Bauwelt

Hülle und Inhalt


Hans-Sachs-Haus


Text: Escher, Gudrun, Xanten


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    Foto: Hans-Georg Esch

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    Foto: Hans-Georg Esch

„... hab a Herz voller Sehnsucht und a Fotografie! ...“ Soweit wie in diesem Volkslied wäre es in Gelsenkirchen 2005 fast gekommen. Der Abrissantrag für das städtische Hans-Sachs-Haus war nach einem gescheiterten Sanierungsversuch vom Rat der Stadt genehmigt worden, und auch die Denkmalbehörde in Münster hatte grünes Licht gegeben.
Aber die Gelsenkirchener nicht – das Bürgerforum HSH erreichte ein Moratorium für das Hans-Sachs-Haus, welches neben dem Musiktheater das zweite Baukunstwerk von Bedeutung in der Stadt ist.
Ist oder war? Von dem, was nach den Entwürfen von Alfred Fischer 1924–27 im Stil des Backstein-Expressionismus gebaut worden war, steht nur noch die äußere Hülle und davon auch nur zwei Drittel. Der südliche Flügel des U-förmigen Baukomplexes fiel nach Bombentreffern 1945 in sich zusammen. Weil aber Stadtrat und Stadtverwaltung dringend Platz brauchten, wurde nach dem Krieg schnell und auch größer wieder aufgebaut: Die Westseite bekam einen an den erneuerten Südflügel anschließenden Erweiterungstrakt und innen wurde viel verändert. Aber wie früher umschloss das Geviert den großen Konzert- und Veranstaltungssaal und den Ratssaal.
Zum Zeitpunkt des zweiten Wettbewerbs 2008, der den Weg für das heutige Ergebnis frei machte (Bauwelt 22.2008), war das seit 2001 geschlossene Gebäude bereits weitgehend entkernt. Einen Ursprungszustand wieder herzustellen, hätte – nach Wiederaufbau und begonnenem Rückbau – in jedem Falle eine Rekonstruktion bedeutet. Deshalb war die Entscheidung folgerichtig, sich auf einen ehrlichen Neubau einzulassen, jedoch mit den historischen Außenansichten. Diese Vorgaben erfüllte der Entwurf von gmp am schlüssigsten. Nach vier Jahren Bauzeit (etwas länger als geplant) steht das Hans-Sachs-Haus nun fertig da – und wer es nicht wüsste, könnte meinen, es sei das alte Backsteingebäude. Aber nur von vorne betrachtet, von der Ebertstraße aus. Die frühere Rückseite und heutige zweite Fassade am neuen Alfred-Fischer-Platz zeigt sich transparent in Stahl und Glas, seitlich gerahmt von den um die Ecken herum geführten steinernen Fassaden. An den drei Backsteinfronten wurde so viel restauriert wie möglich: das umlaufende Vordach mit den Leuchtkästen darüber, die rund geführte Verglasung und die tief liegenden kleinen Fenster im obersten Geschoss, selbst die breit gezogene Schrift „Hans-Sachs-Haus“. Gereinigt und repariert sind auch die charakteristische, durch vorspringende Steinlagen quer geriffelte Mauerwerksstruktur, die Keramikplatten an Sockel und Treppenhauserker, die die dunkel-changierende Färbung der Klinker noch einmal intensivieren, sowie die Treppenhausfenster mit ihren Beschlägen, die gemeinsam ein senkrechtes Lichtband ergeben. Vordach, Dachüberstand und die rings umlaufenden Simse, die die Fenster rahmen und das Ganze zusammen spannen, vermitteln jene vorwärts drängende Dynamik, die Erich Mendelsohn in seinen Entwurfsskizzen so einprägsam herausstrich und die Alfred Fischer an dem groß dimensionierten Hans-Sachs-Haus voll zur Geltung brachte.
Wer das Haus betritt, findet sich in dem durch alle sechs Etagen offenen Foyer in einer anderen, ganz jetztzeitigen Welt wieder. Analog zu den Simsen außen, umgürten innen die Glasbrüstungen der umlaufenden, offenen Flure den Raum. Im hinteren Bereich lässt sich das Foyer teilen und wieder als Veranstaltungssaal nutzen. Darüber liegt der Ratssaal mit offenem Blick durch die westliche Glasfront. Sitzungszimmer und Büros gruppieren sich um das Foyer und um den Ratssaal, schlicht in weiß gehalten und teils mit recht kleinen Fenstern – ein Tribut an die historische Außenfassade. Oberlichter wie im Ursprungsbau sorgen für möglichst viel Tageslicht. Erhalten blieb auch der ehemalige Hotelturm als Wahrzeichen, jedoch nun ohne Nutzung, sonst hätte die Hochhausverordnung gegriffen. Schon vor den alten Treppenanlagen, die wegen neuer Geschosshöhen nicht zu erhalten waren, war bereits das revo­lutionäre, vermutlich weltweit erste Farbleitsystem von Max Buchartz verschwunden. Dieses ist nun teilweise rekonstruiert und die Treppenhäuser samt Geländer und Handlauf dem Original „nachempfunden“, wie es der Architekt Volkwin Marg ausdrückt.



Fakten
Architekten gmp, Hamburg
Adresse Hans-Sachs-Haus Altstadt, Gelsenkirchen ‎


aus Bauwelt 37.2013
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