Studentisches Wohnen am Silbermannpark
Halle-Neustadt, 1967? Plattenbausanierung in Marzahn? In Augsburg würde man diese Neubauten jedenfalls nicht vermuten. Hild und K demonstrieren mit ihrer Fassade ein entspanntes Verhältnis zur Platte und zu Kostenzwängen
Text: Kleilein, Doris, Berlin
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Augsburger Plattenbau: 13 Monate Bauzeit für 200 barrierefrei erschlossene Apartments
Foto: Michael Heinrich
Augsburger Plattenbau: 13 Monate Bauzeit für 200 barrierefrei erschlossene Apartments
Foto: Michael Heinrich
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Die Fertigteile sind als 40 cm starke Sandwichelemente aufgebaut: Tragschale aus Sichtbeton (18 cm), Wärmedämmung, schwerentflammbar (12 cm), Wetterschale aus Sichtbeton (10 cm). Die Tragschalen verlaufen von Decke zu Decke und tragen die Lasten, die Wetterschalen verspringen um 90 cm nach unten und nehmen keine Lasten auf.
Foto: Michael Heinrich
Die Fertigteile sind als 40 cm starke Sandwichelemente aufgebaut: Tragschale aus Sichtbeton (18 cm), Wärmedämmung, schwerentflammbar (12 cm), Wetterschale aus Sichtbeton (10 cm). Die Tragschalen verlaufen von Decke zu Decke und tragen die Lasten, die Wetterschalen verspringen um 90 cm nach unten und nehmen keine Lasten auf.
Foto: Michael Heinrich
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20 Quadratmeter Fläche hat das Einzelapartment inklusive Küche und Bad. Der Bezug nach draußen: ein Quadratmeter Fenster
Foto: Michael Heinrich
20 Quadratmeter Fläche hat das Einzelapartment inklusive Küche und Bad. Der Bezug nach draußen: ein Quadratmeter Fenster
Foto: Michael Heinrich
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Der Haupteingang zum Studentenwohnheim liegt im Erdgeschoss des Hochhauses, neben dem Gemeinschaftsraum
Foto: Michael Heinrich
Der Haupteingang zum Studentenwohnheim liegt im Erdgeschoss des Hochhauses, neben dem Gemeinschaftsraum
Foto: Michael Heinrich
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Die Lage ist exklusiv. Damit werben auch die Investoren der Eigentumswohnungen, die auf dem ehemaligen Firmengelände der „Chemischen Fabriken F.B. Silbermann“ entstanden sind: die Altstadt in Laufweite, ebenso der Fernbahnanschluss, vor der Haustür der von dem Unternehmer Franz Baptist Silbermann im 19. Jahrhundert angelegte Park mit altem Baumbestand. Das Direktionshaus und die Villa begrüßen die Bewohner auch heute noch, dahinter reihen sich dreigeschossige Punkthäuser im versetzten Raster auf, eine Lärmschutzbebauung schirmt die Wohnungen von der nördlich verlaufenden Bahntrasse Augsburg-München ab. Ganz am Ende der Wohnanlage „SilbermannPark“, dort, wo Bahntrasse und Schnellstraße aufeinandertreffen, steht seit wenigen Monaten eine kleine Plattenbausiedlung: ein Hochhaus mit zehn Geschossen, eine fünfgeschossige Kammstruktur als Abschluss der Lärmschutzbebauung und ein Punkthaus, allesamt umhüllt von einer Fassade aus Sichtbetonplatten. Kein Sockel, keine Erdgeschossöffnung, keine Vermittlung nach außen, dafür 200 quadratische Fenster im Raster. Mutig? Ein Seitenhieb auf die verputzten Nachbarhäuser mit ihren Terrassen und Balkonen? Oder eine Härte, wie sie nur ein erfolgsgewohn-tes Büro wie Hild und K an den Tag legen kann?
