Bauwelt

Museum Pierre Soulages



Text: Schulz, Bernhard, Berlin


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    Foto: Hisao Suzuki

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In Zusammenarbeit mit dem von ihnen verehrten Künstler konzipierten RCR Arquitectes ein sensibles Gefüge geschlossener und offener Räume. Die äußere Schroffheit des Baukörpers, vor allem aber des umhüllenden Corten-Stahls offenbart Bezüge zu seinem abstrakten Werk. Ein kultureller Höhepunkt in der südfranzösischen Provinz
Die Stadt Rodez im südfranzösischen Département Aveyron hat sich mit dem Museum für den Künstler Pierre Soulages, der in der Stadt geboren und aufgewachsen ist, für viele überraschend in die Reihe jener Städte in Frankreich gestellt, die mit zeitgenössischer Architektur auf sich aufmerksam machen. Das katalanische Büro RCR Arquitectes ging 2008 als Sieger aus einem Wettbewerb hervor, aber im Grunde traf die Entscheidung der heute 94-jährige, unvermindert aktive Künstler selbst. „Ihm gefiel die Idee, alle Fassaden mit Corten-Stahl zu verkleiden und auch im Inneren mit Stahl zu arbeiten“, erläutert Museumsdirektor Benoît Decron die Entscheidung. Stadt und Region brachten die Baukosten in Höhe von gut 26 Millionen Euro auf, und Ende Mai ließ es sich der Präsident der Republik, François Hollande, nicht nehmen, das Museum zu eröffnen, an dessen Entstehung er, anders als sein  Amtsvorgänger mit ihren zahlreichen Grand Projets, keinerlei Anteil hatte.
Mit dem Hinweis auf die dem Künstler eingeräumte Entscheidungshoheit erübrigt sich die Frage nach der Funktionalität und Dauerhaftigkeit der Stahlverkleidung. Soulages wird die Verwandtschaft zwischen den schrundigen und verwischten Oberflächen des Corten-Stahls und seinen eigenen, monochrom schwarzen Arbeiten gesehen haben. Allerdings ist es nicht zufällig, dass RCR Arquitectes den rostenden Stahl gewählt haben. „Corten-Stahl, dessen Patina die Zeichen der Alterung trägt, passt perfekt zur Vegetation des angrenzenden Parks“, so die Architekten. Zudem erinnere „seine Farbigkeit an den rosa Sandstein von Rodez“.
Die Korrespondenz zwischen Gehäuse und Inhalt ist in der Tat frappierend. „Jedes Werk ist einmalig, es erfindet sich, während es entsteht“, hat Soulages, der seit vielen Jahren sowohl in Paris als auch in Sète am Mittelmeer lebt, einmal erklärt. „Es ist nicht die Ausführung dessen, was man zuvor imaginiert hat. Was aus dem Unvorhergesehenen hervorgeht, ist reicher an künstlerischer Kraft als das ursprüngliche Vorhaben.“ Auch wenn sich dieses Worte nicht direkt auf Architektur anwenden lassen – sie bedarf exakter Planung –, drückt sich in ihnen doch auch die innere Verwandtschaft zwischen dem Gebäude des Büros RCR und den tiefschwarzen Bildern des Künstlers aus. Das rostrote, in der gleißenden Sonne des Südens glühenden Bauwerk ist in seiner Architektursprache ebenso konsequent, wie die sorgfältig komponierten, im Seitenlicht ein feines Relief offenbarenden Bilder, die Soulages malt, seit er sich 1979 ganz auf die glänzend schwarzen Gemälde des „Outrenoir“ verlegt hat.
Die fünf Boxen des Museums sind entlang einer durchgehenden, von stehenden Fenstern belichteten Galerie organisiert, die zugleich Teil der Ausstellungsebene ist. Was von der Nordseite des Komplexes her, dort, wo das Areal zur Straße hin abfällt, als Galerie mit eingespannten fensterlosen Gehäusen erscheint, erweist sich im Inneren als einheitliche Ausstellungsebene, die von Wänden und Durchgängen geschickt gegliedert wird. Mit insgesamt sieben verschiedenen Abteilungen bietet sie sowohl tageslichtfreie Kompartimente für die grafischen Arbeiten als auch indirekt belichtete Säle für die Gemälde. Die hochkant gestellten Boxen erlauben die Präsentation spezieller Werkgruppen. Besonders eindrücklich sind die Entwürfe für die Glasfenster der romanischen Abtei und Pilgerkirche im nicht allzu weit entfernten Dorf Conques. Hier, im Museum, geben sie dem Raum eine geradezu kirchenschiffartige Anmutung. Diese Vorarbeiten für insgesamt 126 Fenster, bildeten die Hälfte der ersten Schenkung von Soulages im Jahre 2005. Sie initiierten das Museumsprojekt, dem der Künstler inzwischen mehr als 500 Arbeiten als Stiftung überlassen hat.
Sämtliche Fassaden und nach außen weisenden Elemente des Gebäudes, wie die weit überstehende Überdachung des Eingangs, sind mit Corten-Stahlplatten in sechs Millimeter Stärke verkleidet. Im Inneren haben die Architekten Treppen und Fußböden mit matt poliertem Stahl ausgelegt. Auch Teile der Wände in den der Grafik gewidmeten, tageslichtlosen Bereichen verkleideten sie mit Stahl. Dort sind auch die frei stehenden Stellwände aus diesem Material. Es bildet den angemessenen Hintergrund für die schwarzen, teils auch bronze-farbenen Lithographien und Radierungen, ebenso wie für die sogenannte „Malerei auf Papier“, Arbeiten „zwischen“ den Gattungen Malerei und Grafik. Die durchgängig mit stehenden Fenstern in dichter Reihung gebildete Nordfassade der „Galerie“ wird mit semitransparenten Rollos verschattet. In die hochkant stehenden Boxen fällt Tageslicht durch Dachaufsätze, das umgelenkt wird und durch Lichtschlitze nur indirekt in die Räume gelangt. Gerichtete Spots leuchten die schwarzen Bilder zusätzlich aus.
