"Monohaus"
55 Zentimeter Leichtbeton
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
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Foto: Edgar Zippel und Simon Menges
Foto: Edgar Zippel und Simon Menges
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Für einen engagierten Bauherrn haben zanderroth Architekten ein Mehrfamilienhaus in monolithischer Bauweise errichtet, bei dem die formale und technische Einfachheit im Mittelpunkt steht. Sie setzen damit ein Zeichen für architektonische Lösungen in der Debatte um den baulichen Wärmeschutz.
„Das war mal eine einfache Baustelle!“ Der Berliner Architekt Sascha Zander grinst ein wenig, als er das sagt, weiß er doch, dass der Autor ahnt, dass dies nur zum Teil stimmen kann. Zu den einfachen Dingen an diesem Bauwerk gehören für den Architekten beispielsweise die Fensteranschlüsse: rings um die Öffnung ein schmaler Dämmstreifen und ein Kompriband, dann den Rahmen eingesetzt – fertig. Das ist Bauen wie vor hundertzwanzig Jahren, als die umliegenden Mietshäuser in der Berliner Christinenstraße entstanden sind. Wandstärken bis über sechzig Zentimeter wurden damals allerdings massiv mit Ziegeln hochgemauert, Handwerk im reinen Sinne, verrichtet von preiswerten Arbeitskräften. Ein einschaliger Sichtbetonbau braucht heute viel weniger Personal, dafür aber mehr Know-how. Das monolithische Wohnhaus von zanderroth Architekten steht mit seinem homogenen „Fleisch“ also nicht verkehrt an dieser Stelle.
Bauen wie um 1900?
In mancher Hinsicht ähneln die Rahmenbedingungen dieses Projekts, das unter dem Label „Monohaus“ realisiert wird, der ersten Berlinwerdung Berlins um 1900. Im Wohnungssektor herrscht wieder Goldgräberstimmung, zumal im Bezirk Mitte, wo inzwischen viel Geld in eilig hochgezogene Gehäuse gesteckt wird. Der Monohaus-Bauherr ist hingegen weder Bauträger noch Spekulant, sondern Inhaber einer Marketingagentur. Stefan Karl wollte in erster Linie Wohnraum für sich und seine Familie schaffen. Bislang – und noch bis zur Fertigstellung seines Hauses im kommenden Frühjahr – wohnt die Bauherrenfamilie zur Miete in jenem prägnanten Gebäude, das Sascha Zander und Christian Roth (damals noch im Büro Nägeli Architekten) am weiter nördlich gelegenen Helmholtzplatz gebaut hatten (
Bauwelt 40.2001). So kam der Kontakt zu den Architekten zustande, die das Vorhaben durch alle Höhen und Tiefen begleiteten.
Seit 2007 bemühte sich der Bauherr um das Grundstück, das lange Zeit nur mit einer Baracke bebaut war, erwerben konnte er es aber erst zwei Jahre später. Anfangs dachte man noch über eine Baugruppe nach; doch je mehr Bedenkzeit sich ergab und je ausgereifter das Konzept wurde, umso weniger Kompromisse wollte man eingehen. Nun sind unter der Maisonette der Eigentümer vier Mietwohnungen entstanden. Der Wunsch nach Einfachheit einte Architekten und Bauherrschaft. Letztere fühlte sich einer ästhetischen „Reinheit“ im fernöstlichen Sinne verbunden, und die Planer verzichteten gerne einmal auf applizierte Dämmschichten und komplizierte Gewerkeabstimmungen.