Eine wirtschaftlich optimierte Lösung
„Es ist eine robuste Fassade, wir sehen das ganz pragmatisch“, sagt Joachim Lichtblau aus dem schwäbischen Burgau, Bauherr des Studentenwohnheims und Geschäftsführer der Lichtblau GmbH, die auch die Wohnanlage „SilbermannPark“ entwickelt hat. Seit 1999 habe man versucht, die Eigentumswohnungen zu vermarkten, doch das Geschäft lief schleppend: dichtes Wohnen in der Innenstadt war noch nicht gefragt. 2009 kam die Idee auf, es im hinteren, am wenigsten attraktiven Teil des Areals mit Studentenwohnen zu versuchen: Die Fachhochschule liegt auf der anderen Seite der Bahntrasse, auch die Universität ist nicht weit. Hild und K belegten den 1. Platz des Einladungswettbewerbs, bei dem die städtebauliche Figur bereits feststand und die Baugenehmigung im Vorfeld erteilt worden war. Gefragt waren Grundrissplanung und Fassadengestaltung, ausdrückliches Ziel war „eine wirtschaftlich optimierte Lösung“. Zu diesem Zeitpunkt war das Augsburger Studentenwerk noch involviert und drängte auf mehr Gemeinschaftsflächen, der Investor, die Münchner Infraplan, setzte auf die maximale Anzahl von Einzelapartments. Nach der Insolvenz dieses und eines weiteren Investors stieg auch das Studentenwerk aus und das Projekt lag brach. 2011 übernahm die Lichtblau GmbH die bestehende Planung und baute mit Hild und K.
Die Fuge nutzen
Eine Planungsgeschichte wie diese ist sicher keine Seltenheit, sie illustriert jedoch den mitunter begrenzten Spielraum von Architekten. Der Wettbewerbsentwurf, der noch Übereckfenster aus Holz und eine Gliederung der Baukörper mit einem Staffelgeschoss vorsah, wurde immer weiter abgespeckt, sodass schließlich die Entwurfsenergie vor allem in die Fertigteile der Fassade floss. Schnell und billig sollte gebaut werden und noch dazu die erhöhten Auflagen des Lärmschutzes beachtet. Als Alternative zum WDVS entwickelten die Architekten eine Fassade aus tragenden Sandwichelementen. Ausgesteift wird das Gebäude durch den Verguss der Fertigteile mit den anstehenden Wänden und Decken. Vom Plattenbau mit vorgefertigten Zellen unterscheidet sich die Bauweise durch den Umgang mit den Fugen: Um den Fugenanteil zu reduzieren, laufen die Fugen mit-tig auf die Fenster zu, anstatt diese zu rahmen. Dieser Effekt, der die Sehgewohnheiten herausfordert, wird durch die Oberflächenbehandlung ausgeschmückt: Unterschiedliche Schalungsebenen bilden ein flaches Relief, das durch sandgestrahlte und glatte Flächen verstärkt wird. Ein „Schottenkaro“ nennen die Architekten das Muster, das sie in ähnlicher Form bereits beim Institutsgebäude des BFTS in München (Heft 29.2005) umgesetzt haben, allerdings als Ornament auf Dämmputz. Dieses feine, perfekt ausgeführte Betonteil veredelt den Plattenbau, und doch beschönigt es nichts: Bei diesem Bauvorhaben ging es um Effizienz und Haltbarkeit. Eine ehrliche Haut
Auch bei den Innenräumen neigen die Architekten nicht zur Aufhübschung. Der Grundriss ist konsequent und rational durchgearbeitet. Ein Rückgrat mit Gängen, Aufzügen und Treppen schirmt die Zimmer vom Lärm der Bahntrasse ab: Dort ist die Fassade mit breiten Fensterbändern gegliedert, sodass eine helle, städtische Erschließungszone mit Blick auf den Zugverkehr entstanden ist. Die Zimmer sind mit einer vorgefertigten Badezelle und kleiner Küche ausgestattet. War im Entwurf noch vorgesehen, das Ornamentale der Fassade mittels Leisten und Einbauten an Wand und Decke fortzuführen, ist jetzt nur noch das quadratische Fenster geblieben, das bis unter die Decke reicht. Die Materialien sind robust und in Schwarz-Weiß-Grau gehalten: Sichtbeton, Estrich, Linoleum. Von den 199 Apartments sind nur wenige als Doppelzimmer ausgeführt, die sich Küche und Bad teilen – dieses Modell lässt sich nicht mehr gut vermarkten. Wer mit anderen in Kontakt treten will, muss aktiv werden: Es gibt nur einen Gemeinschaftsraum für 200 Studierende, die es zudem im Sommer nicht leicht haben werden, draußen Partys zu feiern. Das Wohnangebot richtet sich an Bafög-Empfänger und ausländi-sche Studierende. Knapp 300 Euro kostet die Miete, inklusive Möblierung, Stellplatz und Internet. Dass die Preise moderat sind, liegt am Förderprogramm des Freistaats Bayern, das jeden Wohnplatz mit bis zu 32.000 Euro bezuschusst. Der Investor muss sich verpflichten, die Apartments 25 Jahre lang mietpreisgebunden an Studierende zu vermieten: ein Deal, der funktioniert. Der Augsburger Plattenbau von Hild und K mag spröde dastehen und seinen Kontext woanders suchen, aber er ist eine ehrliche Haut.
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