Bibliothek in Münster
Studenten bauen Erweiterung der Bibliothek für Architektur, Kunst und Design
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Die ursprüngliche Planung aus der Bauverwaltung hatte derart nach Amtsschimmel gerochen, dass der Dekan des Fachbereichs Architektur der FH Münster seine Tutoren dazu aufforderte, sich an einen Gegenentwurf für die Bibliothekserweiterung zu wagen.
Es muss im fünften oder sechsten Semester gewesen sein. Ein Kommilitone sprach mich an, ob ich ihn bei einem kleinen Auftrag unterstützen würde, der aus dem väterlichen Büro an ihn abgefallen war. Erfreut sagte ich zu. Die Sache wurde dann natürlich erheblich größer. Eineinhalb Jahre lang brachten wir damit zu, Details à la Norman Foster zu entwickeln, Werkpläne immer wieder neu zu zeichnen (was man damals noch mit der Hand gemacht hat), auf Knien im Dreck herumrutschend dem Subunternehmer des Trockenbauers die Position der Wände auf den Fußboden aufzumalen, uns von Handwerkern beschimpfen zu lassen, mit vollen Händen das Geld des Bauherrn auszugeben. Die Büroetage, die wir umgebaut haben, ist durchaus gelungen. Doch für mich sollte es das gewesen sein, nach dem Studium habe ich mich aufs Schreiben verlegt.
Eine solch frühe Konfrontation mit der Realität muss jedoch nicht zwangsläufig in die Traumatisierung führen. Andreas Schüring, Stephan Weber und Mathias Horstmann, allesamt Masterstudenten (inzwischen Absolventen) der Fachhochschule Münster, haben in den vergangenen zwei Jahren die Erweiterung der Bibliothek für Architektur, Kunst und Design auf dem Campus der FH geplant und umgesetzt. Sie erwecken nicht den Eindruck, als hätten sie danach schon genug vom Bauen.
Wie kam es zu der ungewöhnlichen Konstellation? Für den dringend benötigten Anbau an die Bibliothek, die in einem ehemaligen Pferdestall untergebracht ist (die Fachhochschule befindet sich auf dem Gelände einer aufgelassenen Reiterkaserne), gab es ursprünglich eine Planung aus der Bauverwaltung. Die roch jedoch derart nach Amtsschimmel, dass der langjährige Dekan des Fachbereichs Architektur, Herbert Bühler, seine Tutoren dazu aufforderte, sich an einen Gegenentwurf zu wagen. Die Idee der drei, die Bibliothek mit einem gläsernen Baukörper zu erweitern, der unmittelbar an die rote Ziegelfassade des Bestandsbaus anschließt, fand
Gefallen. Und tatsächlich ließen sich die Vertreter von Bauherr (das Land Nordrhein-Westfalen) und Nutzer (Fachhochschule und Kunstakademie Münster) auf das Abenteuer ein: Als „Planungsgemeinschaft zauberscho(e)n“ konnten die Studenten ihren Entwurf realisieren; die Verantwortung übernahm
ihr Professor mit seinem Büro.
Die jungen Planer mussten nun also die komplizierte Geometrie der geknickten Stützenpaare,
auf denen das Dach des Erweiterungsbaus ruhen sollte, so weit reduzieren, bis sie aus Stahlblechen zu schweißen waren; sich auf die Suche nach dem Hersteller jenes Grüntons begeben, den sie für die Gestaltung der Deckenuntersicht aus dem Corbusier-Farbfächer ausgesucht hatten; die geeignete Schneiderei für den in der Besprechungsecke vorgesehenen Akustikvorhang ausfindig machen (es wurde dann jene, die auch Rem Koolhaas bevorzugt); lernen, dass man zur erfolgreichen Realisierung einer Ganzglasfassade einen sehr erfahrenen Fassadenplaner an seiner Seite braucht; auf den letzten Drücker einen Mast entwerfen, der nun, neben dem Gebäude stehend, wie ein minimalistisches Kunst-am-Bau-Projekt wirkt, in Wahrheit aber der in der Planung lange nicht berücksichtigte Blitzableiter ist.
Das inzwischen von den lesenden Kommilitonen in Beschlag genommene Erstlingswerk braucht den Vergleich mit Bauten von erfahrenen Kollegen keinesfalls zu scheuen – und könnte für andere Hochschulen mit Architekturfakultät durchaus Ansporn sein, bei Gelegenheit auch auf die Fähigkeiten des eigenen Nachwuchses zurückzugreifen.
Fakten
Architekten
Schüring, Andreas, Münster; Weber, Stephan, Münster; Horstmann, Mathias, Münster; Bühler und Bühler, München
Adresse
Leonardo Campus 48149 Münster
aus
Bauwelt 38.2010
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