Shared Space in Barcelona
Text: Schmidt, Florian, Barcelona
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Plan: Jaume Artigues Architecte, Barcelona
Plan: Jaume Artigues Architecte, Barcelona
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Plan: Jaume Artigues Architecte, Barcelona
Plan: Jaume Artigues Architecte, Barcelona
Nur wenige Städte können von sich behaupten ein Modell zu prägen. Barcelona, Trend-Metropole und kompakteste Stadt Europas, verfolgt eine stadtplanerische Strategie, in der öffentliche Räume von Grund auf erneuert werden. Dabei wurden, ohne dies von Anfang an schon so zu nennen, Shared-Space-Konzepte umgesetzt.
Für die Stadtvewaltung von Barcelona hatte in den achtziger Jahren eines Priorität – öffentliche Räumen zu schaffen. Im Eiltempo wurden die von den Nachbarschaftsbewegungen geforderten Parks, Plätze und Ramblas gebaut oder neu gestaltet, und dies alles mit dem Anspruch, einem hohem architektonischen Standard gerecht zu werden. In den neunziger Jahren wurden zahlreiche öffentlich oder privatwirtschaftlich finanzierte Projekte, unter ihnen das olympische Dorf von 1992 oder auch die Waterfront, realisiert. Als Nebenprodukt entstanden öffentliche Räume. Deren Gestaltung orientierte sich oft am Konzept der „Versalität“, also einer möglichst nutzungsneutralen, jedoch stets eleganten Formensprache.
Die Altstadt von Barcelona
In der extrem dicht bebauten Altstadt wurden in den zurückliegenden zwanzig Jahren viele Häuser, Straßen und Plätze saniert. Das unter Diktator Francisco Franco vernachlässigte Herz der Stadt wurde nach einer kurzen Agonie zur „romantischen“ Mittelalterstadt, zum Shopping-Areal und Tourismusquartier, in dem heute jedoch auch alte und neu marginalisierte Gruppen leben.
Die Baumaßnahmen in der Altstadt haben an zahlreichen Plätzen und in Straßenräumen eine Art Shared Space hervorgebracht. Die Einwohner wurden allerdings in der Regel erst nach Protesten in die Konzeption einbezogen. Shared Space als programmatisches System ist in Barcelona kein Thema: „Das machen wir doch schon seit den Neunzigern“, heißt es. Und tatsächlich wurde damals die „umgekehrte Priorität“ unter den Verkehrsteilnehmern („prioridad invertida“) flächendeckend in der Altstadt eingeführt. Sie ist heute eine riesige „zona peatonal“, in der Anwohner mit ihren Fahrzeugen und der Lieferverkehr die selben Räume nutzen wie Fußgänger und Radfahrer. Dadurch wird der Verkehr in diesen Straßenräumen befriedet. Selektive Nutzungsrechte und -zeiten und das damit einhergehende Parkaufkommen sowie veränderte Wegeführungen reduzieren das Verkehrsvolumen zusätzlich.
Carrer dels Carders
Die Carrer dels Carders in der Altstadt veranschaulicht, wie auf einer Shared Surface mit Pollern Sicherheitsräume für Fußgänger geschaffen werden können. Durch geringe Abstände zwischen Pollern und Hauswand wird zwangsläufig der gesamte Straßenraum als Fußgängerraum genutzt. Über eine Länge von ungefähr einem Kilometer unterbrechen verschiedene kleine Plätze die Straße. Sie stellen zugleich subtile Übergänge zwischen dem befahrbaren Raum und dem nicht befahrbaren mit Cafés und Bänken her.
Pou de la Figuera
Mit der Erneuerung des Pou de la Figuera im Jahre 2007 wurde ein Platz mit spezifischer Nutzungsinfrastruktur geschaffen. Zunächst sollte eine gewaltige Schneise für eine Fußgängerzone durch das Quartier geschlagen werden. Nach Protesten wurde ein Bürgerbeteiligungsprozess eingeleitet, dessen Ergebnis die heutige Gestaltung ist. Der längliche Platz, auf dem sich ein Spielplatz, ein Sportplatz und ein selbstverwalteter Garten befinden, ist von Verkehrsflächen umgeben. Er wird an einer Stelle von einer Straße durchschnitten, auf der nur an prägnanten Stellen Fahrspuren markiert wurden. Eine heterogene Zusammenstellung aus Pollern, Stadtmöbeln, Materialien und eine ebenso heterogene Bodengestaltungen fügen sich zu einem kleinteiligen Ganzen.
Plaça Sant Jaume
Der im Herzen der Altstadt gelegene Rathausplatz ist Shared Space in Reinform. Er wird täglich von Autos befahren und von Fußgängern und Fahrradfahrern passiert. Jeder nimmt sich den Raum, den er braucht und das am besten höflich. Am Morgen parken dutzende Lieferwagen auf dem Platz, am Nachmittag wird er zunehmend von Touristen belebt, wenn nicht gerade eine Demonstration stattfindet. Der reibungslose Fluss des Ganzen wird ab und zu von herbeieilenden Wachen des Rathauses unterstützt.
