Wohnblock von Louis Paillard
Die Freiheit des Narren
Text: Niemann, Sebastian, Paris
Die Wohnblocks von Louis Paillard können exemplarisch für ein Konzept stehen: Der Investor bestimmt die Grundrisse, der Architekt ist vor allem mit den Fassaden befasst, die für die bessere Vermarktung eine eigene Note bekommen.
Allen guten Vorsätzen zum Trotz konnte sich das Preisgericht nicht auf einen Vorschlag zur architektonischen Gestaltung des Blocks B im „Trapez“ von Boulogne-Billancourt einigen. Es oblag somit dem Stadtplaner Patrick Chavannes, die massive und scharfkantige Großform, entworfen vom Katalanen Josep Lluís Mateo und die kleinteiligen, geradezu weichen Volumen aus dem Büro des Franzosen Louis Paillard zusammenzuführen. Positiv formuliert ist daraus ein Ort mit interessanten Kontrasten entstanden.
Paillard wurde mit der Planung von 109 Wohnungen und einer Mediathek mit gemeinsamer Tiefgarage beauftragt. Er teilte dieses Programm in vier Gebäudevolumen auf: Ein großes Hauptgebäude mit öffentlicher Nutzung in den unteren Geschossen an der Straßenecke Allée Robert Doisneau/Rue Marcel Bontemps und drei kleinere Bauten, ausschließlich mit Wohnungen am öffentlichen Fußweg bzw. im Blockinneren.
Während das Hauptgebäude eine Fassade aus Metallelementen erhielt, sind die „Hofgebäude“ von einer in unterschiedlichen Farben schimmernden Putzschicht überzogen. Die Baukörper sind in der Höhe gestaffelt und in den Kanten abgerundet. Die scheinbar willkürliche Anordnung von Fenstern und Balkonen verschiedener Größe unterstreicht das Konzept der kleinteiligen, weichen Volumina und ergibt ohne Vorder- und Rückseite eine einheitliche Gesamtkomposition bei der Fassadenabwicklung.
In den Metallbrüstungen vor Fenstern und Balkonen wiederholt sich das Motiv der Metallfassade des Hauptgebäudes: In Lochblechen aus eloxiertem Aluminium sind verschiedene Waldszenen mit Rehen und Hirschen erkennbar. Mit dieser prägnanten Detailgestaltung wurde das Gebäude schlagartig zum Hingucker im Quartier. Dazu später mehr.
Enttäuschendes Innenleben
Die gewisse Eleganz, die das Äußere verspricht, kann das Innere der Gebäude nicht halten: Während die großzügig verglasten Eingangshallen noch einladend wirken, steht man auf den innenliegenden Fluren der Obergeschosse schnell im Dunkeln. Die Grundrisse zeigen, dass die Fensteranordnung den pragmatischen Ansprüchen der Innenräume folgt. Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass dem Zuschnitt und der Anordnung der Wohnungen andere Regeln als gestalterische Wünsche oder gar räumliche Konzepte zu Grunde liegen. Die Wohnungen unterliegen einerseits der neuen Gesetzgebung zum barrierefreien Bauen und andererseits den Flächenvorgaben der Investoren. Dies führt zu zahlreichen räumlichen Zwängen. Auch die Anordnung der einzelnen Typologien (große Maisonetten mit Terrassen in den Obergeschossen und kleine Wohnungen weiter unten) arbeitet der räumlichen Struktur der Gebäude eher entgegen. Hier offenbart sich, dass die Grundstruktur des Projekts, und in weiten Teilen auch seine Gestaltung, durch Regel bestimmt werden, die die Finanzprodukte des heutigen Immobilienmarkts festschreiben. Während die Investoren detailliert Lage und Größe der einzelnen Wohnungen bestimmen, beschränkt sich die Arbeit des Architekten auf den Entwurf der Fassaden, immer mit der Maßgabe der einfachen Realisierbarkeit. Paillard konzentriert sich auf ein einziges Detail, die Gestaltung der Metallelemente von Fassade, Balkonen und Fenstern. Diese Aufgabe löst er mit der ihm eigenen Ironie: „Als Hommage an die Wohnzimmer unserer Großmütter, wo oft Bilder von Landschaften mit Tieren an der Wand hingen, habe ich dieses neu-bürgerliche Augenzwinkern eingeführt, in dem außerdem der Kontext des Bois de Boulogne wiederhallt.“
Die Nominierung des Architekten und des Bauherrn für den französischen Architekturpreis „Équerre d’argent“ zeigt, dass das Projekt als ein außergewöhnliches des französischen Wohnungsbaus angesehen wird – mit der in vielen Punkten fragwürdigen Symbiose aus Architektur- und Immobilienmarkt. Das Projekt leistet keinen wirklichen Beitrag zur Lösung der brisanten Situation auf dem Wohnungsmarkt, der von horrenden Preisen und großem Mangel geprägt ist. Es bleibt fraglich, ob der Architekt mit der Ironie bei der Detailgestaltung den im Projekt verankerten Zynismus der Investoren überspielen kann. Paillard gleicht eher der tragikkomischen Figur vom Narr des Königs. Wie dieser genießt er ein gewisses Maß an Freiheit, akzeptiert aber dafür, sein Werk in autoritären Strukturen ausführen zu lassen.
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