Bauwelt

Respekt Madam!

Věra Machonin wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Das Ehepaar Machonin mit Pier Luigi Nervi in Prag 1967
    Foto: Jiří Mojžíš

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    Das Ehepaar Machonin mit Pier Luigi Nervi in Prag 1967

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    Die Tschechische Botschaft in Berlin von Machonin
    Foto: Filip Šlapal

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    Die Tschechische Botschaft in Berlin von Machonin

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    Das auch von Vĕra Machonin entworfene Interieur ist untrennbarer Teil der Tschechischen Botschaft
    Fotos: Filip Šlapal

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    Das auch von Vĕra Machonin entworfene Interieur ist untrennbarer Teil der Tschechischen Botschaft

    Fotos: Filip Šlapal

Respekt Madam!

Věra Machonin wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Das tschechische Architektenpaar Věra und Vladimír Machonin sorgte in den 60er und 70er Jahren nicht nur mit dem wabenförmigem Kaufhaus „Kotva“ in der Prager Altstadt sowie dem Thermal-Hotel in Karlsbad, in dem bis heute die lokalen Filmfestspiele stattfinden, für Furore. Auch ihr Berliner Botschaftsgebäude ist eine spät-moderne Architektur-Ikone. Sie steht jedoch aktuell zur Disposition.
Ihre spektakulärsten Projekte akquirierten sie durch Wettbewerbe in der kurzen Tauwetter-Phase des „Prager Frühlings“. Věra Machonin (geb. 1928) war der kreative Kopf des Paares: eine brillante Designerin und entwurfsstarke Architektin mit enormen Fähigkeiten im Bereich der Statik. Ihr Mann Vladimír (1920–90) war der durchsetzungsstarke, detailorientierte Manager ihres 1967 gegründeten „Studio Alpha“, das als zentraler Dreh- und Angelpunkt einer kleinen Gruppe weiterer, ebenfalls mit griechischen Buchstaben bezeichneter Architekturbüros fungierte. Karel Prager zum Beispiel, der Architekt des Parlamentsgebäudes, leitete das „Studio Gamma“. Als sich die sozialistischen Strukturen nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen wieder verhärteten, durften die Machonins ab 1971 weder an Wettbewerben teilnehmen noch ihre Projekte veröffentlichen. Parallel dazu wurde in ihrem Studio ein neuer Büroleiter installiert und Vladimír Machonin dazu verdonnert, ab 1972 die Projektierung eines lokalen Plattenbaugebietes zu übernehmen. Seine Frau Věra konnte die bereits akquirierten Projekte aber noch ausführen.
Ihre Bauten passen mit den großzügigen Räumen und teilweise aus Corten-Stahl bestehenden Fassaden nicht ins Bild der sozialistischen Durchschnittsarchitektur. Etliche haben – wie das „Kotva“ mit seinen Pilzstützen – ausgeklügelte Konstruktionen, die Věra Machonin aufgrund des Wettbewerbsgewinns („Das hat die Jury bereits genehmigt und dabei bleiben wir!“) auch später noch durchsetzte. Außerdem fand sie in den bereits auf Serienfertigung umgestellten Fabriken noch viele, während der Zwischenkriegszeit ausgebildete Handwerker, die mit wahrer Begeisterung individuelle Sonderanfertigungen produzierten. Denn auch komplette Interieurs und Möbel – wichtige, das räumliche Ambiente dieser Bauten prägende Details – entwarf sie meist selbst.