Die Katalonischen Ramblas
Ramblas waren ursprünglich Flussbetten, die während elf Monaten im Jahr als Straße benutzt wurden und für etwa zwei Wochen, während der Schneeschmelze in den (Katalonischen) Pyrenäen, Wasser führten. Die moderne Rambla ist ein Boulevard mit einem Mittelstreifen, der von zwei einspurigen Fahrspuren umgeben wird. Ramblas sind in Katalonien bis heute der zentrale Raum, an dem sich das öffentliche Leben einer Kommune abspielt. Damit erfüllen sie eine wichtige gesellschaftliche und soziale Funktion. Bei Stadterneuerungen oder -erweiterungen werden inzwischen viele Ramblas neu gebaut.
Rambla del Raval
Ende der neunziger Jahre wurde eine Rambla in einem der interessantesten aber auch umstrittensten Viertel von Barcelona, dem Quartier „El Raval“ in der westlichen Altstadt, errichtet. Das extrem verdichtete mittelalterliche El Raval Barrio ist durch einen hohen Anteil an Migranten unter den Bewohnern, durch hohe Kriminalität und durch ein Rotlichtviertel geprägt. Gleichzeitig ist es Anziehungspunkt für eine alternative Kunst- und Kulturszene. Hier finden sich, wie weltweit in einem solchen Umfeld, Bars, Clubs, Modelabels und Restaurants. Und auch das MACBA (Museu d’Art Contemporani de Barcelona, Museum für moderne Kunst), 1995 von Richard Meier gebaut, liegt in diesem Viertel. Mit der neuen Rambla entstand ein vielschichtiger, von allen sozialen Gruppen nutzbarer Boulevard der zugleich eine Aufwertung des Quartiers eingeleitet hat. Die Rambla del Raval variiert die klassische Form dieses Straßentyps. Der Mittelstreifen ist deutlich breiter, und sie ist kürzer als ihre historischen Vorbilder. Die Enden markieren Kreisverkehre, die zum Mittelstreifen keine Höhenunterschiede haben. So wird den Fußgängern auch ohne Beschilderung Priorität gewährt. Dasselbe Gestaltungsmotiv findet sich bei kleineren Straßen die auf die Rambla stoßen und ohne Höhenunterschiede zu den Randbordsteinen auskommen. Die Fahrstreifen für Autos und Fahrräder hingegen sind an den Außenkanten durch Bordsteine und Hartgummimarkierungen deutlich begrenzt.
Las Ramblas
Als Mutter aller Ramblas gilt „La Rambla“, die sich durch die Altstadt zieht. Für Touristen ist der Boulevard, mit seinen Restaurants, Kiosken, menschlichen Statuen und ambulantem Kunsthandel ein Muss. Die Passanten bahnen sich, dicht an dicht, ihren Weg auf dem verbleibenden Raum des Mittelstreifens und auf den schmalen Bürgersteigen entlang der Fahrstreifen.
Die übergenutzte Rambla macht seit Jahren negative Schlagzeilen, sie ist in der Krise. Als Ursache werden der zunehmende Billigtourismus und der damit einhergehend Vandalismus, die Prostitution und die Banalisierung des Warenangebots angenommen. Durch mehr Polizeipräsenz, Regeln und Verordnungen für Kioske und andere Nutzer versucht die Stadtverwaltung die Situation zu verbessern, bislang erfolglos.
Das intensive Verkehrsaufkommen auf den zum Teil mehrspurigen Seitenstreifen wird dabei zur zusätzlichen Belastung. Die Geschwindigkeiten der Autos ist an einigen Stellen hoch und doch bewegt sich der Verkehr meist im Stop-and-Go. Für den dichten Fußgängerverkehr sind die Fahrstreifen eine unsichere Barriere, die jedoch permanent überquert wird, da sich sowohl am Rand als auch auf dem Mittelstreifen zahlreiche Cafés und Shops befinden.
Barcelona – ein Vorbild?
Die Altstadt Barcelonas weist viele interessante Shared-Space-Beispiele auf, von denen die Stadt- und Verkehrsplaner anderer (Groß-) Städte lernen können. Viel zu selten allerdings werden in Barcelona die Bürger frühzeitig in die Konzeption von Straßenräumen und Ramblas eingebunden. Die Dominanz weniger Architekten, wie auch die Vorstellung, unzivilisiertes Verhalten durch Verbote regulieren zu können, scheint partizipative Planungsprozesse aktuell zu verhindern.
Grundlage für einen Wandel wäre die Bereitschaft für einen Neuanfang, der weniger von Verhaltensnormen ausgeht, sondern eine „neue“ Rambla, die auf Basis einer dialogischen Planung konzipiert würde, ins Auge fasst. Eine Shared Surface, wie z.B. in der Exihibition Road ist für die Altstadt von Barcelona eine Option, da so eine Integration der traditionellen Rambla-Aufteilung mit vielfältigen Nutzungsansprüchen kombiniert werden kann.
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