Bauwelt

Stadtbibliothek


Anstoß zur Stadtsanierung


Text: Bokern, Anneke, Amsterdam


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    Foto (Ausschnitt): Daria Scagliolia und Stijn Brakkee

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Das Bahnhofsviertel soll aufgewertet werden, der Neubau eines städtischen Kulturzentrums ist ein erster Impuls. Neutelings Riedijk haben die einzelnen Programmbestandteile entlang einer Treppenhalle angeordnet, die das Gebäude auf ganzer Länge und gesamter Höhe durchzieht. Im ersten Obergeschoss erreicht der Besucher die Stadtbibliothek.
Das Rijnbooggebied in Arnheim ist ein typisches Bahnhofsviertel: Zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt gelegen, wird es von Straßen mit Billigläden und engen Gassen voller Spielhallen, Fastfood-Restaurants und Uringeruch dominiert. In den nächsten Jahren soll dieses Gebiet aufgewertet werden, um dann eine attraktive Verbindung zwischen dem von UN Studio neu gestalteten Bahnhof, dem Rheinufer und dem zentralen Platz vor der Eusebius-Kirche zu bilden. Zu diesem Zweck sind neue Wohnungs-, Büro- und Verwaltungsbauten, aber auch ein Kunst- und Filmzentrum in Planung. Einer der ersten Neubauten, die im Rahmen des Stadterneuerungsprojekts entstanden sind, ist das Kulturzentrum „De Rozet“. Mit seinen skulpturalen beigefarbenen Fassadenelementen, in deren Mitte jeweils ein kleines Rosettenrelief prangt, ist es das auffälligste Bauwerk weit und breit – vielleicht einmal abgesehen von der riesigen Betonskulptur eines auf dem Rücken liegenden rosa Erdferkels, die den kleinen Platz vor dem Gebäude ziert.
Anlass zum Bau des 32 Millionen Euro teuren Kulturzentrums waren ausgerechnet Sparmaßnahmen, denn im Neubau sollten Stadtbücherei, Volkshochschule, Historisches Museum, ein Kunstverleih und eine Kunstschule gemeinsam untergebracht werden. Der Entwurf von Neutelings Riedijk aus Rotterdam ging 2009 als Gewinner aus einem internationalen Wettbewerb mit etwa vierzig Teilnehmern hervor. In der Ausschreibung hatte die Gemeinde vorgeschlagen, die verschiedenen Institutionen in einzeln ablesbaren Volumen anzuordnen, die sich um einen inneren Platz scharen. Allerdings war das gewählte Grundstück zwischen Oude und Nieuwe Oeverstraat dafür denkbar ungeeignet: Bei einer Länge von 90 Metern ist es nur 15 bis 30 Meter breit. Angesichts der keilförmigen Grundfläche formulierten Willem-Jan Neutelings und Michiel Riedijk den geforderten Binnenplatz in eine ansteigende Binnenstraße um, die den Bau in Längsrichtung durchschneidet – und gewannen damit den Wettbewerb.
Beim Betreten des Gebäudes findet man sich zunächst in einem kleinen Foyer wieder. Zur Linken führt eine Treppe ins Untergeschoss, wo das (bei Redaktionsschluss noch nicht eröffnete) Historische Museum liegt. Ungleich spektakulärer ist jedoch die schier endlose Holztreppenlandschaft, die sich zur Rechten auftürmt. Sie führt an der Nordfassade entlang über zwei Stockwerke hinweg bis ins dritte Geschoss, mündet dort in einen kleinen Binnenplatz, wechselt die Richtung um 180 Grad und führt dann weiter an der Südfassade entlang, um auf der Dachterrasse im fünften Stock zu enden. Damit sie auch als Auditorium genutzt werden kann, ist die Treppe als Tribüne gestaltet und die Stufen sind teilweise in doppelter Höhe ausgeführt. Durch große Fensterflächen fällt viel Tageslicht in das Gebäude und es entsteht ein Blickbezug zur Umgebung. Die gegenüberliegende Wand dagegen ist komplett als überdimensionierter Setzkasten gestaltet, dessen unterschiedlich tiefe Holzrahmen teils als Bilderrahmen oder Schauvitrinen dienen, teils verglast sind und Einblick in die Räume im dahinter liegenden Gebäudekern bieten. Auch Balkone mit Arbeitsplätzen sind in diese Wand integriert, die eigentlich das Rückgrat des Gebäudes bildet.
