Der Brandenburger Landtag
Schloss mit Inhalt
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
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Foto: Hans-Christian Schink
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Foto: Hans-Christian Schink
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Der Landtag von Brandenburg tagte am 22. Januar zum ersten Mal in seinem neuen Haus. Peter Kulka ist der Spagat zwischen der historischen Vorgabe durch die vorgeblendete Schlossfassade und den zahlreichen Anforderungen des Nutzers an die von ihm entworfenen Einbauten gelungen. Doch die grundlegende Skepsis am Entwurfskonzept bleibt.
Peter Kulka bezeichnet die Knobelsdorff-Treppenhalle seines Neubaus als einen „transformatorischen Raum“, einen Raum des Übergangs. Es ist der einzige Innenraum im Neubau, der einen kleinen Eindruck vom einstigen Potsdamer Stadtschloss vermittelt. Alle übrigen Räume im Gebäude haben nichts mit historischen Vorbildern zu tun. Allein die Lage und die Größe der Fenster waren durch die historische Schlossfassade vorgegeben.
Die Treppenhalle liegt nicht an ihrer ursprünglichen Stelle. Um mehr Platz zu bekommen, wurde sie in den Schlosshof geschoben, der nun wiederum kleiner geworden ist. Von einer Transformation spricht der Architekt, weil er die ursprüngliche Ausstattung deutlich abgewandelt hat. Statt des reichen Zierrats des Friderizianischen Rokoko bestimmt nun Weiß den Raum. Die schnörkeligen Geländer mit Rocaille- und Blumenornamenten an den geschwungenen Treppenaufgängen rechts und links des Eingangs wurden nicht rekonstruiert. Kulka setzte dies nach heftigen Diskussionen, die fast zum Bruch mit dem Bauherren geführt hatten, durch. Jener wollte mehr Rokoko, wie noch in Kulkas erstem Entwurf aus dem Jahr 2009 zu sehen. Nun sind alle Teile der Halle in einer deutlich reduzierten Handschrift zusammengefügt. Weil die Anklänge an das Original-Treppenhaus äußerst abstrakt sind, sprechen Potsdamer Kritiker von einem nicht angemessenen „Badewannendetail“.
Im gesamten Neubau weist nur dieser Raum, wenn auch wenige, Einfügungen aus der Vergangenheit auf: Atlanten in den vier Ecken tragen die flache Kuppeldecke. Sie sind allerdings keine steinernen Schönlinge mehr, sondern Originalfragmente der Schlossruine. Jahrzehntelang eingelagert, wurden sie belassen, wie sie waren. An den Wänden zwischen den Himmelsträgern fällt der Blick auf Relieftafeln, die den Musen und der Kunst huldigen. Und nur in dieser Halle wurde die alte, kleinteilige Fenstergliederung wieder aufgegriffen. Alle anderen Fenster baute man in ihrer Aufteilung in etwa so nach, wie sie Anfang des 19. Jahrhunderts in das Stadtschloss eingefügt worden waren. Über die beiden Treppen der Knobelsdorff-Halle gelangt man bei offiziellen Anlässen direkt in den Plenarsaal des Landtags in der früheren Belle Etage. Kulka gelingt mit der stark hervortretenden baulichen Neuinterpretation des Eingangs in den Neubau ein feierliches, an den Altbau erinnerndes, aber in keiner Weise historisierendes Entree.
Ebenerdig, dort, wo sich früher die Kutschdurchfahrt befand, gelangt der Besucher von dieser Halle in den Kontrollbereich der Pförtner und weiter in das zentrale Foyer mit Infotresen, Cafeteria, Ausstellungsfläche und interaktivem Gebäudemodell. Er erlebt nun weder räumlich noch gestalterisch irgendetwas, das an das Schloss erinnern könnte. Mitten im Raum stehen amorph gestaltete Sitzgelegenheiten, die nochmals mit großer Deutlichkeit darauf verweisen, dass Fassade nur Fassade ist und man sich in einem modernen Neubau befindet. Das Rot der Möbel wird den Besucher auf dem Rundgang weiter begleiten. Es ist das kräftige Rot der Brandenburger Landesflagge, das auch für die Teppichböden in den Büro- und Sitzungsräumen und in den Erschließungsfluren ausgewählt wurde. Auch die Stühle im Plenarsaal sind rot.
