Bauwelt

Villa SC in Akoura


Ein Wohnhaus in den kargen Höhen des Gebirges: Die Villa SC in Akoura bei Beirut lässt die Landschaft erleben und reflektiert sie zugleich


Text: Dana, Karine, Paris


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    Die Hochebene mit der Villa ist von hohen Felswänden umgeben. Unmittelbar vor der Terrasse befindet sich eine steile Abbruchkante.
    Fotos: Iwan Baan

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    Die Hochebene mit der Villa ist von hohen Felswänden umgeben. Unmittelbar vor der Terrasse befindet sich eine steile Abbruchkante.

    Fotos: Iwan Baan

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    Foto: Iwan Baan

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    Foto: Iwan Baan

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    Der Bauherr wollte aufs Land und hat sich mit wenigen persönlichen Dingen ein Refugium geschaffen
    Fotos: Iwan Baan

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    Der Bauherr wollte aufs Land und hat sich mit wenigen persönlichen Dingen ein Refugium geschaffen

    Fotos: Iwan Baan

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    Wohnraum des 450 m2 großen Gebäudes; horizontale Fenster öffnen sich zum Plateau und zum Hof
    Fotos: Iwan Baan

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    Wohnraum des 450 m2 großen Gebäudes; horizontale Fenster öffnen sich zum Plateau und zum Hof

    Fotos: Iwan Baan

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    Die 24 m lange Terrasse auf zwei Ebenen mit dem Blick in das weite Tal verankert das Haus auf einem Plateau. Das Dach ragt nur teilweise über die Freifläche.
    Foto: Iwan Baan

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    Die 24 m lange Terrasse auf zwei Ebenen mit dem Blick in das weite Tal verankert das Haus auf einem Plateau. Das Dach ragt nur teilweise über die Freifläche.

    Foto: Iwan Baan

Ein Auftrag unter besonderem Vorzeichen: Der Bauherr ertrug die Stadt nicht mehr. Er ertrug Beirut nicht mehr. Nach dreißig Jahren wurde aus dem Geschäftsmann für Stoffe ein Bergführer im Hochgebirge. Seit seiner Kindheit mit diesen Bergen des Libanons vertraut, fasste er den Entschluss, hier oben, in anderthalbtausend Meter Höhe, sein Haus zu bauen. Siebzig Kilometer landeinwärts von Byblos, nahe einem Dorf namens Akoura und an der Abbruchkante eines steil abfallenden Berghangs. Diese Unmittelbarkeit der Natur direkt vor der Tür und dazu der schroffe Gegensatz zu Beirut haben sein Leben vollends verändert.
Architekt Youssef Tohme meint: „Die enorme Kraft der Landschaft ist das wichtigste Erbe dieses Landes, davon bin ich überzeugt. Mir scheint, dass wir in der Folge aller Phasen von Veränderung und Zerstörung, die wir seit dem Bürgerkrieg erlebt haben, unseren Bezug zur Landschaft verlieren. Die heutige Art des Bauens erscheint mir als ein Akt von Selbstzerstörung." In einem Land, in dem baulicher Individualismus ohne Reflexion allgegenwärtig ist, hat seine Architektur, die sich so dezidiert mit der Weite, der Leere des Ortes und der Dominanz der Felslandschaft auseinandersetzt, einen ganz eigenen Charakter. In seinen Bauten sucht er nach Auseinandersetzung, nach Reibung, dem Dicht-an-Dicht von Gebauten und dem Draußen, was immer dieses Draußen auch sein mag.
In diesem Sinne zeigt sich die Villa SC auf den ersten Blick gleich mit zwei Gesichtern. Man sieht zunächst eine niedrige Mauer mit der Anmutung eines aus Basaltsteinen gefügten Mauerwerks. Die Steine stammen aus der Bekaa-Ebene im Nordlibanon und sind ohne Mörtel geschichtet, so, wie die traditionellen Mauern für die Unterstände der Bergbauern aus der Gegend. Bei der Anfahrt von der Hochebene her gibt einem diese mehrfach zurückspringende, leicht geneigte Mauer zunächst Rätsel auf (Foto Seite 23). Die schweren Steine sind mit großer Sorgfalt ohne Fugen geschichtet worden, doch zugleich spürt man, dass nicht einfach nur ein Stein auf dem anderen liegt. Man hat den Eindruck, sie würden zusätzlich gehalten. Auf der Westseite des Hauses zeigt sich dann tatsächlich eine mächtige Innenwand aus Beton. An dieser Stelle geht die ländliche Mauer in den weiträumigen Wohnbereich über, der sich hinter ihr auftut.
Der Kontrast zwischen innen und außen ist frappant. Der Berg wird schier in das Haus hinein gesogen. Das Draußen wirkt, einmal im bewohnten Innenraum eingefangen, umso riesiger. „Ich zerpflücke den Kontext, um ihn deutlicher zu hören“, erläutert Youssef Tohme. „Hören, hinhören, läuft auf ein Fokussieren auf die einzelnen Elemente hinaus, um sie verstehen zu können und sie damit lesbar zu machen. Ich habe versucht, das Gebirge herauszuarbeiten, das Geräusch des Baches unten im Tal, den Horizont, um alles auf eine andere Weise wieder zusammenzusetzen – mit Architektur.“ Dazu gehören für mich, als Gast an diesem Ort, ein Duft, ein leichter Wind, ein Funkeln, ein plötzlicher Regenguss, Gesteinsformationen, eine Hyäne, ein Fuchs, ein Raubvogel, Sträucher, ein Feigenbaum, eine Silberpappel oder ein knorriger Nussbaum: Aus all dem konstituiert sich eine Gegenwart – mehr als nur eine – die intensiv und ständig wechselnd zugleich ist und damit zur Wahrnehmung der Landschaft draußen gehört. Indem man die Komponenten des Kontextes isoliert, lassen sich Bedingungen für ein anderes Erleben schaffen.

