Hauptbahnhof in Chemnitz
Von der Regionalbahn in die Straßenbahn, ohne den Bahnhof zu verlassen, dann mit der Straßenbahn, ohne umzusteigen, durch die Stadt und ins Umland. Damit das alles so funktioniert, haben Grüntuch Ernst Architekten den Chemnitzer Hauptbahnhof umgebaut.
Text: Friedrich, Jan, Berlin
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Die Bahnsteige der Straßenbahn wurden auf das Niveau des Vorplatzes abgesenkt.
Foto: Jan Bitter
Die Bahnsteige der Straßenbahn wurden auf das Niveau des Vorplatzes abgesenkt.
Foto: Jan Bitter
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Die Halle erhielt an der Süd- und der Ostseite eine neue, transluzente Fassade.
Foto: Jan Bitter
Die Halle erhielt an der Süd- und der Ostseite eine neue, transluzente Fassade.
Foto: Jan Bitter
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Von der Grünplanung, die Topotek 1 für die Südseite entwickelt hatte blieben lediglich einige Bäumchen und ...
Foto: Jan Bitter
Von der Grünplanung, die Topotek 1 für die Südseite entwickelt hatte blieben lediglich einige Bäumchen und ...
Foto: Jan Bitter
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... die farbigen Sitzstufen übrig, die vor allem von der Chemnitzer Jugend aber gut angenommen werden.
Foto: Jan Bitter
... die farbigen Sitzstufen übrig, die vor allem von der Chemnitzer Jugend aber gut angenommen werden.
Foto: Jan Bitter
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Die Halle vor dem Umbau
Foto: iproplan
Die Halle vor dem Umbau
Foto: iproplan
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Bei Dunkelheit jagen die unterschiedlichsten Schwarmformationen über die Membranfassade.
Foto: Jan Bitter
Bei Dunkelheit jagen die unterschiedlichsten Schwarmformationen über die Membranfassade.
Foto: Jan Bitter
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Sie basieren auf einer Lichtinstallation der Künstlergruppe Random international aus LED-Leuchten, die im Fassadenzwischenraum angebracht wurden.
Foto: Jan Bitter
Sie basieren auf einer Lichtinstallation der Künstlergruppe Random international aus LED-Leuchten, die im Fassadenzwischenraum angebracht wurden.
Foto: Jan Bitter
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Ein Video der Lichtinstallation findet sich hier.
Foto: Jan Bitter
Ein Video der Lichtinstallation findet sich
hier.
Foto: Jan Bitter
Ein Fernzug der Deutschen Bahn hielt in Chemnitz zum letzten Mal im Jahr 2006. Wer die nach Leipzig und Dresden immerhin drittgrößte Stadt Sachsens (247.000 Einwohner) mit dem Zug erreichen möchte, muss seither Regionalzüge benutzen. Stündlich gibt es je eine Verbindung nach Leipzig und nach Dresden in Zügen der Mitteldeutschen Regiobahn, eines privaten Eisenbahnunternehmens.
Besonders attraktiv ist das nicht. Wer gelegentlich mit dem Regionalverkehr unterwegs ist, kennt das: Mitunter erlebt man einen regelrechten Kulturschock, wenn man aus den auf internationalen Standard getrimmten ICE-Zügen der Deutschen Bahn in die Wagen regionaler Bahngesellschaften umsteigt. Hat man Glück, erwischt man eine Gesellschaft mit einer neuen Fahrzeugflotte, es kann aber auch passieren, dass man in ausrangierten ehemaligen Deutsche-Bahn-Waggons landet. Sitzplätze lassen sich im Regionalverkehr nicht reservieren, so kommt es vor, dass man auch mal eine Stunde lang stehen muss. Ja: Eine Großstadt, die aus dem Fernverkehrsnetz der Bahn herausfällt, kann sich abgehängt fühlen. Zumal der Verlust des Fernverkehrshalts meist einhergeht mit der Vernachlässigung der Bahnhöfe.