Schon im Foyer ahnt man, welchen Zwängen der Neubau hinter historischer Fassade unterworfen war. Das Foyer in der Sockelebene ist wegen deren geringer Höhe niedrig ausgefallen. Um eine angemessene Höhe für den großen Raum zu bekommen, musste die Decke sogar etwas angehoben werden. Im darüberliegenden ersten Obergeschoss befindet sich Lobby des Plenarsaals. Den Höhensprung beim Übergang von der Knobelsdorff-Treppenhalle in diesen Raum bewältigte der Architekt mit einer etwas gequetschten Kegeltreppe.
Im Sockelgeschoss führt der Weg vom Foyer geradeaus in einen fensterlosen, technisch bestens ausgestatteten Veranstaltungssaal, der vor allem für Pressekonferenzen dient. Rechts und links schließen Flure zu den zwei zentralen Treppenhäusern mit offenen Umgängen an. Die Treppe rechts vom Eingang ist den im Haus Tätigen vorbehalten, die linke ist öffentlich zugänglich. Sie führt zur Zuschauerempore des Plenarsaals im zweiten Obergeschoss und zur Kantine auf dem Dach, die auch Besuchern offen steht. Die frei im Raum stehenden Treppenkörper mit kastenförmigen Brüstungen sind ebenfalls weiß und profitieren von großzügigen Oberlichtern. In die Umgänge wurden aus Gründen des Brandschutzes nachträglich Glasscheiben eingefügt, die den Eindruck eines offenen Hauses aber kaum beeinträchtigen. Als ein die zentralen Erschließungsflächen und Treppen verbindendes Element ist ein heller griechischer Marmor gewählt worden. Der Architekt ist froh, dass dieser Stein nicht Einsparungen zum Opfer gefallen ist. In der Knobelsdorff-Treppenhalle verkleidet der Marmor, wie einst beim Original, sogar Teile der Wände.
Zurechtgeschoben
Bevor man sich mit der weiteren räumlichen Aufgliederung des Gebäudes befasst, ist es zunächst wichtig, die deutlichen Änderungen des gesamten Grundrisses im Vergleich zum früheren, 1751 vollendeten Stadtschloss zu erläutern und nochmals darzulegen, warum dies alles so gefordert wurde. Gleich mehrere Zwänge führten dazu, dass das Schloss als Neubau mit vorgeblendeter Fassade und auch nicht am alten Platz und in den ursprünglichen Abmessungen errichtet werden konnte. Das nördliche Fortunaportal stand, dank einer Spende des in Potsdam lebenden Fernsehmoderators Günther Jauch, seit 2002 als isoliertes Torgebäude wieder an seinem Ort. Es erhielt nun nach historischem Vorbild seine geschwungene, niedrige Bogengalerie. Die Ost- und Westflügel hingegen wurden um rund vier Meter in den Hof hinein verbreitet, um eine zweibündige Büronutzung zu ermöglichen. Außerdem wurde das Hauptgebäude, früher der Corps de Logis, mit dem Plenarsaal und der vorgelagerten Treppenhalle mit sieben Metern deutlich tiefer. Nur so ließ sich die geforderte Fläche für den Saal unterbringen. Allerdings gingen damit an den Seitenflügeln im Hof mehrere Fensterachsen verloren. Die Südfassade mit der Kutschauffahrt wurde zudem um 90 Zentimeter zurückgesetzt, damit die Straßenbahn und die Fußgänger in der vierspurigen Friedrich-Ebert-Straße gerade noch ausreichend Platz haben.
