Volkenroda
Architekt vor Ort
Text: Leitner, Judith, Wien
„Re-Spiritualisierung“ eines religionsfreien Raums: Beim Bauen und Weiterbauen an einem uralten Klosterdorf trägt der Architekt eine besondere Verantwortung und lernt in großen Zeiträumen zu denken. Um „Fertigstellung“ geht es dabei noch lange nicht.
Als die überkonfessionelle Jesus-Bruderschaft 1994 begann, sich in Volkenroda zu engagieren, befand sich der Ort schon länger auf dem absteigenden Ast. Die einst bedeutende Klosteranlage, gegründet Mitte des 12. Jahrhunderts, war eine Ruine, im Dorf lebten noch etwa 30 Menschen. Die christliche Kommunität übernahm fortan die führende Rolle im Dorf, was durch den Wiederaufbau des Klosters unübersehbar war. Begünstigt wurde diese Entwicklung in den Anfangsjahren durch geförderte ABM-Stellen und vereinigungsbedingte Sondermittel (etwa aus Fonds der aufgelösten SED).
Beeindruckend ist der hohe Qualitätsanspruch, der bei der architektonischen Gestaltung an den Tag gelegt wurde. Der heutige Zustand der Gebäude spiegelt die Renaissance des Ortes wider: Alte Gemäuer wurden restauriert und mit modernen Mitteln ergänzt. Als 2000 der Christus-Pavillon vom Expo-Gelände in Hannover als prominente Ergänzung hierher versetzt wurde, erlangte der Ort auch überregionale Bekanntheit. Das Gebäude von gmp Architekten komplettiert ein Ensemble, das sich inzwischen zu einer guten Adresse im Seminar- und Tagungsgeschäft entwickelt hat.
Entscheidenden Anteil an dieser Erneuerung hatten zwei Architekten. Der eine ist Günther Hornschuh von der Planungsgruppe Stieldorf, mit dem die Bruderschaft bereits in ihrem Stammsitz Gnadenthal (Hessen) zusammengearbeitet hatte. Für ihn stand von Anfang an fest, dass eine zeitgenössische Erneuerung des Klosters in Stahl und Glas zu erfolgen habe. Der moderne Stahlskelettbau auf den Mauerresten des ehemaligen Konventgebäudes trägt seine Handschrift. Der andere Architekt ist Bernward Paulick, der Hornschuhs Arbeitsweise so sehr schätzte, dass er sich im Jahr 1998 als Berufseinsteiger bei der Planungsgruppe Stieldorf bewarb. Am Tag nach Paulicks Einstellung überraschte Günther Hornschuh mit der Nachricht, dass er nun in den Ruhestand trete. Er empfahl der Jesus-Bruderschaft, die Leitung des Wiederaufbaus des Klosters Volkenroda an Paulick zu übertragen. Der übersiedelte mit seiner Familie von Aachen in die thüringische Provinz, um so nah wie möglich an der Baustelle sein zu können; die bescheidene Büro-Baracke von damals steht noch heute. Durch die tägliche Präsenz des Architekten vor Ort wurden nicht nur die Umbaumaßnahmen an den Gebäuden mit großer Sorgfalt umgesetzt, sondern auch viele kleine und subtile Details im öffentlichen Raum – vom Leitsystem bis hin zu Ankündigungstafeln – verwirklicht, die dem Besucher heute ins Auge stechen.
Nach und nach konnte Paulick als Neuling das Vertrauen der Verantwortlichen vor Ort gewinnen. 1998 gründete er sein eigenes Architekturbüro namens „bauhütte volkenroda“. Es ist in dem instand gesetzten ehemaligen Gutshaus untergebracht, welches das Bindeglied zwischen Kloster und Dorf bildet. „Die Idee war damals, eine wirkliche Bauhütte zu gründen, ähnlich den mittelalterlichen Dombauhütten, die als Zusammenschluss mehrerer Werkstätten den Bau großer Kathedralen meisterten. Ich konnte den lokalen Handwerksbetrieben zwar das Modell verständlich machen. Es hätte aber bedeutet, die Arbeit untereinander zu teilen und damit auch Kalkulationen und Kosten offenzulegen. Dafür fehlte es anfangs noch an Vertrauen“, erinnert sich Bernward Paulick an den Beginn seiner Selbständigkeit als Architekt.
Er selbst hat mittlerweile sechs feste Arbeitsplätze geschaffen. Neben den andauernden Arbeiten am Kloster, der Sanierung bzw. dem Umbau von einzelnen Teilbereichen, sind weitere Projekte in Volkenroda realisiert worden: von der Kapelle aus Lehm über neue Schlaf- und Seminarräume bis hin zu Landwirtschaftsbauten und auch einigen Wohnbauten. Sein eigenes Haus baute Paulick aus Abbruchziegeln und Stampflehm, außerdem hat er im Nachbarort Obermehler ein Fabrikationsgebäude, in dem Spezialplatten aus Kunststein hergestellt werden, errichtet und in den umliegenden Gemeinden einige kirchliche Bauten.
Die Weiterentwicklung des Dorfes ist Bernward Paulick ein großes Anliegen. Er entdeckt ständig Verbesserungsmöglichkeiten – „nicht als Architekt, sondern weil es meine Heimat ist“. Dabei sei es ihm wichtig, mit den Mitbürgern zu sprechen, ihnen vor allem zuzuhören und nach räumlichen und gestalterischen Lösungen für ihre Anforderungen zu suchen. „Oft entwickeln sich die Ergebnisse wie von selbst. Wenn ich Zeit habe, zeichne ich Vorschläge für gestalterische Verbesserungen auf und präsentiere diese dann den zuständigen Verantwortlichen – ob Bruderschaft oder Bürgermeister.“ Seinen in Eigeninitiative ausgearbeiteten Dorfentwicklungsplan für Volkenroda hat die Gemeindeverwaltung zwar nicht in eine verbindliche Planung übersetzt, sie orientiert sich aber manchmal daran, etwa wenn es um Baugenehmigungen geht.
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