Futsal-Halle in Nizza
CAB Architectes zeigen in Nizza-L’Ariane, wie man mit ziemlich viel roh belassenem Beton, vergleichsweise wenig Glas und ein paar Gitterrosten eine elegante, helle und gleichzeitig robuste Sporthalle bauen kann
Text: Friedrich, Jan, Berlin
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Die Sporthalle mit Bolzplatz auf dem Dach besetzt den südlichen Teil eines Parkplatzes am Ufer des Paillon in Nizza-L’Ariane.
Foto: Aldo Amoretti
Die Sporthalle mit Bolzplatz auf dem Dach besetzt den südlichen Teil eines Parkplatzes am Ufer des Paillon in Nizza-L’Ariane.
Foto: Aldo Amoretti
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Mit der Absenkung des Spielfelds auf das Uferniveau ...
Foto: Aldo Amoretti
Mit der Absenkung des Spielfelds auf das Uferniveau ...
Foto: Aldo Amoretti
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... schufen die Architekten eine Sichtverbindung quer durch die Halle – von der Straße hinunter zum Fluss.
Foto: Aldo Amoretti
... schufen die Architekten eine Sichtverbindung quer durch die Halle – von der Straße hinunter zum Fluss.
Foto: Aldo Amoretti
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Die 20 Meter langen, 1,25 Meter hohen und 40 Zentimeter starken Dachträger sind Betonfertigteile.
Foto: Aldo Amoretti
Die 20 Meter langen, 1,25 Meter hohen und 40 Zentimeter starken Dachträger sind Betonfertigteile.
Foto: Aldo Amoretti
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Der Bolzplatz auf dem Dach kragt zweiseitig – an der Straße und am Ufer – aus.
Foto: Aldo Amoretti
Der Bolzplatz auf dem Dach kragt zweiseitig – an der Straße und am Ufer – aus.
Foto: Aldo Amoretti
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Das gewährleistet den nötigen Sonnen- und Blendschutz für das Turnierfeld in der Halle.
Foto: Aldo Amoretti
Das gewährleistet den nötigen Sonnen- und Blendschutz für das Turnierfeld in der Halle.
Foto: Aldo Amoretti
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Alle Treppen des Hauses – zwei hinunter zum Spielfeld ...
Foto: Aldo Amoretti
Alle Treppen des Hauses – zwei hinunter zum Spielfeld ...
Foto: Aldo Amoretti
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... und den Umkleiden und zwei hinauf auf das Dach – sind im Grundriss hintereinander angeordnet. Das ergibt einen der extremsten Treppenräume, an die der Autor sich erinnern kann.
Foto: Aldo Amoretti
... und den Umkleiden und zwei hinauf auf das Dach – sind im Grundriss hintereinander angeordnet. Das ergibt einen der extremsten Treppenräume, an die der Autor sich erinnern kann.
Foto: Aldo Amoretti
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„Der Lärm der Kinder hallt vom Bolzplatz wider. Sie spielen mit Blick auf den Fluss, der endlich wiederentdeckt wurde. Gemächlich fließt das Wasser. Die Straße schläft in der Sonne. Eine Katze läuft im Schatten der langen Mauer entlang. Es ist Sommer in L‘Ariane.“ Aus dem Erläuterungstext der Architekten
Foto: Aldo Amoretti
„Der Lärm der Kinder hallt vom Bolzplatz wider. Sie spielen mit Blick auf den Fluss, der endlich wiederentdeckt wurde. Gemächlich fließt das Wasser. Die Straße schläft in der Sonne. Eine Katze läuft im Schatten der langen Mauer entlang. Es ist Sommer in L‘Ariane.“ Aus dem Erläuterungstext der Architekten
Foto: Aldo Amoretti
Am Hauptbahnhof in Nizza holt Marine Cangione, Projektleiterin bei CAB Architectes, mich mit dem Elektroauto eines Car-Sharing-Anbieters ab. Es folgt eine halbstündige Fahrt, zunächst durch die Innenstadt, wo wir am mondänen Hotel Negreso auf die Uferstraße Promenade des Anglais abbiegen. Die führt in einen Tunnel hinab, der uns nördlich vom Zentrum auf der Autobahn wieder ausspuckt. Auf der Abfahrt: Stau. Als wir weiterkommen, geht es auf einer Brücke über das breite Flussbett des Paillon, der – wir haben Anfang März – kaum mehr ist als ein Rinnsal, schließlich noch einige Kilometer auf der Hauptstraße durch L’Ariane. L’Ariane ist das nordöstliche Ende von Nizza; zwei Drittel der Wohnhäuser hier sind Sozialwohnungen, viele von ihnen werden gerade saniert, andere abgerissen und neu gebaut. Wenn wir der Straße weiter folgen würden, wären wir bald in den Bergen. Doch eben haben wir die neue Sporthalle passiert, die ich anschauen möchte, und biegen direkt dahinter rechts ab, auf einen staubigen Parkplatz am Flussufer. Mein Gepäck solle ich lieber nicht im Auto lassen, meint Marine Cangione, in den zwei Jahren, die sie die Baustelle betreute, sei zwar nie etwas passiert, aber sicher sei sicher.