Kulka akzeptierte all diese Maßnahmen, da für das Landtagsgebäude ein Raumprogramm gefordert war, das niemals in den alten Grundriss hineingepasst hätte. Wäre man daran gescheitert, hätte das gesamte Projekt aufgegeben werden müssen. Das Programm basiert auf einer möglichen Fusion der Länder Brandenburg und Berlin. Davon ist man zurzeit politisch zwar weit entfernt, doch während der gesamten Planung und Durchführung in einem ÖPP-Verfahren mit sechs Bieterkonsortien im Jahr 2008 und der weiteren Ausarbeitung wollte man in Potsdam daran festhalten. Kulkas Bieterkonsortium, die niederländische Immobilien-Dienstleistungen GmbH Royal BAM, bekam ein Jahr später den Auftrag. Das Land ist bis 2043 Mieter der BAM. Danach geht der Bau in dessen Eigentum über. Das ganze Verfahren haben wir vor fünf Jahren ausführlich behandelt und kommentiert (
Bauwelt 44.2009). Da nun zuviel Bürofläche zur Verfügung steht, ist der Landesrechungshof mit eingezogen, der sich hier wohl fühlt – und bisher nichts an den Kosten für den Neubau zu bemängeln hatte.
Das Parlament
Der Plenarsaal im ersten Obergeschoss überrascht mit seiner Raumhöhe, einem schlichten weißen Interieur und mit seiner Ausstattung. Nussbaumholz, das man früher für solche Räume sehr schätzte, war, zur Freude des Architekten, nicht mehr gewünscht. Der Saal fügt sich somit ohne Brüche in den Neubau. Da hier bisher nur die 88 Brandenburger Abgeordneten tagen, ist die Anordnung der Sitze großzügig. Die gesamte Technik ist aber bereits so ausgelegt, dass die Ergänzungen für die Berliner ohne große Umbauten vorgenommen werden können. Für Zuschauer stehen 160 Plätze auf der Empore zur Verfügung, die seitlichen Loggien sind der Presse vorbehalten.
Der Saal liegt im Süden, direkt an der Straße und vis-à-vis zum Hotelturm Mercure. Früher war hier der große Festsaal des Königs mit Blick auf Lustgarten und Neptunbrunnen. Erstaunt stellt man fest, dass von den Straßenbahnen und den Bussen (hier passieren mehrere Linien), absolut nichts zu hören ist. Die Bronzetür hinter dem Platz des Landtagspräsidenten kann geöffnet werden. So ist bei besonderen Veranstaltungen auch der direkte Zugang über die wieder errichtete Kutschauffahrt von der Frierich-Ebert-Straße möglich.
Für Meinungsverschiedenheiten sorgt auch der Brandenburger Wappen-Adler über der Bronzetür im Plenarsaal. Er wurde vom Architekten ebenfalls ganz in Weiß gestaltet und hebt sich daher kaum von der Wand ab. Auf der Flagge ist er aber rot – und man ist im Land stolz auf die inoffizielle Hymne „Märkische Heide“ in der es heißt: „Steige hoch, du roter Adler, hoch über Sumpf und Sand, hoch über dunkle Kiefernwälder, Heil dir mein Brandenburger Land“. Der Streit um den Adler ist noch nicht ausgestanden. Vielleicht wird er doch noch rot.
Wichtig für den Plenarsaals ist die Öffnung nach oben mit dem kreisrunden Oberlicht. Kulka spricht von einer Kuppel. Die Abgeordneten können in den Himmel schauen. Die Lichtöffnung wurde in die von Balustraden begrenzte Dachterrasse des Mitteltrakts integriert. Durch sie bekommt der Saal etwas Feierliches und erinnert, wenn auch deutlich kleiner und bescheidener, an Fosters Reichstagsgebäude in Berlin von 1999.
In der Lobby sollen wechselnde Ausstellungen gezeigt werden. Derzeit ist hier eine Bilderreihe mit 112 Werken von Lutz Friedel zu sehen – durch Übermalung verfremdete Porträtfotos von Personen aus der Geschichte. Diese Arbeit, die man ohne Kenntnis des Konzepts von Friedel an diesem Ort nicht versteht, löste Diskussionen aus, da auch Hitler und Goebbels zu sehen sind. Zu den Bildern stellte Friedel Skulpturen aus Holz auf den Marmorboden. Man kann sie als Köpfe der Bürger interpretieren.
Die Büros
Auch in den Fraktionsräumen von CDU, FDP (die es hier noch gibt) und Grünen sind die Büroflure mit rotem Teppichboden ausgelegt worden. So durchziehen nur die Farben Weiß und Rot den Neubau. Eine konsequente und überzeugende Entscheidung, die der Architekt gegenüber den Nutzern durchgesetzt hat. Manche sprechen allerdings vom Ambiente einer Klinik.
