Der geplante Neubau des Hotel Königshof in München
Am geplanten Neubau für das Hotel Königshof in München von Nieto Sobejano scheiden sich die Geister. Ende Juli wurde der Bauantrag für den Nachfolger des Traditionshauses am Karlsplatz genehmigt, was die Debatte aufs Neue angefacht hat. Der Versuch einer Aufklärung
Text: Matzig, Katharina, München
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Karlsplatz München, Westseite, mit dem „Königshof“. Das im Lauf von hundert Jahren immer wie der um gebaute Hotel soll einem Neubau weichen.
Foto: Rainer Viertlböck
Karlsplatz München, Westseite, mit dem „Königshof“. Das im Lauf von hundert Jahren immer wie der um gebaute Hotel soll einem Neubau weichen.
Foto: Rainer Viertlböck
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Der Wettbewerbsbeitrag von Nieto Sobejano.
Der Wettbewerbsbeitrag von Nieto Sobejano.
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Darstellungen des Ende Juli genehmigten Bauantrags wurden uns vom Bauherren verweigert, weshalb wir im Folgenden die Geschichte des Königshofs anhand von historischen Ansichtskarten chronologisch rückwärts verfolgen.
Darstellungen des Ende Juli genehmigten Bauantrags wurden uns vom Bauherren verweigert, weshalb wir im Folgenden die Geschichte des Königshofs anhand von historischen Ansichtskarten chronologisch rückwärts verfolgen.
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Piccadilly Circus in Bayern: Großstadtplatz Stachus Anfang der 70er Jahre. Das gerade umgebaute Hotel Königshof zeigt eine Farbfassung, die Alt und Neu erkennbar macht.
Postkarte: Lengauer
Piccadilly Circus in Bayern: Großstadtplatz Stachus Anfang der 70er Jahre. Das gerade umgebaute Hotel Königshof zeigt eine Farbfassung, die Alt und Neu erkennbar macht.
Postkarte: Lengauer
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Der wiederaufgebaute Königshof, Anfang der 50er Jahre. Das kaiserzeitliche Gebäudevolumen wurde „kubifiziert“.
Postkarten: Carl Krueck (Ansicht vom Platz), K. H. Buchhholz (Blick zum Karlstor von der Restaurantterrasse)
Der wiederaufgebaute Königshof, Anfang der 50er Jahre. Das kaiserzeitliche Gebäudevolumen wurde „kubifiziert“.
Postkarten: Carl Krueck (Ansicht vom Platz), K. H. Buchhholz (Blick zum Karlstor von der Restaurantterrasse)
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Stachus und Königshof Ende der 50er Jahre.
Postkarte: Lengauer
Stachus und Königshof Ende der 50er Jahre.
Postkarte: Lengauer
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Die Restaurantterrasse in der Beletage reicht nun über die gesamte Hausbreite.
Postkarte: Cramer
Die Restaurantterrasse in der Beletage reicht nun über die gesamte Hausbreite.
Postkarte: Cramer
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„Die verehrten Gäste unseres Hauses möchten wir besonders auf unsere schöne Bar anschließend an die Hotelhalle aufmerksam machen. Ein entzückender Treffpunkt untertags und zur Cocktailstunde ...
Postkarte: Hotel Königshof
„Die verehrten Gäste unseres Hauses möchten wir besonders auf unsere schöne Bar anschließend an die Hotelhalle aufmerksam machen. Ein entzückender Treffpunkt untertags und zur Cocktailstunde ...
Postkarte: Hotel Königshof
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... Angenehmste Temperaturverhältnisse durch vollautomatische Klimaanlage.“
Postkarte: Hotel Königshof
... Angenehmste Temperaturverhältnisse durch vollautomatische Klimaanlage.“
Postkarte: Hotel Königshof
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Das Hotel wurde vor dem Ersten Weltkrieg unter dem Namen „Bellevue“ geführt.
Postkarte: W. H. D.
Das Hotel wurde vor dem Ersten Weltkrieg unter dem Namen „Bellevue“ geführt.
Postkarte: W. H. D.
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Der Zustand nach Umbau des ursprünglichen Hauses.
Postkarte: F. W.
Der Zustand nach Umbau des ursprünglichen Hauses.
Postkarte: F. W.
