Bauwelt

Punktlandung

Der Pariser Weltklimagipfel ist vorbei. Das Klima ist fürs Erste gerettet. Der Stolz gilt einem UN-Vertrag mit 11 Seiten und 29 Artikeln. Man fragt sich: Wer setzt diese 11 Seiten jetzt eigentlich um?

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Installation während des Weltklimagipfels im Pariser Grand Palais von Tomás Saraceno
Foto: Studio Tomás Saraceno

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Installation während des Weltklimagipfels im Pariser Grand Palais von Tomás Saraceno

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Punktlandung

Der Pariser Weltklimagipfel ist vorbei. Das Klima ist fürs Erste gerettet. Der Stolz gilt einem UN-Vertrag mit 11 Seiten und 29 Artikeln. Man fragt sich: Wer setzt diese 11 Seiten jetzt eigentlich um?

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Kurz vor Ende der Konferenz drohte das Abkommen noch an den Wörtern „shall“ und „should“ zu scheitern, also am Unterschied zwischen „wir werden“ und „wir sollten“, wenn sich – so die BBC – der Papst nicht per Telefon eingeschaltet hätte. Dann war das diplomatische Meisterstück festgeklopft und das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, akzeptiert. Eine letzte Hürde hat der Pariser Klima-Vertrag jetzt noch zu knacken: Die Regierungschefs müssen ihn am 22. April in New York unterschreiben, damit er in Kraft tritt.
Es gibt berechtigte Kritik an den Pariser Ergebnissen: Der Vertrag beinhaltet keine „bestrafbaren“ Verpflichtungen, und es wird weiter viel Zeit verstreichen, bevor er 2020 in Kraft tritt. Ambitio- niertere Ziele, die sich mit Begriffen wie „Dekarbonisierung“ und „Zero Emission“ zusammenfassen lassen, wurden nicht berücksichtigt. Die große Frage lautet jetzt: Wie werden die Ziele zu Politik, und vor allem: Wer setzt sie um? Dazu braucht es viele Beteiligte. Der Bauwelt-Kongress drei Wochen vor der Pariser Konferenz hatte zu diesem Zweck Architekten und Stadtplaner zusammengebracht. In Paris saßen die Architekten nicht mehr mit am Tisch – sie bekamen in der Cité de l’architecture im Palais Chaillot nur noch eine kleine Sonderrunde. Allerdings waren die Bürgermeister der Städte und der Metropolen besser als bei den bisherigen Weltklimagipfeln eingebunden. Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris, hatte zu sich ins Rathaus eingeladen. 640 „Mayors“ aus aller Welt folgten ihrem Ruf und entwickelten eine Art Parallel-Diplomatie. Fakt ist: Städte sind etwa für ein Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit wird noch zunehmen, wenn, wie die UN schätzt, die Städte weiter wachsen und 2050 bereits 66 Prozent der Weltbevölkerung Städter sein werden. Immerhin: Städte reagieren, das hat der amerikanische Politikwissenschaftler Benjamin Barber kürzlich belegt 2, gemeinhin schneller und pragmatischer und lassen sich viel weniger in parteipolitische nationale Intrigen einspannen, als dies die nationalen Regierungen tun. Sie beherrschen das, was man als „soft governance“ bezeichnet. Barber hat dafür eine Erklärung parat: Eben weil Städte mehr noch als Nationalstaaten vielfältig abhängig sind und im Grunde nie „unabhängig“ entscheiden, definieren sie sich selbst und ihren Erfolg stärker über Integration und Networking als über Abgrenzung. Die vielen Hundert Bürgermeister brachten denn auch im Pariser Rathaus eine eigene Erklärung 3 unter Dach und Fach, die in ihrem Ehrgeiz weiter geht als das UN-Abkommen – bis 2050 soll der Übergang auf 100 Prozent erneuerbare Energien gelungen und der CO2-Ausstoß um 80 Prozent reduziert sein.
Was braucht es zur Umsetzung? Zum einen: mehr Transparenz zwischen den Städten über die jeweiligen Klimaziele und die erreichten Ergebnisse als bisher. Das beginnt bei der Frage, was die wirklich klimarelevanten Handlungsfelder sind und wie sich die dafür erhobenen „data units“ auf ihre Wirksamkeit hin vergleichen lassen – eine Herkulesaufgabe, weil sich die Klimaprogramme von Stadt zu Stadt unterscheiden. Zum anderen: Städtebauliche Klimapolitik ist längst eine Querschnittsaufgabe, die in alle Bereiche des städtischen Handelns hineinspielt. Aber wenn sie einfach mechanisch umgesetzt wird, löst sie in der Bevölkerung Abwehr aus. Die Kopenhagener Stadtbaudirektorin Tina Saaby Madsen hat beim Bauwelt-Kongress so argumentiert: Klimaverordnungen und die dazugehörigen Projekte werden von den Bewohnern nur dann akzeptiert, wenn sie als Teil einer sich im Ganzen verändernden Stadtidee verstanden werden. Gerade bei den Einzelprojekten müsse deshalb immer die Chance genutzt werden, auch den öffentlichen Raum zu verbessern. Das Beispiel der schnellen neuen Fahrrad-Spuren in Kopenhagen sei eben nicht nur deshalb wichtig, weil damit der motorisierte Verkehr reduziert werde. Entscheidend sei, dass die Stadt hier anschaulich ihr Gesicht verändere und den Bewohnern klar werde, dass sie von den Veränderungen persönlich profitieren.
Der Schlusssatz im Pariser Rathaus klang da wie ein Appell: „The spirit of Paris is... collaboration“. Dass dies beim Klimaschutz kein weichgespültes Gerede ist, macht eine Untersuchung 4 deutlich, die zur UN-Konferenz veröffentlicht wurde. Im Vorfeld waren 66 Städte nach ihren Programmen befragt und etwa 10.000 Handlungsfelder untersucht worden. Ein Drittel der von den Städten initiierten Klimaprojekte, so das Ergebnis, ist die direkte Folge einer engeren Zusammenarbeit und von besserem Networking zwischen den Städten und den involvierten Planungsämtern. Womit bewiesen wäre: Städte, die miteinander kooperieren, tun mehr für eine klimagerechte Stadtentwicklungspolitik.

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