Wie bereits beim ersten Entwurf des Bieterverfahrens 2009 vorgeschlagen, wurden in die Flügelgebäude vier Bürogeschosse gequetscht. Dies hat zur Folge, dass im ersten und zweiten Obergeschoss kleine Büroräume mit großen Kastenfenstern bestückt sind – im ersten Obergeschoss als Französische Fenster, im zweiten „hängen“ sie von der Decke. Da solch große Fensterflächen im Bürobau heute üblich sind, fällt dies innen nicht auf. Die Büros im Dachgeschoss, wo die Fraktionsräume der CDU und der Landesrechnungshof untergebracht sind, bekamen auf Höhe der Schreibtische niedrige Fenster in die Attika geschnitten. Da sie nicht ausreichten, wurden zusätzlich Dachfenster eingefügt. Der Ausbau dieses Geschosses hatte zur Folge, dass der Bereich hinter den Dachbalustraden vollständig zugebaut wurden musste.
Demokratie
Peter Kulka verfügt über viel Erfahrung mit Einbauten in bestehende alte Substanz. Prominentes Beispiel hierfür ist seine Arbeit am Residenzschloss in Dresden. Nicht zuletzt deswegen drängt sich die Frage auf, warum er es in Potsdam akzeptiert hat, in einer neu errichteten historischen Hülle zu bauen. Er hat dazu eine klare Meinung und verweist auf seinen früheren Entwurf, bei dem er einen modernen Vorschlag in etwa auf der Grundfläche des einstigen Schlosses unterbreitete. Der Plenarsaal sollte, bei dieser „weiteren Zeitschicht auf historischem Grund“, in exponierter Position stützenfrei 21 Meter in den Hof hineinragen. Dies war zunächst auch der Auftrag gewesen, und der Architekt hätte ihn gern umgesetzt. Das damalige Projekt basierte auf der Entscheidung der Bevölkerung, die mehrheitlich den Standort des früheren Schlosses präferierte. Dann kam überraschend das historische Kleid hinzu. Die Realisierung der alten Fassade wurde durch eine Spende vom Potsdamer Milliardär und SAP-Gründer Hasso Plattner überhaupt erst möglich. Er stellte zweckgebunden 20 Millionen Euro zur Verfügung. Später legte er noch 1,6 Millionen drauf, damit das Dach nicht mit Titan- sondern mit Kupferblech gedeckt werden konnte. Mit diesem Geschenk und dem Votum der Bevölkerung für die Rekonstruktion der Fassade war Kulka gefordert. Er hatte mit dieser Entscheidung als Architekt nur die Chance, den Auftrag zu behalten, wenn er völlig umdachte und sein modernes Innenleben in einer Hülle als Schloss mit Knobelsdorff-Fassade akzeptierte. Es sei, nach eigener Aussage, ein „großer Akt des Leidens“ gewesen. Er habe sich dann trotz großer Bedenken und erheblicher Platzprobleme der neuen Situation gebeugt. Die demokratische Entscheidung sei zu akzeptieren gewesen, und er wollte nun „mit dem momentanen Stand der Gesellschaft gut umgehen“. Ansonsten wäre ihm nur noch übrig geblieben, den Auftrag komplett zurückzugeben. Kulka weist außerdem darauf hin, dass an dem Standort mehrmals Neues entstand oder Altes mit Neuem vermengt wurde: eine Festung der Slawen, eine Burg, zwei Vorgängerschlösser, das letzte hat dann Knobelsdorff auf Wunsch Friedrich II. überformt.
Nachdem die Partei Die Linke (damals noch PDS) im Potsdamer Stadtrat ihr vehementes Nein zur Schloss-Hülle aufgegeben hatte, war der Weg schließlich frei. Der Preis dafür war die Zusage, viele Millionen Euro für andere Projekte in der Stadt bereitzustellen. Die Kritik am Wiederaufbau der Schlosshülle ist mittlerweile verstummt. Das Gebäude fügt sich in die Mitte der Stadt ein und formt den Alten Markt neu. Merkwürdig bleibt, dass die Trasse der Straßenbahn so dicht am Gebäude vorbeigeführt wird. Vor dem Krieg lagen die Gleise auf der Ostseite des Schlosses.
