Kunsthaus Dahlem
Lange war das ehem. Atelier Arno Brekers ein verträumter Ort der Kunstproduktion. Mit der Umgestaltung zum Ausstellungshaus stellen sich Fragen, die Kahlfeldt Architekten auf ihre Weise beantworten
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
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Die Straßenfront mit dem ursprünglichen Haupteingang zum Mittelatelier. Die Besucher betreten das Kunsthaus über den Westflügel, hinten im Bild.
Foto: Stefan Müller
Die Straßenfront mit dem ursprünglichen Haupteingang zum Mittelatelier. Die Besucher betreten das Kunsthaus über den Westflügel, hinten im Bild.
Foto: Stefan Müller
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Ansicht vom Käuzchensteig
Foto: Stefan Müller
Ansicht vom Käuzchensteig
Foto: Stefan Müller
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Das Mittelatelier. Im Boden sind die Gleise für den Steintransport nachgezeichnet. Das einstige Glasdach wurde nicht rekonstruiert, von der Decke scheint Kunstlicht. Die Fußpunkte der neu eingefügten Galerie erhielten passende Natursteinsockel.
Foto: Stefan Müller
Das Mittelatelier. Im Boden sind die Gleise für den Steintransport nachgezeichnet. Das einstige Glasdach wurde nicht rekonstruiert, von der Decke scheint Kunstlicht. Die Fußpunkte der neu eingefügten Galerie erhielten passende Natursteinsockel.
Foto: Stefan Müller
„Wiederherstellung eines Ateliergebäudes“ hieß das Projekt einmal. Das klingt so unverfänglich wie seine Adresse niedlich: Käuzchensteig 8–12, Berlin-Zehlendorf. Dass das Gebäude 1939 begonnen und 1942 an Arno Breker, Hitlers Lieblingsbildhauer, als „Staatsatelier“ übergeben wurde, macht die Baumaßnahme delikat und verleitet zur Diskussion darüber, wie mit einer solchen Altlast umzugehen sei. Einfache Antworten kann es nicht geben.
Petra und Paul Kahlfeldt haben schon viele Bauten mit spezieller, vielschichtiger Vergangenheit hervorragend bewältigt. Ob wilhelminisch oder spätmodern, das erschien nach außen hin immer zweitrangig. Die Architekten fokussierten sich stets darauf, wie die architektonische Qualität eines – zumeist denkmalgeschützten – Bestandsbaus dem neuen Gebrauch nützen, wie überformtes Potenzial im Windschatten einer Umnutzung herauspoliert werden kann. Das setzt eine Haltung voraus, die die Architektur als eine absolute Konstante, die Funktion hingegen als flüchtig und wandelbar betrachtet. Aus einem expressiven backsteinernen Umspannwerk kann ein Firmensitz oder ein Wohnhaus werden. Aber aus einem Nazi-Atelier ein Ausstellungsgebäude machen?
Für Paul Kahlfeldt ist der langgestreckte Ziegelbau, den Breker sporadisch und wegen kriegsbedingten Glasbruchs nur für kurze Zeit nutzte, in erster Linie eine gut proportionierte, hochwertig hergestellte Substanz, eher ein moderner Industriebau seiner Zeit, eine Werkhalle. Zwar hatte sich der Architekt Hans Freese bei der Gestaltung an dem pompösen Atelierbau orientiert, den Albert Speer 1938 für Josef Thorak, den anderen NS-Staatskünstler, in Baldham bei München errichtet hatte; der Berliner Bau wirkt aber wegen des großflächigen Sichtmauerwerks vergleichsweise schlicht. Die beiden horizontalen Natursteinbänder rechts und links des Hauptportals blieben zum Glück unbehauen und damit angenehm abstrakt. Im Zuge des Umbaus wurden alle romantisierenden Kletterpflanzen entfernt, so dass die Fassadentextur wieder unverstellt wirken kann. Wir sehen ein dreigeteiltes Volumen, eine Mischung aus Schloss und Hochbunker, ein Haus, das einst genau so überwältigen wollte wie die monströsen Plastiken, die in ihm hätten entstehen sollen.