Für mich gleicht die Fahrt aus dem Zentrum hier hinaus einer mentalen Reinigung. Die Tage zuvor habe ich ein paar Kilometer westlich von Nizza in Cannes verbracht, auf der Immobilienmesse MIPIM, wo ich im Nachgang zu unserer Ausgabe „Im Haifischbecken“ (
Bauwelt 3.2017) neue Geschichten aus der Immobilienbranche recherchierte. Nach drei Tagen auf der weltgrößten Kontaktbörse für Kapitalanleger, Projektentwickler, Makler, Vertreter von Städten und Architekten, fühlt sich das hier an wie eine Rückkehr ins richtige Leben. Und zu richtiger Architektur.
Das Grundstück, auf dem heute die Sporthalle steht, war zuvor ein Teil des Parkplatzes. Ursprünglich hatte die Stadt geplant, hier das neue Domizil der Nizzaer Ballettschule zu bauen, erzählt die Architektin. Das klingt nach einer guten Idee, wenn man vorhatte, den benachteiligten Stadtteil aufzuwerten, um ihn für wohlhabendere Bevölkerungsschichten attraktiv zu machen – also absichtlich den Gentrifizierungsprozess anzustoßen. Doch zum Glück ist an entscheidender politischer Stelle noch rechtzeitig jemand auf die Idee gekommen, dass es wichtiger wäre, das Viertel mit einem Angebot für Menschen aufzuwerten, die bereits hier leben: die Kinder und Jugendlichen von L’Ariane.
So wurde 2009 ein Wettbewerb für eine neue Sporthalle ausgelobt, in der Futsal-Wettkämpfe ausgetragen werden können. Futsal ist die vom Weltfußballverband anerkannte Spielart des Hallenfußballs (das Wort leitet sich ab vom portugiesischen futebol de salão und dem spanischen fútbol sala) und hat seinen Ursprung in Südamerika. Das Büro CAB Architectes aus Nizza – das Akronym steht für Calori Azimi Botineau – gewann den ersten Preis und konnte den Entwurf zwischen 2014 und 2016 schließlich realisieren.
Das Haus aus wunderbar rohem, sichtbar belassenen Beton begeistert mich. An buchstäblich jeder Ecke ist zu sehen, dass hier Architekten am Werk waren, die ein außerordentliches Gespür für das konzeptionelle Potenzial eines Ortes haben. Die Futsal-Halle in L’Ariane ist ein Musterbeispiel für eine Architektur, deren Qualität sich starken räumlichen Ideen verdankt – und deren konsequenter Materialisierung. In genau dieser Reihenfolge. Hier sind es eigentlich zwei Ideen, die den Entwurf ausmachen. Die erste: Die Architekten wollten mit dem Neubau eine Sichtverbindung zwischen der Straße und dem Ufer des Paillon schaffen. Eine solche Verbindung gibt es sonst nirgendwo in L’Ariane; die Häuser an der Hauptstraße kehren alle dem Fluss den Rücken. So haben die Architekten das Futsal-Spielfeld in der Böschung „versinken“ lassen, es also nicht auf Straßenniveau, sondern auf der tieferliegenden Uferebene platziert. Durch die jeweils hallenbreite Verglasung der beiden gegenüberliegenden Hauptfassaden hat man nun tatsächlich den Blick von der Straße quer übers Spielfeld bis hinunter zum Fluss. Das Absenken des Spielfelds hat gleichzeitig einen funktionalen Vorteil, der die Wegeführung in der Halle wesentlich vereinfachte, weil die Zuschauertribüne auf dem Niveau des Haupteingangs auf Ebene der Straße liegt.
Die zweite Idee, die für die Gestalt des Gebäudes im Grunde noch wesentlicher ist: Die Architekten schlugen vor, das Hallendach für ein zweites Spielfeld, unter freiem Himmel, zu nutzen. Das ist zum einen ein Gewinn für die Kinder und Jugendlichen (sie müssen sich nur den Schlüssel für den Aufgang aufs Dach beim Hausmeister holen). Zum anderen hat mit der Idee des Spielfelds auf dem Dach die Halle überhaupt erst ihre einprägsame Form gefunden: Wenn auf dem Dach Fußball gespielt werden sollte, brauchte es rundherum Fangnetze, die verhindern, dass der Ball ständig auf der Straße, im Fluss oder am Kopf eines Passanten landet. Aus der notwendigen Haltekonstruktion für die Fangnetze haben die Architekten einen, wie sie es nennen, „Peristyl“ aus schlanken Betonstützen und einem ebenso schlanken Träger entwickelt. Als eine Art offenes Obergeschoss verleiht dieser Stützenkranz der Sporthalle im löchrigen Stadtraum von L’Ariane überhaupt erst die richtige Präsenz.
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