„Schmerzerfüllt stehen wir vor den Trümmern unserer Altstadt, des Juwels im Kranze Groß-Münchens. Die Stadt aus dem 14. Jahrhundert, die Schöpfung Kaiser Ludwigs des Bayern, die innere Stadt zwischen Sendlinger Tor und Odeonsplatz und zwischen Karlstor und Isartor, das ist das Gebiet der heutigen Altstadt. Gerade die Altstadt ist unser München und das Besondere, das neben den Schöpfungen Ludwigs I. die Fremden immer wieder anzog ... Wo im Einzelnen von den baukünstlerisch wichtigen Bauten noch so große Reste bestehen, dass das Ganze rekonstruiert werden kann, soll das alte Bild wieder erstehen; wo nichts mehr vorhanden ist, soll nach modernen Gesichtspunkten, aber im Sinne der Altstadt, neu und frei gestaltet werden, damit wir in einigen Jahrzehnten unser liebes München wieder haben, die Perle der deutschen Städte mit ihren herrlichen Bauten, mit ihrem südlichen Himmel und dem zauberhaften Gemisch von Fleiß und Gemütlichkeit.“
Einige Jahrzehnte sind inzwischen vergangen, die Passage stammt aus dem Buch „Das Neue München – Vorschläge zum Wiederaufbau“ von Karl Meitinger aus dem Jahr 1946. Damals sorgte der Architekt und Stadtbaurat von München dafür, dass nach etwa 70 Prozent Kriegszerstörung das „liebe München“ auferstand, das laut Beherbergungsstatistik des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung zwischen Januar und Juni dieses Jahres 6 531.257 Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland verzeichnete.
Das Geschäft mit den Fremden brummt in der Perle der deutschen Städte. Zu den wenigen privaten Münchner Hoteliers gehören die Brüder Carl, Michael und Stephan Geisel, die in der vierten Generation Anfang der 1990er Jahre die Leitung der Geisel Privathotels übernommen haben und seither ausschließlich in München expandieren. Vier Hotels und vier Restaurants gehören zum so genannten Portfolio der Familie. Das Hotel Königshof war das dritte Haus, das die Geisels, die – wie kann es anders sein in München – mit der Bewirtschaftung eines Zelts auf dem Oktoberfest den Grundstein ihres Erfolgs legten, übernahmen. Das ursprünglich viktorianisch anmutende und im Krieg zerstörte Haus in bester Lage wurde 1950 wiederaufgebaut, zur Olympiade 1972 von Siegward Graf Pilati aufgehübscht und 1996 von Innenarchitekt Jochen Dahms geliftet. Heute steht das Fünf-Sterne-Haus mit 71 Einzel- und Doppelzimmern und 16 Suiten sowie seinem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant jedoch tatsächlich ein wenig aus der Zeit gefallen am Karlsplatz 25, zwischen dem neubarocken Justizpalast, erbaut 1890–97 nach Plänen von Friedrich von Thiersch, und dem ebenfalls denkmalgeschützten, gut 30 Meter hohen Kaufhof von Theo Pabst, einem Stahlskelettbau mit Werksteinfassade aus den fünfziger Jahren. Und natürlich: Vis à vis des Karlsplatzes, auf dem die von Gabriel von Seidl erdachten Fassaden halbkreisförmig das Karlstor umschließen.
Verständlich, dass die Brüder Geisel das Äußere ihres Prunkstücks polieren wollten. 2013 luden sie daher zwölf Architekturbüros zum Wettbewerb ein (
Bauwelt 44.2013). Räumlich sollte das Haus auf 91 Zimmer und Suiten vergrößert werden, zudem um ein 350 Quadratmeter großes Spa sowie ein Restaurant mit 180 Sitzplätzen. Stadträumlich sollte das Prominenten-Hotel dem prominenten Ort angemessen sein. Der Entwurf des spanischen Architekturbüros Nieto Sobejano, das in München momentan das Bogenhausener Tor und die Einstein Türme realisiert (vier Bürotürme und ein Hotelhochhaus), überzeugte die Familie und siegte über die gleichrangig platzierten Vorschläge von Wandel Hoefer Lorch und Sauerbruch Hutton. Münchens Boulevardblatt Abendzeitung schrieb damals allerdings schon: „Wenn es bis heute noch keinen Preis für besonders hässliche Architektur gibt, sollte man ihn jetzt erfinden – drei Anwärter haben sich mit ihren Entwürfen für den neuen Königshof ja bereits wärmstens empfohlen.“
Verstummt ist die Kritik seither nicht. Die „Altstadtfreunde München“, eine „aktive, ernst zu nehmende Bürgerbeteiligung in grundlegenden Fragen der Stadtgestalt“, die unter anderem „neues Denken, mehr Mut und Offenheit für Rekonstruktionen – auch in München“ fordern, waren ebenfalls weder mit der Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer noch mit der Juryzusammensetzung zufrieden. Und erst recht nicht mit dem Ergebnis: zu hoch – knapp 12 Meter mehr als der Altbau –, zu modern. Oder, wie es die von den Altstadtfreunden beauftragten Juristen formulierten: Der Bau fügt sich „in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein“, berücksichtigt nicht hinreichend „denkmalschutzrechtliche Belange in Bezug auf den Ensembleschutz der Altstadt“ und verstoße gegen die „Grundregeln des Abstandsflächengesetzes“. In der Petition „Rettet den Stachus“, die im Dezember 2014 beim Bayerischen Landtag eingereicht wurde, heißt es daher: „Die weit überhöhte Baumasse und die aufgerissene Fassade des von den Bauherren favorisierten Entwurfs ist respektlos gegenüber dem historischen Baubestand. Er beeinträchtigt optisch den im Eigentum des Freistaats Bayern stehenden Justizpalast erheblich. Dem Freistaat Bayern und damit dem Bayerischen Landtag steht es zu, sich dagegen zur Wehr zu setzen und einen entsprechenden Appell an den Münchner Stadtrat gegen diese Fehlplanung zu adressieren.“ Sollten die Bauherren auf einem Neubau beharren, forderten die Altstadtfreunde einen neuen Wettbewerb mit der Vorgabe, dass sich der Entwurf in die umgebende Bebauung einfügen muss. Oder besser noch: ein Bebauungsplanverfahren.