Im Erdgeschoss befindet sich hinter dem Foyer ein großes Café, das auch separat von der Oude Oeverstraat aus zugänglich ist. Darüber liegt im ersten und zweiten Geschoss die Bibliothek. Sie ist als übersichtliche, offene Raumlandschaft gestaltet, mit in die Außenwände, zwischen die vertikalen Fensterstreifen eingebauten Bücherregalen sowie einer Rutsche als Verbindung zwischen den zwei Ebenen der Kinderbuchabteilung. Durch das Fehlen von intimen Nischen oder Sitzecken herrscht keine klassische Bibliotheks­atmosphäre; stattdessen wird das Raumkonzept als „multimediale Transferhalle“ für Informationen bezeichnet. Wer es sich dennoch mit einem Buch gemütlich machen will, kann es zur Lektüre mitnehmen auf den Binnenplatz im dritten Geschoss, der mit Sesseln und einer kleinen Kaffeebar möbliert ist. Dahinter liegen ein Zeitschriftenraum und der Kunstverleih. Der Rest des dritten und vierten Geschosses wird von Unterrichtszimmern für Volkshochschule und Kunstschule eingenommen, im fünften Stock gelangt man schließlich zum Auditorium, weiteren Unterrichtsräumen und auf eine Panorama-Dachterrasse.
Im Grunde ist die große, hölzerne Treppe eine Fortsetzung des öffentlichen Raums im halböffentlichen Bereich des Kulturzentrums. Für ihre Wirkung spielt die keilförmige Grundform des Gebäudes eine große Rolle, denn die spitz zulaufenden Außenwände betonen und überhöhen ihre Länge noch. Michiel Riedijk verweist als Referenz für die Treppe zwar auf den amerikanischen Fernsehserienklassiker „Fame“, in dessen Vorspann eine Gruppe von Musik- und Tanzstudenten eine große Treppe heruntergetanzt kam, aufgrund ihrer perspektivischen Wirkung aber scheint sie mindestens ebenso verwandt mit den Treppenanlagen des italienischen Barock.
Barock ist ohnehin ein wichtiges Stichwort in der Architektur von Neutelings Riedijk, die ganz bewusst ein Gegenbild zum manchmal etwas anorektischen Minimalismus der Moderne schaffen wollen. „Beim Bauen geht es um Schwere. Ich will dicke, fette, rubensartige Gebäude mit üppigen Ausstülpungen und kräftigen Muskelpaketen machen“, hat Willem-Jan Neutelings einmal gesagt. Das gilt auch für die Fassade des Kulturzentrums, die aus vertikalen, U-förmigen Prefab-Betonpaneelen besteht, die zum Teil Sägezahnränder haben, abwechselnd mit ebenfalls vertikalen Fenstern. In der Mitte der Paneele findet sich jeweils ein in den Beton eingegossenes Rosettenrelief im Stil eines Penrose-Diagramms – den Architekten zufolge ein Sinnbild für die Bündelung und Verbreitung von Wissen. Die sandfarbenen Betonpaneele haben eine waffelähnliche Tiefe, so dass die Fassade von der Seite betrachtet beinahe geschlossen wirkt, obwohl sie eigentlich zur Hälfte aus Glas besteht – ein dicker Schutzpanzer mit Tiefgang und gleichzeitig unerwarteter Transparenz.
Auch im Inneren dominieren Massivität und Robustheit, denn Treppen, Decken, Fensterrahmen und Vitrinenwand sind allesamt aus Eichenholz gefertigt. An den Schmalseiten des Gebäudes wurden die Betonpaneele auch für die Innenfassaden verwendet, der Gebäudekern besteht aus Ortbeton mit Schalungsmusterrelief. Damit erschöpft sich die sichtbare Materialpalette bereits. In Kombination mit den üppigen Dimensionen von Treppe und Fensterrahmen entsteht ein Wechselspiel aus Dekorativität und Materialminimalismus, Kleinteiligkeit und Übermaß, Schwere und Transparenz. 



Fakten
Architekten Neutelings Riedijk Architects, Rotterdam
Adresse Kortestraat 16 6811 EP Arnhem, Niederlande ‎


aus Bauwelt 41-42.2013
Artikel als pdf

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