Bauwelt

Shopping Mall "Vivocity"


Naturnah Shoppen in Singapur


Text: Schaetz, Florian, Bad Griesbach


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Einkaufen ist die Freizeitbeschäftigung in Singapur. Der Stadtstaat lässt sich nachgerade als eine Art große Shopping Mall definieren. Die klimatisierten Innenräume der Malls haben sich zu den wichtigsten Zentren des öffentlichen Lebens entwickelt.
Das subtropische Klima und das Fehlen einer historischen Stadtstruktur in Singapur bilden dabei den Nährboden für Experimente mit immer neuen Gebäudehüllen; außergewöhnliche Fassaden sollen den Renditeobjekten die Qualität von Architektur-Ikonen verleihen. Die Betreiber der Einkaufszentren stellen ihre Häuser unter verschiedene Themen, die üblicherweise auf bestimmte Zielgruppen abgestimmt sind.
Singapurs neuestes und aktuell größtes Einkaufs- und Lifestylecenter ,,Vivocity" verdankt seine passende Hülle dem japanischen Architekten Toyo Ito. Der 417 Mio. Singapur-Dollar (etwa 209 Mio. Euro) teure Shopping-Komplex wurde am 1. Dezember des vergangenen Jahres eröffnet. Auf 140.000 Quadratmetern sollen Megakinos, Nahversorgungs- und Freizeitmöglichkeiten ,,pulsierendes Leben" in einer stimulierenden Architektur schaffen. In den ersten acht Tagen nach der Eröffnung besuchten bereits mehr als eine Million Menschen die ,,destination-mall". Der Neubau befindet sich, nur wenige U-Bahn-Stationen vom Finanz- und Haupteinkaufsdistrikt entfernt, in der Nähe des Fährhafens und wurde auf der bestehenden Struktur einer vorausgegangenen Planung von U-Bahn, Tiefgarage und Lagerflächen errichtet. Das im Bau befindliche Luxus-Wohnquartier ,,Sentosa Cove" auf der Freizeitinsel Sentosa soll mit einem eigenen Skytrain an die Mall angebunden werden. In direkter Nachbarschaft wird eine von Daniel Libeskind geplante Wohnanlage entstehen. Zur ­ vor allem nächtlichen ­ Belebung des Quartiers am Hafen trägt heute bereits die umgebaute ehemalige ,,St. James Powerstation" mit ihren zahlreichen Clubs, Restaurants und Kneipen bei.
Vivocity ist nach der Sendai Mediathek in Tokio das zweitgrößte Projekt von Toyo Ito in Asien. Wie schon bei TOD's in Tokio, beim I-Project in Fukuoka oder beim Freizeit-Park in Torrevieja befindet sich Ito offenbar auch in Singapur auf der Suche nach einer neuen ,,organischen Form". Die Natur liefert, so Ito, ein Beispiel für die Verbindung von Form und Funktion; in seiner Neuinterpretation will er Raum als Annäherung von Mensch und Natur schaffen und dazu Bäume, Muscheln oder Wellen als Metaphern in die Städte zurückbringen. Bei Vivocity dienten ihm Meereswellen als Vorbild für seine fließenden Räume, bewegten Fassaden und Dachlandschaften. Die Fassade, die sich wie eine zweite Haut vom Gebäude abzuschälen scheint, ist aus nur 15 cm starkem Hochleistungsbeton hergestellt. Sie wölbt sich über drei Geschosse und formt auf dem Dach eine arkadische Landschaft mit weitläufigen Wasserbecken, Holzwegen, Sandhügeln, Palmenalleen und einem Amphitheater. Im Innern wird das Natur-Thema vor allem von einer skulpturalen grünen Blende verkörpert, die Licht- und Haustechnik abdeckt und wie eine Alge aus der Eingangshalle in die Seitengänge ,,wächst".
Doch Itos formaler Ansatz ist den kommerziellen Aspekten der Typologie einer Shopping Mall unterlegen. Von Wellen und Bewegung bleibt im Innern kaum mehr als eine kurvenreiche, renditeoptimierte Anordnung von internationalen Markenläden und Restaurants ­ die vielversprechende Eingangshalle entwickelt sich im weiteren Verlauf zu konventionellen Gängen. Auffallend laut bricht sich hier der Lärm der Einkäufer an den harten Oberflächen von Galerien, Decken und Wänden. Und selbst auf dem Dach, wo der Blick über das Meer, den Boardwalk, die Gartenhöfe und Holzterrassen wirklich bestechend ist, stellt sich die Frage, ob ausgerechnet ein Einkaufszentrum an diesem Ort das richtige Spielfeld für Itos Idee einer neuen Integration von Mensch und Natur sein kann.
Nach der anfänglichen Begeisterung scheint auch bei den Einkäufern bereits Skepsis eingekehrt zu sein: In der Sunday Times vom 14. Januar war zu lesen, dass sich während der Woche inzwischen mehr Personal als Besucher in der Mall aufhält.



Fakten
Architekten Toyo Ito,Tokio
aus Bauwelt 5.2007
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