Bauwelt

bauhaus re use in Berlin


Die alten Fenster und Türen des Bauhaus-Gebäudes in Dessau landeten nicht im Altmetall, sondern in einem temporären Pavillon am Berliner Landwehrkanal – der richtige Umgang mit den obsoleten Reliquien der Moderne


Text: Ballhausen, Nils, Berlin


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    Blick von der Klingelhöferstraße; links eine der beiden von Max Bill entworfenen Säulen
    Foto: Schnepp Renou

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    Blick von der Klingelhöferstraße; links eine der beiden von Max Bill entworfenen Säulen

    Foto: Schnepp Renou

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    Die Bauhaus-Fenster wurden in eine neue Stahlkonstruktion montiert.
    Foto: Schnepp Renou

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    Die Bauhaus-Fenster wurden in eine neue Stahlkonstruktion montiert.

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    Die Membrandecke, die zur Verschattung dient, ist noch nicht eingezogen. Als Nebenräume dienen Fracht-Container.
    Foto: Schnepp Renou

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    Die Membrandecke, die zur Verschattung dient, ist noch nicht eingezogen. Als Nebenräume dienen Fracht-Container.

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    Die raumklimatisch wichtige Doppelfassade ermöglicht einen umlaufenden Wandelgang
    Foto: Schnepp Renou

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    Die raumklimatisch wichtige Doppelfassade ermöglicht einen umlaufenden Wandelgang

    Foto: Schnepp Renou

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    Die Dachkonstruktion ist mit Polycarbonat-Steg­platten verkleidet und bildet den Rahmen für die alten Fenster, die zugleich Exponate sind
    Foto: Schnepp Renou

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    Die Dachkonstruktion ist mit Polycarbonat-Steg­platten verkleidet und bildet den Rahmen für die alten Fenster, die zugleich Exponate sind