Kulka hat sich, nachdem die Entscheidung gefallen war, auch mit der Hülle näher befasst. Er kümmerte sich darum, dass die Sächsischen Sandsteinwerke Pirna, die allerdings 2012 Pleite gingen, worauf ein Werk aus Bamberg einspringen musste, wieder den gleichen Stein wie damals beim Bau des Schlossen lieferten. Er hat bei Fenstern, Pilastern und vor allem dort, wo durch Verbreiterungen neue Fassadenübergängen in Knobelsdorffs Architektur weiterzustricken waren, beratend mitgewirkt. Kommt man heute durch das Fortunaportal in den Hof, kann auf den ersten Blick nicht behauptet werden, dass die Proportionen durch die Fassadenverschiebungen nicht stimmten. Kulka ist der Meinung, dass beide Höfe – das Original und das heutige Arrangement – auf dem Goldenen Schnitt basieren. Ohne den historischen Zustand zu kennen, ist das nur schwer einzuschätzen. Der Architekt ist sich aber sicher, dass der Bau, was die Proportionen betrifft, „nicht aus den Latschen fällt“.
Befremdlich sind die kompakten Betonbänke, die im Hof die Hauptachse zum Eingang flankieren. Unter ihren Sitzflächen verbergen sich teilweise Schlitze für die Entlüftung der Tiefgarage. Die Ein- und Ausfahrt zur Tiefgarage liegt störend an der Humboldtstraße, direkt vor der Ostfassade des Schlosses. Im Untergeschoss ist neben der Garage, der Gebäudetechnik und dem Krisen-Sitzungssaal auch der spartanische, konfessionslose „Ort der Stille“ zu finden.
Die Fassade, vor allem die beiden alten, unterschiedlich breiten Giebelfronten auf der Nordseite, erhielten an wenigen Stellen ca. 300 alte Originalsteine der Säulen, des Gebälks und der Giebel an deren ursprünglichen Positionen eingepasst. Sie waren zuvor an verschiedenen Orten in Potsdam gelagert worden. Jetzt wartet man noch auf die Sandstein-Skulpturen, die sich auf der Attika befanden. Früher waren es einmal 76 Figuren. Acht rettete man vor der Sprengung der Schlossruinen 1960. Sie schmücken seit 1966 als Dach des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität in Berlin. Die Universität zeigte sich zunächst offen dafür, die Skulpturen nach Potsdam zurückzugeben. Inzwischen wird gepokert und ein Tausch ins Spiel gebracht. Im Potsdamer Neuen Palais stehen 12 Marmorskulpturen vom Berliner Schloss. Dieses Schloss wiederum ist als „Humboldt-Forum“ gerade wieder im Bau ...
Für das Rosa der Fassade, so erzählt Peter Kulka, habe er sich einen kräftigen Ton gewünscht. Dies wurde dann auch möglich. Der vergoldete Schmuck mit Krone, Wappen, Putten und dem Hohenzollern-Adler über dem Hauptportal auf der Südseite wirkt sehr kostbar. Hier bewegt sich der Bau an der Grenze zum Kitsch. Ein amüsantes Detail ist das Werk der Potsdamer Künstlerin Annette Paul. „Ceci n’est pas un Château“ steht in goldfarbener Schreibschrift auf der Westfassade. Dort findet man auch die Dankestafel für Hasso Plattners Millionen.
Kommunikation
Nach dem Krieg wurden zahlreiche offizielle Bauten, wie zum Beispiel der Niedersächsische Landtag in Hannover von Dieter Oesterlen, neu errichtet. Doch hier waren Teile des Altbaus noch immer vorhanden, die dann eine neue, eigenständige Architektur als Ergänzung erhielt; so auch das Berliner Reichstagsgebäude durch Paul Baumgarten und später Norman Foster. Peter Kulka steht zu seiner Entscheidung, einen kompletten Neubau mit historischer Hülle zu bauen. Er sei mittlerweile 76 Jahre alt und, wie er selber sagt, milde gestimmt. Allerdings hätte er aus anderen Gründen das Projekt fast aufgegeben. Ihm fehlte es während der gesamten Zeit an der „Kommunikation“ mit dem Bauherrn und der Brandenburger Politik um den inzwischen zurückgetretenen Finanzminister Rainer Speer, der beim Land für das Projekt verantwortlich war. Vieles drohte während der Planungs- und Bauphase immer wieder über seinen Kopf hinweg entschieden zu werden.