Straßenbahn auf Bahngleisen
Dass Grüntuch Ernst Architekten aus Berlin am Chemnitzer Hauptbahnhof in den vergangenen Jahren kräftig umgebaut haben, verdankt sich denn auch nicht irgendeiner Bahnhofsverschönerungsaktion der Deutschen Bahn, sondern einer Initiative, die ungleich bemerkenswerter ist, dem sogenannten Chemnitzer Modell. Die Idee dieses Verkehrsmodells, das der Verkehrsverbund Mittelsachsen in mehreren Stufen umsetzt: Wenn schon der Fernverkehr verloren ist, möchte man wenigstens den öffentlichen Nahverkehr in der Region so attraktiv machen wie möglich – indem man die Verbindungen vereinfacht: Die Chemnitzer Umlandgemeinden sollen von der Stadt aus zu erreichen sein, ohne dass die Fahrgäste umsteigen oder gar das Verkehrsmittel wechseln müssen.
Dazu wird eine Reihe von Straßenbahnlinien ins Umland verlängert und zwar – das ist der Clou bei der Sache – nicht durch Streckenneubau (der ist nur punktuell nötig), sondern indem man die Straßenbahn außerhalb der Stadt einfach auf dem bestehenden Schienennetz der Bahn fahren lässt. Wirklich einfach ist das nicht, wie man sich vorstellen kann, der Teufel steckt im technischen Detail, etwa in unterschiedlichen Bahnsteighöhen oder fehlender Elektrifizierung. Dass es aber grundsätzlich funktioniert, ist dem glücklichen Umstand zu danken, dass die Chemnitzer Straßenbahn auf Gleisen derselben Spurweite fährt wie die Bahn.
Bahnsteighalle wird „Stadtbaldachin“
Der Chemnitzer Hauptbahnhof spielt eine Hauptrolle im Chemnitzer Modell. Seit dem vergangenen Jahr wenden die Straßenbahnen nicht mehr vorm Bahnhof, sondern fahren vorne in die Bahnsteighalle hinein und hinten wieder heraus – dort werden sie über eine neue Weichenanlage auf das Gleisnetz der Deutschen Bahn geführt. Die Deutsche Bahn überließ dem Verkehrsverbund die vier äußeren Gleise der Bahnsteighalle für die Straßenbahn. Die Gleise mussten allerdings auf das niedrigere Niveau des Bahnhofsvorplatzes abgesenkt und – das vor allem – die Halle aus den 1970er Jahren musste geöffnet werden. Spätestens damit wurde aus dem Verkehrsplanungsprojekt eine anspruchsvolle Aufgabe für Architekten.
Grüntuch Ernst Architekten, die 2004 den Wettbewerb zum Umbau des Bahnhofs gewannen, haben die notwendige Öffnung der Halle dazu genutzt, um das räumliche Verhältnis zwischen der Bahnsteighalle und ihrem Vorplatz neu zu definieren – genaugenommen bestand zuvor keine Beziehung zwischen der rundherum geschlossenen Halle und der Stadt.
Die Architekten gaben sich nicht damit zufrieden, lediglich eine Art Durchschlupf für die einfahrende Straßenbahn zu schaffen – sie haben die Bahnsteighalle weit zur Stadt geöffnet. So weit, dass sie heute, wenn man am Bahnsteig steht, gar nicht mehr so sehr wie eine Halle wirkt, sondern eher wie die großflächige, aber luftige Überdachung eines öffentlichen Platzes. Um diese Wirkung eines „Stadtbaldachins“ (wie Grüntuch Ernst das Konzept ziemlich schön bezeichnen) zu erreichen, haben sie die neue Fassade, die das Gebäude an zwei Seiten bekam, an keiner Stelle bis auf den Boden geführt, sondern das untere Fassadendrittel vollständig offen gelassen. Die oberen zwei Drittel erhielten eine neue, leichte Hülle – außen sind pneumatische Kissen aus einer EFTE-Membran, innen textilbespannte Metallrahmen vorgehängt – die über dem Ankommen und Abfahren, dem Kommen und Gehen an den Bahnsteigen zu schweben scheint. Erst recht bei Dunkelheit, wenn die zahllosen LED-Leuchten der Lichtinstallation der Künstlergruppe Random international die unterschiedlichsten Formationen von leuchtenden Schwärmen über die Membran jagen – und die Halle endgültig entmaterialisieren.
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