Die Konstruktion der Fondation Louis Vuitton
Was mit Leichtigkeit glänzt, ist das Ergebnis modernster Ingenieurkunst
Text: Fildhuth, Thiemo, Stuttgart
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Wie leichte Blätter scheinen sich die Glashäute um den massiven Kern zu legen
Foto: Iwan Baan
Wie leichte Blätter scheinen sich die Glashäute um den massiven Kern zu legen
Foto: Iwan Baan
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Der Eindruck der fließenden und gebogenen Form wird durch die Streifen auf den Segeln gestärkt
Foto: Iwan Baan
Der Eindruck der fließenden und gebogenen Form wird durch die Streifen auf den Segeln gestärkt
Foto: Iwan Baan
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Bis zu 20 Meter weit auskragende Stahlböcke tragen die Sekundärkonstruktion aus Holzbindern und die Tertiärstruktur aus Edelstahlrohren, die wiede-rum die Glassegel trägt
Modellfoto: Exposition Frank Gehry © Gehry Partners LLP
Bis zu 20 Meter weit auskragende Stahlböcke tragen die Sekundärkonstruktion aus Holzbindern und die Tertiärstruktur aus Edelstahlrohren, die wiede-rum die Glassegel trägt
Modellfoto: Exposition Frank Gehry © Gehry Partners LLP
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Zwölf unterschiedlich dimensionierte und geformte Glassegel bilden die Außenhaut des Gebäude im Bois de Boulogne
Foto: Iwan Baan
Zwölf unterschiedlich dimensionierte und geformte Glassegel bilden die Außenhaut des Gebäude im Bois de Boulogne
Foto: Iwan Baan
Nach zehn Jahren Planungs- und Bauzeit öffnete im Oktober 2014 die „Fondation Louis Vuitton“ in Paris. Der amerikanische Architekt Frank O. Gehry hat für die Unternehmensstiftung der LVMH Gruppe (Moët Hennessy – Louis Vuitton) im Pariser Westen, im Bois de Boulogne im Jardin d’Acclimatation, ein Museum errichtet, dass sich der zeitgenössischen Kunst widmet, sie ausstellt und fördert. Das außergewöhnliche Bauwerk beherbergt elf Galerien mit 3850 Quadratmetern Ausstellungsfläche, ein Auditorium und Funktionsräume mit einer Nutzfläche von insgesamt 7000 Quadratmetern, die im überwiegend opaken Kern des Gebäudes, dem sogenannten „Eisberg“, untergebracht sind. Für diesen und das Tiefgeschoss – beide bilden zusammen die Primärstruktur des Objekts – wurden 24.000 Kubikmeter Stahlbeton verbaut. Umhüllt wird der Eisberg von zwölf gekrümmten, gläsernen „Segeln“. Sie schaffen eine eigene, dynamische Raumwirkung für die öffentlichen Freiluftterrassen auf dem Eisberg. 15.000 Tonnen Stahl und Edelstahl, 800 Kubikmeter Brettschichtholz sowie 13.400 Quadratmeter Glas wurden für die Sekundär- und Tertiärstruktur der Segel benötigt.
Die größten Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung lagen in der komplexen, frei geformten Architektur, der schieren Größe des bis zu 150 Meter langen Bauwerks sowie den hohen Anforderungen an die Qualität der gekrümmten Fassadenelemente – das Ganze bei einer geplanten Gebäude-Lebensdauer von hundert Jahren. Für die individuellen Formen der Bauteile entwickelten die Planer zahlreiche neue Modellierungs-, Optimierungs- und Fertigungsverfahren.
Der Eisberg
19.000 Fassadenpaneele lassen die kontinuierlichen, fließenden Formen der 9000 Quadratmeter großen Hülle des Eisbergs entstehen. Sie wurden an jeweils vier Punkten auf vorgefertigte, gedämmte Unterstützungselemente, die auf den Massivbau aufgebracht worden waren, befestigt. Nach dem Test von sechs unterschiedlichen Materialien fiel die Entscheidung für ultrahochfesten, faserverstärkten Ductal®-Beton. Damit ließen sich die gewünschte Oberflächenqualität der weißen Paneele und die nötige Festigkeit für äußere Lasten erreichen. Den Biegezug nehmen auf der Rückseite liegende, verklebte Edelstahlbänder auf. Die Herstellung erfolgte mit einem eigens entwickelten Prozess im Vakuumsack, welcher auf Polystyren-Negativformen der Paneele geformt wird.
