Villa T in Kornet Chehouane
Die Villa T setzt sich aus üppig bemessenen Wegen zusammen, die bis in den Garten führen. Die weitgehend offenen Empfangs- und Wohnräume sind so konzipiert, dass man sie einen nach dem anderen durchschreitet
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
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Blick vom Dach der Villa T in das Tal von Kornet Chehouane oberhalb von Beirut
Foto: Ieva Saudargaite
Blick vom Dach der Villa T in das Tal von Kornet Chehouane oberhalb von Beirut
Foto: Ieva Saudargaite
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Das Schwimmbad ruht auf dem tragenden Kern mit Küche und Lagerraum
Foto: Ieva Saudargaite
Das Schwimmbad ruht auf dem tragenden Kern mit Küche und Lagerraum
Foto: Ieva Saudargaite
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Die offene Gebäudeecke mit den Schienen der Glaselemente, im Hintergrund die Zufahrt auf das Gelände.
Foto: Iwan Baan
Die offene Gebäudeecke mit den Schienen der Glaselemente, im Hintergrund die Zufahrt auf das Gelände.
Foto: Iwan Baan
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Oberer Empfangsbereich mit Bar und der Wohnbereich mit zwei Sitzgruppen. Als Besucher ist man irritiert über die Bilder und deren Hängung.
Foto: Ieva Saudargaite
Oberer Empfangsbereich mit Bar und der Wohnbereich mit zwei Sitzgruppen. Als Besucher ist man irritiert über die Bilder und deren Hängung.
Foto: Ieva Saudargaite
Einen eindeutigen Eingang in die Villa gibt es nicht. Nachdem man im Beiruter Vorort Kornet Chehouane über viele Kurven den Hang hinauf gefahren ist, steht man an der Zufahrt auf ein steil abfallendes Grundstück mit Laubbäumen und Kiefern. In der näheren Umgebung gibt es eine diffus angeordnete Wohnbebauung, die keine festgeschriebenen Regeln erkennen lässt. Sie ist luxuriös – schlicht bis schnörkelig.
Drei Wege ins Gebäude bieten sich an: Zum Beispiel vom Garten aus, über eine breite, mit Holz beplankte Rampe am Wohnbereich entlang, der sich zum Tal hin öffnet. Man kann die Villa aber auch über ihre oberste Ebene, von einem rückwärtigen Zugang an der Straße, erreichen; dann steigt man vom Dach aus über eine Treppe hinab ins Haus. Die dritte Möglichkeit ist der Weg durch die Garage, die für sechs Fahrzeuge ausgelegt ist. Diese Garage ist nicht nur ein Abstellraum, sondern ein „Innenraum“, eine Art vorgelagerte Eingangshalle. Der Weg durch die Halle wird mit Wandgestaltungen neben den Türen ins Foyer der Villa und durch den direkten Zugang in die Küche inszeniert. Der Pariser Künstler Joël Andrianomearisoa installierte das Werk „Négociations sentimentales“ aus beweglichen Spiegeln. Lichtreflexionen lassen die Garage, wenn man sie bei Dunkelheit betritt, als einen etwas geheimnisvollen Raum erscheinen.
Haus der Wege
Sowenig, wie die Villa T einen eindeutigen Eingang hat, sowenig zeigt sie eine „Fassade“. Das Haus mit einer Gesamtfläche von 2500 Quadratmetern setzt sich aus drei Ebenen zusammen, die weitgehend übereinander liegen und von außen deutlich abzulesen sind. Die oberste Ebene ist offen und bildet, ohne besondere Aufbauten, den schützenden Abschluss. Sie ist nur teilweise als klassisches Flachdach ausgebildet. Fast alle Flächen sind begehbar und werden genutzt: Hier gibt es Terrassen, das Schwimmbad und hier mündet die Stufenrampe. Die hölzerne Rampe, die auf einem kleinen Wald schlanker, weiß gestrichener Rundstützen lagert, schiebt sich vor die durchgehende Glasfront und wird zur Terrasse, die gegenläufige Stufenrampe bildet einen Teil des Daches.