Dass der Bauplatz streng genommen am Rand des seit 1983 in der Denkmalliste als Ensemble geführten Altstadtbereichs liegt und somit jenseits der „Leitlinien zum Planen und Bauen“, die Stadtbaurätin Elisabeth Merck – Mitglied in der Stadtgestaltungskommission, die den Entwurf selbstverständlich diskutierte und letztendlich goutierte – 2015 in einer Broschüre zusammenstellte, ist vermutlich Haarspalterei. Denn die Baugenehmigung für das kompakte Volumen, das tatsächlich durch seine Spaltung lebt, durch einen geometrischen Riss im Aufriss, wurde erteilt. Das Planungsreferat der Stadt hatte Mitte Juli 2016 keine Bedenken.
Das ist natürlich keine Garantie dafür, dass die spektakuläre Architektur mit der expressiven Fassade, die ein wenig so aussieht, als hätten die Architekten lustvoll Minecraft gespielt, nicht auch spektakulär scheitern kann. Nicht jedes Signature Building hat seine Umgebung wirklich bereichert. Peter Scheller vom Münchner Architekturbüro Palais Mai, ebenfalls Mitglied der Stadtgestaltungskommission, findet es jedoch richtig, den Mut und nicht zuletzt auch das existentielle Risiko eines privaten Bauherrn, der aus Überzeugung einen Architekturwettbewerb auslobt und dann auch noch ein spanisches Büro beauftragt, weil es die Aufgabe am besten gelöst hat, anzuerkennen. „Ich glaube, dass ein so starker Impuls der Gegend zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof nur gut tun kann.“
Zumal gerade der Karlsplatz durch seine Baugeschichte ebenso wie durch seine urbane Lebendigkeit als Drehpunkt von stetem Fußgänger-, Fahrrad- und Autoverkehr stark genug ist, avantgardistische Architektur aushalten zu können, beziehungsweise, sie zu fordern. Und haben nicht auch Klenze, Gärtner oder Fischer zu ihrer jeweiligen Zeit in der Innenstadt Neues geschaffen, war und ist nicht der Justizpalast ein selbstbewusst eigenständiger Bau? Warum sollte die bauliche Entwicklung Münchens also in der Zeit zwischen 1800 oder 1900 verharren? Oder sogar der zwischen 1798 und 1923?
Womit sich die Frage nach der Jahreszahl für den Baubeginn stellt. Mehrfach bereits wurden Termine nach hinten verschoben, freiwillig und unfreiwillig. Momentan heißt es in der Münchner Presse, dass der Königshof bis Ende 2018 geöffnet bleibt, dann abgerissen und zweieinhalb Jahre später wiedereröffnet werden soll. Das müssen wir glauben, aus dem Hause Geisel wurden uns nämlich nichts – keine Stellungnahmen, keine Termine, kein Plan- und Fotomaterial – zur Verfügung gestellt. Für eine sorgfältige Planung sollte der angenommene Zeitraum aber ausreichen. Peter Scheller hofft zudem, dass die Zeit auch genutzt wird, um die Debatte über Einzelbauwerke endlich auf das ganze Areal auszuweiten, das momentan wenig bis keine Aufenthaltsqualität bietet. Die Chance, das Karstadt-Gebäude zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof, das in diesem August für 250 Millionen Euro von privat an privat verkauft wurde, in den neuen Konzertsaal Münchens umzuwandeln, wie Studenten vorgeschlagen hatten, hat die Stadt vertan. „Das hätte grandios werden können“, meint Scheller. Bleibt der Hauptbahnhof. Und damit eine weitere Architekturproblemzone der Stadt. 2006 gewann das Büro Auer und Weber den Wettbewerb für den Neubau des Empfangsgebäudes, das aus den fünfziger Jahren stammt. Inzwischen liegen zudem Pläne vor für die Umgestaltung des so genannten Starnberger Flügelbahnhofs am südlichen Rand des Gleisbetts. Das dort geplante 75 Meter hohe Hochhaus – damit 25 Meter niedriger als die Frauenkirche –, beschimpfte Ludwig Spaenle, Historiker und Bayerischer Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, prompt als „monströs“. Es handele sich um „Gigantismus vor dem Herrn“, der „die Altstadtsilhouette massiv stören“ werde. Auf der Website der Altstadtfreunde stehen die Unterschriftenlisten längst bereit zum Download.
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