Im obersten Geschoss, unter der Dachschräge, angelangt, kann der Besucher auf die große Aussichtsplattform der Landtagskantine hinaustreten. Blickt er nach Norden, baut sich vor ihm Schinkels Nikolaikirche auf, die von hier noch mächtiger wirkt, als sie ist und Rätsel aufgibt, warum Schinkel sie für diesen Ort so entworfen hat. Zu sehen ist ansonst die simple, teilweise triste Wohnbebauung dahinter, die Stadt- und Landesbibliothek und – sehr auffällig – der Dachaufbau der Fachhochschule Potsdam, eine blau, weiß und etwas rosa bemalte Trapezblechverkleidung.
Kulka meint, dass beim Bestand um den Landtag herum eigentlich alles so bleiben sollte wie es ist. Das Historisieren habe auch in Potsdams Mitte Grenzen. Die Stadt aber sieht den Abriss des FH-Gebäudes und sogar des Wohnblocks „Staudenhof“ hinter der Nikolaikirche bis spätestens 2018 vor und verfolgt bei der Neuplanung in Anlehnung an den früheren Stadtgrundriss das „Leitbautenkonzept“ von 2010.
Potsdamer Stadtschloss | Die Winterresidenz Friedrich II. König von Preußen wurde 1751 durch Knobelsdorff vollendet. Er stockte die Gebäudeflügel auf und fügte ein Theater und eine Kapelle ein. Bei der Architektur und vor allem der Innenausstattung spricht man vom Friderizianischen Rokoko. Nachdem das Schloss im April 1945 bei einem Luftangriff schwer beschädigt wurde, folgte 1960, trotz Protesten der Bevölkerung, der Abriss. In den achtziger Jahren plante man auf dem Terrain das neue Potsdamer Theater. Dessen Rohbau wurde 1991 abgerissen. (Fotos und historischer Grundriss: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege)
Erster Entwurf, 1995 | Der erste Standort für den neuen Landtag befand sich in der Speicherstadt auf der gegenüberliegenden Seite der Havel. Damals ging man davon aus, dass es ein vereintes Bundesland Berlin-Brandenburg mit 200 Abgeordneten geben könnte. Der Wettbewerb, der einem städtebaulichen Ideenwettbewerb folgte, war umstritten, da bei der Auslobung das Land Berlin wenig Mitspracherecht hatte. Das Berliner Büro Krüger, Schuberth, Vandreike erhielt den ersten Preis. Der oben gezeigte Entwurf von Peter Kulka erlangte einen Ankauf. Im Hintergrund ist die ehemalige Kriegsschule auf dem Brauhausberg zu sehen, in der sich der Landtag bisher befand. Nachdem die Fusion der Bundesländer gescheitert war, wurde das Projekt verworfen.
Zweiter Entwurf, 2007 | Bei diesem Entwurf für den Landtag am Standort des Schlosses war ein Neubau gefordert, der sich dessen Umrissen anpasste und das bereits 2002 realisierte Fortunaportal integriert. Peter Kulka entschied sich für eine sehr klare Konzeption, bei der das Portal mit der Bogengalerie und den nördlichen Kopfbauten rekonstruiert wurde. Der Plenarsaal sollte, weit in den Hof auskragend, wie ein großes Schaufenster zur Stadt zeigen. Nach der überraschenden Spende von 20 Millionen Euro für die Rekonstruktion der alten Schlossfassaden wurde das Projekt wieder verworfen. Kulka entschied sich, aufgrund der neuen Gegebenheiten beim Bieterverfahren einen anderen Entwurf mit den alten Fassaden vorzulegen und erhielt den Auftrag.
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