Zu einem Haus für die Kunst – sofern man Kunst als aufklärend und emanzipatorisch definiert – wurde das Gebäude erst 1949, als sich Bernhard Heiliger (1915–95), selbst Brekerschüler, im östlichen Trakt einen Lebens- und Schaffensraum einrichtete. Statt muskelbepackter Heroen verließen das Haus fortan abstrakte Skulpturen, die längst zum Kanon der alten Bundesrepublik gehören.
In das Mittelatelier ließ das Land Berlin 1972 acht Künstlerapartments einbauen, die an Stipendiaten vergeben wurden. Von diesen Räumen ist heute nichts mehr zu sehen, sie sind mit der „Wiederherstellung“ des Hauses verschwunden. Gewiss, ein Ausstellungsbau benötigt ein anderes Raumprogramm, aber hätte man nicht Spuren dieser immerhin vier Jahrzehnte umfassenden Phase erhalten müssen? Paul Kahlfeldt hält so etwas für „Kitsch“. Als Architekt sieht er die materiell hochwertigere Originalsubstanz als die legitime an, die wiederhergestellt gehört. Archäologen würden es wohl etwas differenzierter betrachten. Angesichts des NS-Hintergrunds dieses Gebäudes darf man ein solches Vorgehen durchaus als kalkulierte Provokation verstehen, etwa in dem Sinne, dass universelle Prinzipien der Architektur sich nicht um politische Systeme scheren und daher auch keine Distanzierung im Materiellen erforderlich ist.
Brücke und Breker
Hin- und hergerissen zwischen Zweifeln und Staunen, betreten wir den turnhallenhohen Mitteltrakt. Der ursprüngliche Raumzusammenhang von Mittel- und Seitenateliers ist mit dem Umbau wieder hergestellt, was die Längsausrichtung des Hauses nochmals betont. Das Mittelatelier ist ein überaus heller, aber kein bergender Raum, seine starken Achsen durchschießen ihn, zerteilen die Fläche wie ein dauernder Durchzug. Die beiden übergroßen Zugänge sind nun wieder in ihrer ganzen Dimension sichtbar, so dass ihre repräsentative Funktion deutlich wird: Von der Straße tritt die Staatsführung ein, vom Garten der Staatskünstler. Dessen Wohnhaus hätte nördlich des Ateliers entstehen sollen, auf eben jenem Grundstück, auf dem 1967 das Brücke-Museum nach den Plänen von Werner Düttmann errichtet wurde, und das in einer Architektur, die konsequent das Gegenteil von monumental ist.
Allein die nun entstandene Opposition dieser beiden Architekturauffassungen, beide im öffentlichen Raum stehend, rechtfertigt die Purifizierung des Breker-Ateliers, das kürzlich als „Kunsthaus Dahlem“ eröffnet wurde. Die darin ausgestellten Werke haben es jedoch nicht leicht, recht zwergenhaft wirken die Plastiken der deutschen Nachkriegsmoderne, allzu verlegen die kleinformatigen Bilder an den riesigen Wandflächen. Totalitärer Wahn und demokratischer Neuanfang lassen sich nicht zusammenbringen.
Neben den Werken von Bernhard Heiliger, die in seinem ehemaligen Atelier und im Garten gezeigt werden, gibt es nur eine Skulptur, die es mit dem Raum aufnehmen will: Die neu eingezogene stählerne Galerie mit leicht geschwungenem Treppenantritt. Kahlfeldt Architekten haben aus der Notwendigkeit des zweiten Fluchtwegs und dem Wunsch nach mehr Ausstellungsfläche eine raumgreifende Geste gemacht. Unbedarften Besuchern wird sie kaum auffallen. Sie hätte auch schon 1942 eingebaut sein können.
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