Um Libeskind herum
Architekten kooperieren mehr und mehr mit großen Unternehmen und entwickeln gemeinsam Produkte, passend zu aktuellen Projekten. Daniel Libeskind arbeitet auch mit einem großen italienischen Keramikhersteller zusammen – und zeigt dies nun mit „The Crown“ vor dessen Toren
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Um Libeskind herum
Architekten kooperieren mehr und mehr mit großen Unternehmen und entwickeln gemeinsam Produkte, passend zu aktuellen Projekten. Daniel Libeskind arbeitet auch mit einem großen italienischen Keramikhersteller zusammen – und zeigt dies nun mit „The Crown“ vor dessen Toren
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Ein Werk von Daniel Libeskind hat nun auch, leicht erhöht und von weißem Marmor-Kiesbett umgeben, auf der Insel eines Kreisverkehrs Platz gefunden; fünf Jahre nach Fertigstellung der „Ceramic Cloud“ von Kengo Kuma in einem anderen Rondell, rund einen Kilometer entfernt. Wir befinden uns in der Reggio Romagna, im Herzen der Keramikindustrie Oberitaliens. Gleich nebenan ist die Lastwageneinfahrt auf das Firmengelände des Keramikherstellers Casalgrande Padana, der sich die Kreisverkehrgestaltungen an der Hauptstraße zwischen Sassuolo und Reggio Emilia ausgedacht und finanziert hat.
Für Libeskind ist „Ceramic Crown“ eine Skulptur, die die Kraft des Unternehmens und seine Verbundenheit mit den Menschen der Region verkörpern soll – und dies symbolisch in einer Art Krönung. „Wenn man sich das Werk betrachtet, glitzert es wie eine Krone oder ein Diamant“, so der Architekt bei der offiziellen Übergabe, „und wenn man darum herumgeht, glitzert es weiter und sendet mit anderen Facetten seine Strahlen aus.“ Trotz aller Leichtigkeit muss erwähnt werden, dass die Crown mit ihrer Stahlkonstruktion und mit 300 Quadratmetern Fliesen verkleidet immer-hin 50 Tonnen wiegt. Die Masse war wichtig, weil die Form bei Sturm starken Windlasten ausgesetzt ist. Außerdem musste der Erdbebensicherheit Genüge geleistet werden. Seit dem letzten Beben in der Region vor vier Jahren gibt es strengere Vorgaben.
Ceramic Crown, oder schlicht The Crown, ist nur ein kleiner Libeskind im Kreisverkehr. Dennoch hat er einiges zu bieten: Das Material der Haut besteht aus ganz besonderen Fliesen. Mit ihnen verkleidete man eine Konstruktion aus 28 einzelnen Flächen, die sich durch unterschiedliche Geometrien und Winkel auszeichnen. Insgesamt wurden 700 Platten der Serie Fractile vor Ort zugeschnitten und verbaut. Die Serie wurde von Libeskind für Casalgrande Padana nach einer exklusiven, dreidimensionalen Matrix entworfen – ein Muster mit schillernder Metallic-Oberfläche. Durch dieses geometrische Spiel ergeben sich zahlreiche Reflexe, die die Hülle beleben. Die Lackierung und das Brennen bei 1250 Grad Celsius fanden unter Verwendung spezieller Ton-, Quarz- und Feldspatmischungen statt. Dazu kam oxidgesättigter Metallic-Lack, der für den irisierenden Effekt der Oberflächen sorgt. Dies alles soll sogar umweltverträglich sein. Das Unternehmen hat mit „Bios“ eine Bioaktiv-Keramik im Programm. Die Kreisverkehr-Kunst kann auch als experimentelle Anwendung von hinterlüfteten Fassaden betrachtet werden. Nahezu alle großen Firmen der Keramikindustrie arbeiten schon seit längerem daran, neben den Boden- und Wandfliesen ein zusätzliches Geschäftsfeld mit der Fassadenverkleidung aufzubauen. Damit eröffnet sich ein riesiger Markt. Die gleiche Fliese wie im Kreisverkehr veredelt ab Oktober eine Fassade in Berlin. Dann soll Daniel Libeskinds Luxuswohnblock „Sapphire“, schräg gegenüber vom Neubau des Bundesnachrichtendienstes an der Chausseestraße, fertig sein und fortan ganz besonders glänzen. Der Baukörper an einer Straßenecke soll einen Saphir, einen geschliffenen Edelstein, in ganz groß darstellen.
Architekten wie Libeskind haben sich mit ihren Namen mit bestimmten Bauprodukten oder deren Entwicklung verbandelt. Damit bekommt ihr architektonisches Werk eine zusätzliche Richtung. Libeskind ist angewiesen auf gute Verkleidungen der skulpturalen Formen, die seine Architektur ausmachen. Casalgrande Padana und andere, wie die spanische Firma Cosentino, liefern ihm die richtige Haut, sogar mit eigener Linie, die wiederum den Unternehmen eine gewaltige Aufmerksamkeit und vielleicht auch Reputation verschafft. So greift eins ins andere – und wenn die Oberflächen dazu noch mit einer ganz eigenen Note in der Handschrift des Architekten aufwarten, was braucht man mehr, um seine Vorstellungen umsetzen zu können? Prominente preisen Produkte an. Hierzu ein weiteres Beispiel: Für Cosentino wurde mit Libeskind im April ein mit Platten der Marke Dekton gestaltetes, begehbares Kunstwerk auf einer Fläche von 289 Quadratmetern am Frankfurter Opernplatz eingeweiht. Dieses Werk nennt sich „Musical Labyrinth“. Die Platten sind tiefschwarz und wurden von Libeskind mit einem weißen Flachrelief versehen. Sie zeigen ein imaginäres Labyrinth, das alle 18 Veranstaltungsorte von „One Day in Life“ verbindet. Cosentino ist Hauptsponsor des Konzertprojekts. Die Installation ist noch bis 14. Juni zu sehen.
Die Kunst an der Straße ist trotz bester Schutzvorrichtungen immer auch Gefahren ausgesetzt: Kengo Kumas „Ceramic Cloud“ im Kreisverkehr der Straße nach Reggio Emilia muss bereits repariert werden. Im Dezember letzten Jahres ist ein Auto mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit über die Absperrungen des Rondells hinweg in das Kunstwerk gerast, fast schon geflogen und im Wasserbassin gelandet. Dem Fahrer ist nichts passiert. Der Sachschaden ist beträchtlich. Die vor fünf Jahren speziell angefertigten weißen Keramikplatten müssen nun nochmals produziert werden. Die Kosten für die komplette Wiederherstellung liegen bei rund 100.000 Euro.
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