1700 Quadratmeter stehen für die ständige Sammlung zur Verfügung. Die auf der anderen Seite des Eingangs an-geordnete Sonderausstellungshalle bietet 500 Quadratmeter. Hier sollen Werke anderer Künstler gezeigt werden. So ist zum Beispiel eine Ausstellung mit Bildern von Mark Rothko geplant, die man sich vorzüglich in Nachbarschaft zu den Werken von Pierre Soulages vorstellen kann.
Das Gebäudeensemble ragt an der Baufluchtlinie zum stadtseitigen Park hin nicht über drei Meter Höhe hinaus; auf der Hangseite offenbart sich das Volumen durch den Überstand der „Boxen“. Die Ruppigkeit der Architektur wird, eben-so wie die Kompromisslosigkeit des in Frankreich hoch geschätzten Künstlers, vielleicht ein wenig zu deutlich vor Augen geführt. Der Wechsel von den dunklen Grafik-Kompartimenten insbesondere in den größten Ausstellungsraum der ständigen Sammlung, mit hellgrau gestrichenen Wänden, tut aber nicht nur dem Auge des Betrachters, sondern auch dem Œuvre gut.
Die Sitzecken unterhalb der Fenster sind ebenfalls aus Stahl gefertigt. Die Bänke wurden mit Einschnitten für Lederpolster versehen, auf denen es sich beim Betrachten der Bilder angenehmer sitzt als auf Metall. Das ist, mit Blick auf den Entwurf, sicher konsequent, lässt aber Kompromissbereitschaft vermissen, auf die Bedürfnisse der Besucher einzugehen.
Die zeigt sich dafür an anderer Stelle. Die größte der horizontal gelagerten „Schachteln“ birgt die besondere Attraktion des Museums, das „Café Bras“. Es trägt den Namen seines benannt Chefs, Michel Bras. Der betreibt im Aveyron ein vielgerühmtes Restaurant und bietet diese Qualität nun auch in Rodez an. Das Café-Restaurant ist in verschiedene Räume gegliedert. Es gibt, stadtseitig zum Park, ein Café mit vorgelagertem Wasserbecken, das von diesem jedoch durch eine Art Wand aus quergestellten Stahlplatten getrennt ist; einen Restauranttrakt mit einsehbarer Küche an der Stirnseite der „Schachtel“ sowie einen weiteren, bar-artig eingerichteten Raum, dessen Fenster sich zum nördlichen Hang öffnen und von dessen Fuß als Teil der vermeintlichen Verbindungsgalerie wahrgenommen wird.
Dieser auf der Eingangsebene angeordnete kulinarische Teil ist für die Akzeptanz des Museums von außerordentlicher Bedeutung. Das Restaurant ist unabhängig vom Museums­betrieb geöffnet, und zwar nicht nur zur in Frankreich so wichtigen Mittagszeit. Von der Eingangshalle zugänglich, lädt es ein, sich mit der schwierigen, ungegenständlichen Kunst Pierre Soulages’ zu beschäftigen. Nicht verschwiegen sei an dieser Stelle, dass das Museumsprojekt bei den 52.000 Einwohnern der Großgemeinde Rodez anfangs auf heftige Ablehnung stieß, zumal die Stadt bereits zwei weitere Museen unterhält und der Jahreshaushalt der neuen Einrichtung immerhin 1,2 Millionen Euro betragen sollte. Obwohl das Projekt bereits 2005 in die Liste der „Musées de France“ aufgenommen worden war, gab der Rat der Gemeinde Grand Rodez erst 2009 grünes Licht für den Bau.
Das Museumsgebäude in Rodez hat im Werk von RCR Arquitectes einen Vorgänger in Gestalt der Bibliothek von Sant Antoni in Barcelona. Deren Fassaden sind gleichfalls in Stahl gefasst, und ihr Baukörper zeigt dieselben Vor- und Rücksprünge zwischen verschiedenen „Boxen“. In Barcelona galt es, einen der zahllosen quadratischen Blöcke innerhalb des berühmten Straßenrasters zu öffnen und Funktionen ins Innere des Blocks zu verlegen. Beim Weingut Bell Lloc im katalanischen Palamos setzten die Architekten ebenfalls Corten-Stahl als Einfassung des langen Zugangsweges ein, ohne dass es hierfür eine funktionale Notwendigkeit oder gar Nützlichkeit gäbe. In Rodez nun haben sie den Park eingefasst, und ihn optisch auch gegen den abfallenden Hang geschützt.
Ob Stahl im Werk von RCR mehr als eine symbolische Bedeutung hat, ist auch beim Musée Soulages nicht auszumachen. Konstruktiv bestehen die Bauten aus halbmeter­dickem Beton. Man hätte sie so belassen können, ohne den Eindruck der Ruppigkeit zu stören. Was an dem Museumsbau jedoch uneingeschränkt überzeugt, ist die Organisation der ineinander übergehenden, doch klar unterscheidbaren Räume und auch die Lichtführung, die den konträren Anforderungen von empfindlichen grafischen Arbeiten und lichthungriger Malerei in geradezu idealer Weise gerecht wird. Und das ist es schließlich, was die Qualität eines solchen Künstler-Museums ausmacht, mag die Fassade rosten, wie sie will.



Fakten
Architekten RCR Arquitectes, Olot
Adresse 44.352793,2.567634


aus Bauwelt 28.2014
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