Auf dem Niveau der obersten Ebene und etwas zurückgesetzt von ihr, fügt sich ein unscheinbares Sondergebäude an. In ihm wohnt der Sohn des Bauherrn mit seiner Familie, wenn sie sich im Libanon aufhält. Es wirkt wie nachträglich hinzugefügt, ist kompakter und hebt sich dadurch deutlich von der Villa ab. Tohme geht
bei der Besichtigung auf diesen Gebäudeteil nicht ein.
Die Villa T verdeutlicht in besonderer Weise, wie sich Youssef Tohme einer Entwurfsaufgabe nähert. Er geht nicht von einem bestimmten Bild aus, sondern allein von der Situation auf dem Bauplatz. Daraus ergeben sich dann meist freie Raumzuordnungen und -abfolgen. Die Topografie ist das zentrale Thema. Sie setzt sich aus der Sicht von Tohme in der Architektur fort, wird von dieser aber auch ergänzt und sogar überhöht. Der Bauherr wollte diese ineinander übergehende Raumkonstellation, vor allem einen langen offenen Empfangs- und Wohnbereich mit mehreren Stationen. Er wurde schließlich fünfzig Meter lang und erstreckt sich von der großen, gläsernen Ecke mit roten Sitzmöbeln und dem Esstisch über einen Sitzbereich mit Bar, die in die rückwär-tige Wand integriert wurde und eine Zwischenzone mit breiter Treppe bis zu einem weitläufigen Raum mit großen Sesselgruppen, alles inzwischen gefüllt mit deutlich zu viel Kunst, Bildern und Skulpturen. Über die Auswahl und die Art der Hängung der Bilder darf man geteilter Meinung sein.
Offene Ecke
Mit wenigen Ausnahmen sind tatsächlich alle Bereiche der Villa weitgehend offen. Innen und Außen gehen fließend ineinander über. Die abgetreppte Flucht der Räume verbindet sich mit den dicht am Haus stehenden Bäumen und mit dem Blick auf Beirut. Hier fallen nun einige weitere Eigenarten des Hauses ins Auge, besonders die Ausbildung der raumhohen Glasfront, die sich an vielen Stellen komplett öffnen lässt. Die einzelnen Elemente können hintereinander geschoben werden. Am Boden und an der Decke sind mehrere Führungsschienen zu sehen.
Die Dachkonstruktion stellte eine Herausforderung dar, da Empfangs- und Wohnbereich stützenfrei sein sollten. In den Küchenräumen, unter dem Schwimmbad, war eine voluminöse Stahlbetonkonstruktion erforderlich. Die biegesteife Verankerung des Dachs in der hinteren Zone des Gebäudes verlangte ebenfalls nach viel Stahlbeton – natürlich alles kaschiert, damit der Eindruck von einem leichten, offenen Haus nicht leidet. Um auch im hinteren Teil der Villa genügend Tageslicht zu haben, wurden zwei rechteckige Innenhöfe eingefügt. Neben der Treppe, die den Empfangs- und Wohnbereich untergliedert, blickt man durch schmale, vertikale Fenster zwischen leicht skulptural ausgeformten Betonelementen in einen bepflanzten Hof, und weiter hinten, unmittelbar am Hang, befindet sich ein etwas größerer, introvertierter Hof mit Wasserbassin und Sichtbetonwänden als Ort des Rückzugs und der Meditation. Dieser Hof gehört zur rückwärtigen Zone mit den Schlafräumen.
Auf der untersten Ebene – der des Wohnbereichs mit den großen Sesselgruppen – liegen neben den Räumen für die Haustechnik noch das hauseigene Casino, möbliert mit filzbespannten Spieltischen, ein verglaster Weinkeller und ein Kinosaal. Auf die Ausstattung dieser Räume, hatte der Architekt keinen Einfluss.
Offenes Haus
Denkt man an Beirut, bleibt noch immer der lange Bürgerkrieg mit den Zerstörungen in der Er-innerung haften. Hier oben ist nichts davon zu spüren. Man befindet sich abgeschirmt und von viel Grün umgeben in einer anderen Welt. Der Bauherr, ein Libanese mit Kontakten nach Europa und Amerika, sieht in diesem Zuhause auch eine gewisse Symbolik. Es stehe als offenes, einladendes Haus trotz der zahlreichen Krisenherde für die Hoffnung, dass die jetzige Situation der Koexistenz der verschiedenen politischen und religiösen Gruppen im Land Bestand haben möge.
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