Zwölf Segel
Die Grundformen der zwölf Segel mit Flächen von 500 bis 3000 Quadratmetern werden von der Sekundärkonstruktion aus Brettschichtholzbindern gebildet. Diese mit Edelstahlrohren vollständig ausgesteifte Struktur ist mit bis zu 20 Meter weit auskragenden Stahlböcken an den Eisberg angeschlossen. Auf den Holzbindern liegt die gitterschalenartige Tertiärstruktur aus Edelstahlrohren auf, welche die Glashülle aus 3900 unterschiedlichen planen und gekrümmten Elementen trägt.
Anforderungen an die Segel sind Regendichtig- keit, begrenzter Sonnenschutz, eine fließend-teiltransparente Außenwirkung und ausreichender Widerstand gegenüber äußeren Einwirkungen. Die Geometrie jedes Segels entsteht aus zwei einfach gekrümmten, abwickelbaren Flächen, die eine Verschnittkante („Falte“) bilden. Im Verlauf eines Segels verringert sich der Winkel der Falte bis hin zu einem tangentialen Übergang zwischen beiden Flächen. Lokal entstehen auch doppelt gekrümmte Bereiche.
Die Segelflächen wurden mit einem orthogonalen geodätischen Raster (3 Meter x 1,5 Meter) in Glaselemente eingeteilt. Der Winkel des Rasters zur geraden Erzeugenden der Flächen wurde dabei so gewählt, dass die Krümmung der Segel betont wird. Die überwiegend viereckigen, meist einfach gekrümmten Gläser sind mit L-Profilen aus Edelstahl versteift, die entlang der beiden gegenüberliegenden, gekrümmten Kanten mit
Silikon nach dem Prinzip des Structural Sealant Glazing angeklebt sind. Eine Aluminium-Strangpress-Deckleiste verschließt die Fugen darüber. Die kurzen Glaskanten bleiben frei und haben eine Silikonfuge zum benachbarten Glaselement. Mittels vier gelenkiger, ausrichtbarer Anschlüsse am L-Randprofil wird jedes Glaselement, statisch bestimmt, auf der oberen Schar von Edelstahlrohren (Durchmesser 70 Millimeter) der Tertiärkonstruktion aufgelagert. Diese Rohrschar ist biegesteif an die quer verlaufende, zweite Schar von Edelstahlrohren (Durchmesser 80 Millimeter) angeschlossen.
Zur Vereinfachung der Glasbemessung wurde in der statischen Berechnung eine Matrix aus va-riablen Krümmungsrichtungen und Krümmungsradien gebildet, die mit 30 Grundtypen alle 3900 Einzelelemente charakterisieren. Die mit einer schubsteifen SentryGlas®-Zwischenschicht (SGP) laminierten Verbundgläser bestehen aus 6 und 8 Millimeter Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) mit Beschichtung und Bedruckung (siehe Schema oben). Die Verbundwirkung des SGP-Glas-Laminates wurde bei 20 bis 60°C für verschiedene Lasteinwirkungsdauern getestet. Eine ATEx-Zulassung (vergleichbar der Zulassung im Einzelfall) wurde für die Verglasung erwirkt.
Zur Vereinfachung der Herstellung wurden überwiegend plane oder maschinell zylindrisch ge-bogene Gläser verwendet. Da manche Flächen nicht mit zylindrischen Gläsern eingedeckt werden konnten, wurde die maschinelle thermische Biegung von Glas mit zwei unterschiedlichen Krümmungsradien entlang einer Kante neu entwickelt. Die Gläser wurden, wo bei geringen Abweichungen nötig, durch zusätzliche Kaltbiegung auf die Unterkonstruktion gezwungen. In einem parametrischen Optimierungsprozess konnte die passende Zylinderform für jedes Glas als „best fit“ von Herstellbarkeit, Tragverhalten und architektonischer Vorgabe ermittelt werden. Zugleich ging es darum, die Abweichungen der Kanten aneinandergrenzender Paneele zu minimieren.
Building Information Modeling (BIM)
Die Komplexität des Gebäudes und der Schnittstellen der Gewerke erforderten ein vollständiges 3D-BIM-Modell, basierend auf der Software Digital Project. Mehr als 15 Teams mit 400 Nutzern arbeiteten mit diesem Mastermodell, an das zahlreiche spezialisierte Softwares über einen Cloud Model Server angebunden wurde. Es gliederte sich in ein Consultant-Modell und ein Architekturmodell, aus dem synchronisierte Arbeits- und Freigabemodelle für die Fachplaner und den Generalunternehmer generiert wurden und welches Fassaden-, Oberflächen-, Struktur- und Haustechnikmodelle umfasste. Die Synthese aus diesen Modellen war Grundlage für die Ausführung. Beispiele für die Interaktion verschiedener Modelle und den digitalen Workflow zwischen Planung, Optimierung und Fertigung sind die parametrische Generierung der Glaselemente der Segel oder die Anschlüsse der Stahlböcke der Segelkonstruktion an den Massivbau des Eisbergs.
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