwand beim Trocknen genau um den gewünschten Spaltbreit, so dass der Beton an den Bretterfugen leicht ausfließen konnte. Zweitens sollte an den Gebäudekanten kein Schalungsansatz sichtbar sein. Die Handwerker betonierten in Gärung, führten die an den Ecken besonders dichte Bewehrung im Winkel durch ein zuvor gelochtes Holz, gossen Wandseite nach Wandseite. Drittens sollte der Eindruck entstehen, als seien die vorgefertigten Betonrahmen der fassadenbündigen Stahlfenster in die Schalung eingebaut gewesen. Deshalb wurde in drei Etappen betoniert: bis zu deren Unterkante, bis zu deren Oberkante, schließlich bis zur Wandoberkante. Diese steht über das Kaltdach und seine Holzkonstruktion heraus. Das Wasser läuft an der Straßenseite über Speier, an der gegenüberliegenden Seite über Rohre ab.
Das Handgemachte wird auch an anderen Stellen deutlich. An den Baukörper haben Armando Ruinelli und Miriam Cahn drei Elemente gefügt, die seiner kantigen Logik entgegen stehen: schmollmundförmige Wasserspeier unterhalb der Attika an der Straßenfassade, ein Holzschnittrelief zweier Schalbretter in der Nordfassade und ein grandios befremdlicher zungenartiger Aufgang zur Laderampe, die den Industriecharakter unterstreicht und zur Feuerwehrrot gestrichenen Eingangstür führt – die Pinselrichtung lässt sich mit dem Finger fühlen. Ihr Rot ist neben dem Orange von Fluchttür und Hausanschlusskasten und dem Rost der unbehandelten Stahltreppe einer von drei Farbtönen an der weißgrauen Betonfassade.
Das Innere ist schnell erzählt. Ein Raum zum Malen, ein Raum zum Bilder Lagern, ein Raum zum Ruhen und Nachdenken. Das Werkzeugregal, das fahrbare Podest, alles hat seinen Platz. Nichts ist zu viel. Über heutige Wohnansprüche schüttelt Miriam Cahn nur den Kopf. Statt mit Nachbarn, die sonntags ihren Rasen mähen, lebt sie lieber mit den Geräuschen des benachbarten Sägewerks und den vielen tausend Fahrzeugen, die täglich in fünf Meter Entfernung an ihrem Haus vorbei rauschen. Mit ihrer sparsamen Lebenshaltung irritierte sie so manchen Handwerker. Außenbeleuchtung? Lieber ließ sie das Haus im Lichtkegel der Straßenlaternen platzieren und benutzt das Licht ihres Autos. Waschgelegenheit? An der Wand ist eine gefundene Spüle befestigt. Gleichmäßiges Arbeitslicht im Atelier? Die Leuchten bilden ein unauffälliges Rechteck. Heizung im großen Raum? Ein Heizlüfter tut’s auch. Die Tür zum Lager mit den rund 4000 Aquarellen, Kreidezeichnungen und Malereien baute sie selbst.
Es ist die große Qualität des Magazzino, dass es der Haltung der Künstlerin einen würdigen und zugleich unverwechselbaren Rahmen gibt.
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