Als vor ungefähr einem Jahr an der Betoneinfriedung ihres Wohnhauses aus der Hand eines unbekannten Straßenkünstlers die Silhouette des Thermal-Hotels auftauchte, entwickelte sich der daneben gesprayte Slogan „Respekt Madam“ sofort zum lokalen Schlachtruf zur Rettung ihrer teilweise bereits massiv veränderten oder aber akut gefährdeten Bauten. Parallel dazu wurde Věra Machonin im Dezember 2015 von der Tschechischen Architektenkammer (České Komory Architektů) für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Auch ihr erst 1975–78 realisiertes Ost-Berliner Botschaftsgebäude ist im Kontext das „Prager Frühlings“ entstanden: Nachdem für die UdSSR sowie Polen und Ungarn direkt hinter dem Brandenburger Tor neue Botschaftsbauten am Bou-levard Unter den Linden errichtet worden waren, bot man der Regierung der ČSSR ein an der Mauer gelegenes Areal an, das damals sinnbildlich die weitgehend isolierte Lage des Landes nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ verdeutlichte. Nachdem die Machonins 1970 einen Wettbewerb für den Standort in der Leipziger Straße gewonnen hatten, wurde der Botschaft später ein ganz in der Nähe liegendes Grundstück in der Wilhelmstraße zugewiesen: ein geschichtsträchtiges, im Zuge der ostdeutschen Vergangenheitsbewältigung jedoch größtenteils freigeräumtes Areal, auf dem sich bis 1945 die wichtigsten Regierungsbehörden des Deutschen Reiches befunden hatten.
Für diese damals noch freistehend-exponierte Lage entwickelten die Machonins ein würfelförmiges Botschaftsgebäude mit scharfkantig-kristallinen Formen, das von Anfang an als bewusstes Gegenmodell zur noch im stalinistischen Stil errichteten sowjetischen Botschaft angelegt war: mit einer zum Straßenraum hin offenen Eingangszone, einer Beletage mit bereits von außen erkennbaren Repräsentationsräumen, darüber gestapelten Bürogeschossen und einer Betonrahmenkonstruktion, die Spannweiten von mehr als 14 Metern überbrückt. Innen umfassen bunte Zylinder-Strukturen die verschiedenen Konferenzräume, den großen Saal und auch den Fahrstuhl. Orange-rote Sessel und Deckenlamellen bilden zusammen mit den dunklen Edelholz-Vertäfelungen atmosphärisch dichte Raumstrukturen, die in den letzten Jahren immer wieder bei verschiedenen Architektur-Events, wie der Auftaktveranstaltung der ersten internationalen Brutalismus-Tagung (Bauwelt 29.2012), für Begeisterung sorgten.
Seit der deutschen Wiedervereinigung liegt diese (nun nur noch Tschechische) Botschaft jedoch im baulich stark umkämpften Bezirk Mitte. Außerdem schrumpfte nach der Teilung des Landes das Botschaftspersonal von knapp 250 auf rund 30 Mitarbeiter. Zeitweise wurden viele der Büros vermietet, seit 2005 steht das Gebäude größtenteils leer. Es entspricht nicht dem heutigen Zeitgeist und hat einen hohen Energieverbrauch. Aktuell stünden, so der stellvertretende Tschechische Außenminister Martin Pros in einem Fernsehunterview, aktuell zwei Szenarios zur Auswahl: ein massiver Umbau oder aber ein Abriss mit anschließendem Neubau. Alarmierende Perspektiven für das nicht unter Denkmalschutz stehende Gebäude.
Dabei wird – neben den präzise durchgestal-teten, noch erhaltenen Interieurs, die man keinesfalls leichtfertig entfernen sollte – meist übersehen, dass sich dieses Botschaftsgebäude auch heute noch überzeugend behauptet. Zwischen den vielen austauschbaren Neubauten zeichnet es sich gerade durch seine ungewöhnlichen Details und seine komplexe Entstehungsgeschichte aus: Diese zeigt augenfällig den tschechoslowakischen Sonderweg und handelt gleichzeitig auch von Věra Machonin, einer Architektin, die trotz schwieriger  Rahmenbedingungen durchgängig auf internationalem Niveau baute. Da kann man nur sagen: Respekt Madam!
Fakten
Architekten Machonin, Věra, Prag
aus Bauwelt 1-2.2016
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