Innen

Die in U-Form angelegte Villa folgt diesem Vorsatz: das Wahrgenommene in einzelne Bestandteile zerlegen. Die seitlichen Ausblicke aus dem großen Salon zeigen ausschließlich die Gipfel der Berge, die Zufahrt dagegen bleibt ausgespart, ganz so, als wolle man sich dem Alltäglichen entziehen. In ähnlicher Weise wurden von den Räumen aus die visuellen Bezüge zur Bergflanke, in den Himmel oder auf den zentralen Raum akribisch konzipiert, und auch hier wurden die Öffnungen klein gehalten. Nur die Ausblicke auf das Tal hinunter bleiben kompromisslos offen.
Den Räumen des Hauses unter freiem Himmel – Innenhof und Terrasse mit der breiten Dachscheibe – kommt eine bestimmende Funktion zu. Hier, so scheint es, wird das Grundprinzip der Gegensätze frei ausgespielt. Der Innenhof, mit einem Boden aus gestampfter Erde, ist auf drei Seiten geschlossen. Im Osten liegt im Hintergrund der nackte Fels, nach Westen hin öffnet sich die weite Leere des Tals.
Der Charakter des Hofes entspricht eher dem eines Zimmers unter freiem Himmel. Das Dach über der 4 x 25 Meter großen Terrasse bietet Schutz vor den in dieser Gegend häufigen Regengüssen und hat zugleich eine akustische Funktion. Tritt man unter das Dach, fällt einem das Rauschen des kleinen, am Fuß der Anlage vorbeifließenden Baches auf, der sonst im Umfeld der Villa nicht zu hören ist. Ohne Geländer verbindet sich die Terrasse mit der Ebene des Plateaus und schiebt sich wie eine Bühne bis an den steilen Abhang. Dies ist der Ort, der vom Bauherrn am intensivsten genutzt wird – sechs Monate im Jahr kann man hier auf dem Holzstufen sitzen. Dazu sagt Tohme: „Die Eigenschaften von Bodenflächen interessieren mich besonders. Wenn ich nichts als Treppen, Rampen, begehbare Dächer, Terrassen bauen dürfte, wäre ich der glücklichste Architekt! Sitzt man hier auf dem Boden der Terrasse, scheint mir die Umgebung intensiver erlebbar, als wenn man sich irgendwo außerhalb des Hauses aufhält.“
Wie in allen Projekten des Büros wird bei diesem Entwurf die Gesamtstruktur nicht als System aus Wänden oder Tragwerk gesehen, sondern als ein Raum, den es um und zwischen etwas zu errichten gilt. Die Bauarbeiten wurden unter schwierigen klimatischen Bedingungen von ortsansässigen Handwerkern ausgeführt. Die vier Meter hohen Räume sind zwischen Betonmauern eingepasst, die in einem einzigen Guss mit besonders feinkörnigem Zuschlag errichtet wurden. Im Ergebnis wirken die Oberflächen roh aber sorgfältig ausgeführt.
Die Lage des Hauses wurde durch unterschiedliche äußere Faktoren bestimmt. Besondere Aufmerksamkeit forderte die Beschaffenheit des felsigen Untergrunds mit seinen Erdanteilen zur Hangkante hin. Außerdem waren Bebauungsvorschriften genau zu beachten; das Gelände unterhalb der Hangkante befindet sich im Besitz der Kirche. Nicht zuletzt waren auch der Sonneneinfallswinkel und die natürliche Querbelüftung bestimmend für den Entwurf.
Bei den Arbeiten von Youssef Tohme geht es darum, das Bewusstsein dafür zu wecken, wie die Welt uns berührt. Architektur begreift er als phänomenologische Erkundung. Dass hierbei auch ein durchaus kritischer und politischer Unterton mitschwingt, ist in Beirut wohl deutlicher zu hören als in Europa.
Aus dem Französischen von Agnes Kloocke



Fakten
Architekten Youseff Tohme Architects, Beirut
Adresse Beirut , Libanon


aus Bauwelt 15.2015
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