Für die Architekten kam die Anregung zum Bauen mit Leichtbeton aus der Schweiz, vor allem durch Bauten von Atelier 5 und Valerio Olgiati. Dämmbeton, wie der Leichtbeton wegen seiner im Vergleich zum Normalbeton geringeren Wärmeleitfähigkeit auch genannt wird, ist dort im vergangenen Jahrzehnt neu entdeckt worden. Für einschalige Außenwände ist das Material hinreichend erprobt. Neuartig ist in Berlin die Ausweitung des Konstruktionsprinzips auf ein siebengeschossiges Mehrfamilienhaus im Stadtkontext. Dass ein plastisches Material wie Beton in eine Baulücke „eingefüllt“ wird, passt irgendwie in das Bild von Stadtreparatur. Bemerkenswert ist, dass es wiederum ein Selbstnutzer ist, der das Wagnis eingeht, denn: Ist Sichtbeton einmal gegossen, lassen sich Fehler kaum noch kostengünstig kaschieren. Sichtbeton gelingt offenbar am besten im engen Zusammenspiel von wenigen Eingeweihten: Spezialisten und engagierte Baufirmen. Das Betonierkonzept der Fachplanerin Edeltraut Hallmann liest sich wie die Prosa-Fassung von Schillers „Glocke“: wie und womit die Schalung gereinigt, wann und wie stark der Frischbeton auf dem Weg zur Baustelle im Transportbehälter bewegt werden muss, welche Personen bei der Lieferung auf der Baustelle anwesend sein müssen, wie zügig zu betonieren, wann eine Probe zu nehmen und wohin der Innenrüttler zu führen ist. Die Rezeptur des Betons (Rohdichte: 1,4) ist maßgeschneidert: Flugasche, Leichtsand vulkanischen Ursprungs und Blähton sind als „Wärmedämmung“ beigemengt, Mischungsverhältnis und Körnung bleiben Betriebsgeheimnis. Um unregelmäßige Betonierabschnitte zu vermeiden, haben die Architekten im jedem Geschoss einen horizontalen Vorsprung angelegt, der jeweils nach oben hin sägezahnartig zurückspringt. Die Referenz an Olgiatis Nationalparkzentrum in Zernez ist unverkennbar, die sparsame Gliederung ist aber auch ein geschickter Kniff, um die Fassade mit den Stuckgesimsen der Nachbarhäuser zu verzahnen.
Für die Dimensionierung der Außenwände war in erster Linie die DIN 4108 maßgeblich, die den Mindestwärmeschutz von Bauteilen festlegt. Aus der Messung eines Probewürfels ergab sich, dass der Leichtbeton, der im trockenen Zustand ei-nen Lambda-Wert von 0,38 W/mK hat, bei einer Wandstärke von 55 Zentimetern den Grenzwert der DIN einhält. Der rechnerische U-Wert der Außenwand beträgt 0,647 W/m2K. Die massive Außenwand dämmt ungefähr genauso gut wie eine fünf Zentimeter starke Dämmstoffschicht (WLG 035).
Diese – verglichen mit einer konventionellen WDVS-Fassade eher mittelprächtigen Kennzahlen – werden durch die kompakte Bauweise des Hauses kompensiert, das zudem an zwei Seiten an Bestandsbauten angrenzt. Auch die Brandwände sind in Leichtbeton ausgeführt. Da die Energieeinsparverordnung (EnEV) Wärmeverluste und -gewinne des Gebäudes als Ganzes betrachtet, flossen in die Berechnung auch die solaren Gewinne ein, die über die großformatigen Fenster erzielt werden. Was die EnEV ignoriert, ist die große Speicherfähigkeit des Betons; hier erwarten die Architekten weitere positive Effekte. Die Heizenergie kommt von einem effizienten „Zuhause-Kraftwerk“ (Kraft-Wärme-Kopplung), das ein alternativer Energieversorger im Keller installiert hat.
Dass die Typologie dieses Hauses mit seiner unbeholfenen Parkgarage im Erdgeschoss eher im Privaten als im Großstädtischen verortet ist, ist wegen des individuellen Engagements des Bauherrn nachvollziehbar. Mit seinen 660 Quadratmetern Wohnfläche mag es nicht besonders groß sein, es zeigt aber, wie man heute trotz verschärfter energetischer Regularien, trotz penetranter Dämmstoffsubventionen und staatlich geförderter Luftdichtheitsnachweise anders bauen kann: seriös, angemessen und dauerhaft. Das Monohaus ist in dieser Hinsicht ein gutes Signal für Architekten und Bauherren.
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