    Foto: Schnepp Renou

Ende 2011 begannen in Dessau die Sanierungsarbeiten am Bauhaus-Gebäude. Vor allem wegen der übergroßen Fenster – Einscheibenverglasung und ungedämmte Stahlprofile – war der winterliche Gebrauch des Gebäudes mit den Jahren immer kostspieliger geworden; unzureichender Sonnenschutz ließ viele Räume im Sommer zu Brutkästen werden. Bei den ausgedien-ten Fenstern handelte es sich nicht um die Originale aus dem Baujahr 1925/26, sondern um Rekonstruktionen aus dem Jahr 1976. Anlässlich des 50-jährigen Bauhaus-Jubiläums hatte die DDR das Denkmal nach langer Vernachlässigung erstmals in einen akzeptablen Zustand versetzen lassen.
Fünfunddreißig Jahre später: Die Stiftung Bauhaus Dessau unter ihrem damaligen Direktor Philipp Oswalt schreibt die demontierten Fenster des Werkstatt- und des Atelierflügels zur Überlassung an ein nichtkommerzielles Projekt aus. Den Zuschlag erhalten Robert K. Huber und Annekatrin Fischer, forschende und kuratierende Architekten aus München, die bis dahin unter dem Namen „zukunftsgeraeusche“ vorwiegend Projekte im Bereich Recycling-Architektur realisiert haben, so etwa die „Plattenvereinigung“, ein Pavillon aus Betonfertigteilen aus Ost und West, errichtet auf dem ehemaligen Flugfeld in Berlin-Tempelhof. Dort entsteht 2012 aus einigen Bauhaus-Fenstern und Überseecontainern ein erster Testpavillon, der seither diversen Initiativen als Veranstaltungsort dient.
Der gläserne Schrein, der nun direkt vor der Eingangsrampe des Bauhaus-Archivs/Museum für Gestaltung entstanden ist und diese Woche eröffnet wurde, ist der konsequente Nachfolger jenes Testpavillons. Die Initiatoren konnten dafür die IKEA-Stiftung als Unterstützerin gewinnen. In Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Archiv realisierte die zukunftsgeraeusche GbR einen Pavillon von rund 12 x 14 Meter Seitenlänge. Seine Hülle besteht aus 33 Fenstern aus dem Bauhaus-Nordflügel und 10 Balkon-Türen aus dem Ateliergebäude. Die alten Elemente wurden hier und da ausgebessert und in eine neue Tragkonstruktion aus verzinktem Stahl montiert. Das Dach, eher eine leichte Haube aus Stahlfachwerkträgern und Polycarbonat-Tafeln, wirkt von außen wie eine Addition aus der Gegenwart. Der Bau wurde als „Bildungsbaustelle“ durch die Berliner Knobelsdorff-Schule, ein gewerkeübergreifendes Oberstufenzentrum für Bautechnik, organisiert und ausgeführt; Bauphysiker vom Institut für Bauingenieurwesen der TU Berlin begleiten das Projekt wissenschaftlich.
Was auf Fotos (noch) nicht zu erkennen ist: Eine textile, transluzente Membran schließt den Dachraum oberhalb der Fenster wie eine Decke ab. Dabei geht es auch um die Verschattung, denn das Problem des Aufheizens wird bei diesem Gewächshaus-ähnlichen Leichtbau noch gravierender sein, als es in Dessau je war. Die Architekten legten daher die Fassaden zweischichtig an, sodass eine umlaufende klimatische Pufferzone entsteht, die so tief ist, dass man sie als Wandelgang benutzen kann. Die offenkundigen bauphysikalischen Defizite des wiederverwendeten Fensterelements werden explizit nicht mit aufwendiger Haustechnik kompensiert, sondern mit analogen Mitteln: Lüften, Verschatten, Wärmeerhalt durch Vorhänge, Mehrschaligkeit. Insofern handelt es sich hierbei um einen Apparat, an dem experimentiert, demonstriert, ausprobiert, nachjustiert werden kann. Lowtech als Programm, kombiniert mit einer jegliche Himmelsrichtung ignorierenden Moderne-Attitude. Unverblümt werden hier die seit 1926/76 gewandelten Anforderungen im Bauen thematisiert.
Aber der Pavillon ist kein zweckfreier Raum. Dem Bauhaus-Archiv, das unter chronischem Platzmangel leidet, fehlte bislang ein Raum für die Museumspädagogik. Durch die prominente Lage an der Klingelhöferstraße bietet sich „bauhaus re use“ für die geplante Standzeit von zwei Jahren als Schaufenster, als Treffpunkt für Gruppen, als Veranstaltungsraum und Werkstatt an. Auch über die künftigen Planungen zur Erweiterung des Bauhaus-Archivs im Jubiläumsjahr 2019 soll hier informiert werden. Der Pavillon fungiert dabei wie ein Adapter zur Stadt, die der Gropius‘sche Museumsbau seit jeher auf Abstand hält. Durch die Scheiben von 1976 blickt man nun auf ein Gebäude, dessen Grundstein im selben Jahr gelegt wurde. Rezeption Ost trifft Rezeption West. Der Ort dieser Aufführung hätte nicht besser gewählt sein können.
Drei 10-Fuß-Seecontainer – in der Leitfarbe des Bauhaus-Archivs gehalten – dienen als Sanitärraum, Lager und Windfang und unterteilen die Fläche in zwei Bereiche, 16,5 und 70 Quadratmeter groß. Es passte gut, dass die Fenster und die Container fast dasselbe Achsmaß haben. Dennoch habe es seine Zeit gedauert, bis sich auf dem Plan alles fügte, sagt Huber. Die meisten Elemente sind verschraubt, um den späteren Ab- und Wiederaufbau an anderer Stelle zu vereinfachen. Von verspielter Tüftelei unterscheidet sich der Bau durch den stadträumlich-funktionalen Kontext und seine vielschichtigen Verweise auf die Architekturgeschichte. Sogar auf die jüngere: Vor zehn Jahren war für diesen Bauplatz ein gläserner Investoren-Kubus von SANAA geplant, mit dem das Land Berlin die Bauhaus-Erweiterung finanzieren wollte. Davon redet heute niemand mehr. Die Bundesrepublik hat inzwischen die Finanzierung des Neubaus zugesagt.



Fakten
Architekten zukunftsgeraeusche GbR, Berlin
Adresse Kingelhöferstraße 14, 10785 Berlin


aus Bauwelt 21.2015
Artikel als pdf

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