Bauwelt

Gedenkstätte Hohenschönhausen



Text: Ballhausen, Nils, Berlin


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    Foto: Lukas Roth

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Beim Umbau und der Sanierung der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt überzeugen HG Merz Architekten mit einem klugen Raumkonzept. Die konsequente Trennung von Gedenkort, Dokumentation und Serviceräumen macht das System des Ministeriums für Staatssicherheit anschaulich.
Im Nordosten Berlins liegt Hohenschönhausen. Gutes verbinden auf Anhieb wohl nur wenige mit diesem Ortsteil. Die bis Ende 1989 vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) betriebene Zentrale Untersuchungshaftanstalt an der Genslerstraße hat ihren Teil zu diesem Negativbild beigetragen. Das Gefäng-nis war das Zentrum eines 1,8 Quadratkilometer großen Sperr-gebiets, das hermetisch abgeriegelt war. Seit 1992 steht die ehemalige Haftanstalt nebst Verwaltungs-, Krankenhaus- und Werkstattbereichen unter Denkmalschutz, seit 1994 ist sie Gedenkstätte, seit 2000 von einer selbstständige Stiftung öffent­lichen Rechts geleitet.
Über die Jahre ist das Besucheraufkommen angestiegen und damit auch der Anspruch an die räumliche und pädagogische Qualität des Ortes. In den zwanzig Jahren ihres Bestehens sind 38 Millionen Euro in die Gedenkstätte investiert worden, vor allem, um die maroden Bauten zu sichern und angemessene Arbeitsplätze für die Mitarbeiter herzustellen. Vergangenes Jahr hat das Büro HG Merz den ersten Abschnitt eines umfassenden Umbaus fertiggestellt: neue Ausstellungsräume sowie zeitgemäße Funktionsräume für Mitarbeiter und Besucher. Für diesen Neustart stellten Bund und Land 13 Millionen Euro zur Verfügung (KG 300/400: 8,6 Mio. Euro) – angesichts der komplizierten geschichtlichen und baulichen Verhältnisse sicher nicht zu viel Geld.
Sonderpreis
Der Entwurf von HG Merz hatte im Wettbewerb 2008 einen Sonderpreis erhalten, weil darin die Service-Funktionen, anders als in der Auslobung vorgesehen, nicht im sogenannten Altbau geplant waren, sondern in dem vorgelagerten Garagentrakt. Dadurch wurde die Substanz des historisch „belasteteren“ Altbaus geschont. Dieser Ziegelbau, 1939 als Großküche der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV) errichtet, ist der Nukleus der Haftanstalt und mit seinen zahlreichen baulichen Veränderungen ein beredter Zeuge der Methoden politischer Repression nach 1945. Zunächst hatte der sowje­tische Geheimdienst in dem Hallenbau ein Speziallager geführt, tausende Verdächtige ins tageslichtlose Kellergefängnis, das sogenannte „U-Boot“, gepfercht, um Informationen und Geständnisse zu erpressen. Schätzungsweise 1000 Gefangene starben hier. 1951 wurde die Anstalt an das MfS übergeben, unter dessen Regie bauten Häftlinge nebenan eine dreiflüglige, „zivilere“ Haftanstalt mit 100 Zellen und 120 Vernehmerzimmern. Die physische Gewalt wurde fortan durch psychische Gewalt abgelöst: Demütigung, Isolation, Desorientierung. Dieser Trakt ist noch im Zustand von 1990 und wird erst im nächsten Bauabschnitt bearbeitet.
Zurück zum Altbau, wo die neue Dauerausstellung eingerichtet ist. Im Erdgeschoss der ehemaligen Großküche wurde ein „neutralisierter“ Ausstellungsraum eingefügt; hier waren die baulichen Überlagerungen so diffus, dass der Eingriff aus denkmalpflegerischer Sicht als unbedenklich galt. Von diesem zentralen Raum aus werden das Kellergefängnis und die Seitenschiffe erschlossen. Die Besucher werden über Stege, die in ihrer Materialität deutlich vom Bestand abgesetzt sind, in diese authentischen Bereiche geführt. Als Ausläufer der Dauerausstellung haben sie dieselbe hellgraue Polyurethan-Bodenbeschichtung, ihre Aufkantungen formen sich mal zur Ausstellungswand, mal zum Podest, mal zum Lesepult – ein begehbares Implantat. Der Anspruch der Architekten war es, den „Geschichtsträger“, also den historischen Ort, und die Dokumentationsebene deutlich voneinander zu unterscheiden. Angesichts der gilbigen Blümchentapeten, der Furnierschrankwände, der braun-grünen Teppiche, dem spießigen Repräsentationswillen, der beklemmenden Stimmung, der aufbereiteten Biographien der hier tätig gewesenen MfS-Mitarbeiter (die zum Teil noch immer in der Nachbarschaft wohnen) bin ich dankbar, dass ich all dies von einer neu eingefügten komfortablen Ebene aus betrachten kann und nichts davon berühren muss. Am Ende meines Rundgangs kommt Ekel auf, und die sachliche neue Schicht wirkt in diesem Zusammenhang wie ein Hygieneartikel. Diese Wirkung ist gewollt, sie dürfte auch Hubertus Knabe gefallen, dem oft polarisierenden, weil dogmatisch-antikommunistischen Direktor der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen.
Zeitkapsel
Ohne Zweifel: Das Herauspräparieren, das Distanzieren der Zeitschichten haben die Architekten sowohl gestalterisch als auch technisch auf höchstem Niveau gelöst. Medien- und Haustechnik bleiben nahezu unsichtbar, die Aufmerksamkeit der Besucher kann sich vollkommen auf die heiklen Inhalte richten. Oberflächen wurden aufwendig restauriert, Tapeten billigster Machart und falsches Nussbaumfurnier wurden, wo es nicht anders ging, eingescannt und ausgeplottet, um die verkommene Atmosphäre zu komplettieren und sie wie in einer Zeitkapsel einzufrieren. Das Gute und das Böse, vielleicht kann es, ein Vierteljahrhundert nach dieser jüngsten deutschen Epoche politischer Unterdrückung, ja nur eine solche scharfe Trennung geben; die Architektur von HG Merz folgt diesem Konzept mit Bravour.
Ein Foto in der Ausstellung zeigt den ehemaligen Minister für Staatssicherheit Erich Mielke, wie er 1990 selbst in Untersuchungshaft auf einer Bank im Gefängnishof sitzt. Es erinnert daran, worum es dieser Gedenkstätte derzeit geht: um die Gerechtigkeit.



Fakten
Architekten HG Merz Architekten, Berlin/Stuttgart
Adresse Genslerstr. 66 13055 Berlin


aus Bauwelt 35.2014
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