Platzatlas
Wer den Plan Roms von Giambattista Nolli von 1748 oder den im Rahmen der letzten Architektur-Biennale erschienenen Plan Venedigs von Giulia Foscari kennt, wird Gefallen finden an den Plänen des Platzatlas.
Text: Graff, Uta, Berlin
Platzatlas
Wer den Plan Roms von Giambattista Nolli von 1748 oder den im Rahmen der letzten Architektur-Biennale erschienenen Plan Venedigs von Giulia Foscari kennt, wird Gefallen finden an den Plänen des Platzatlas.
Text: Graff, Uta, Berlin
Wer den Plan Roms von Giambattista Nolli von 1748 oder den im Rahmen der letzten Architektur-Biennale erschienenen Plan Venedigs von Giulia Foscari kennt, wird Gefallen finden an den Plänen des Platzatlas. Ihnen gemein ist das architektonische Verständnis von Stadt und ihrer durch Dichte und Öffentlichkeit charakterisierten Räume sowie die stadträumlich lesbare Art der Darstellungen. Diese Eigenschaften und morphologischen Ausprägungen werden anhand charakteristischer Platztypen im Buch dokumentiert und damit eine übersichtlich aufbereitete Grundlage für das Entwerfen städtischer Räume geschaffen. Als Atlas erweitert, bereichert das von Sophie Wolfrum, Professorin für Städtebau an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität München, herausgegebene Buch die in jüngerer Zeit durch zahlreiche Neuerscheinungen angewachsene Rubrik der Atlanten um einen wertvollen Band. Ob Mauerwerk- oder Holzbauatlas, Energie- oder Baustoffatlas, Grundriss- oder Abrissatlas, ihnen allen obliegt die systematische Aufarbeitung und gleichartige Darstellung eines bestimmten Sujets in Buchform. Mit grafisch sorgfältig erarbeiteten und maßstäblich gut lesbaren Zeichnungen sowie einer bibliophilen Ausstattung ist das Buch zu Stadträumen Europas ein Atlas im klassischen Sinne. Insgesamt 70 bekannte Plätze aus 44 europäischen Städten werden darin jeweils anhand von Schwarzplan und Axonometrie, Grundriss und Schnitten dokumentiert und durch einen kurzen Text sowie einen Steckbrief zu Ort, Zeit und Dimension, Oberfläche und Ausstattung, Bauwerken und Architekten ergänzt – zwei bis drei Doppelseiten pro Platz, abhängig von dessen Größe. Relevante strukturelle und maßstabsgebende Elemente, wie Arkaden und Treppen, machen die Grundrisse zu einem Lesevergnügen; die ihnen zur Seite stehenden prägnanten Schnittzeichnungen mit detaillierter Fassadendarstellung begünstigen die Vorstellung der Dimension der Platzräume. Die hohe Präzision der Zeichnungen, die einheitliche Art der Darstellung und die durchgängigen Maßstäbe unterstützen die Lesbarkeit und ermöglichen eine optimale Vergleichbarkeit der Plätze untereinander. Deren spezifische Ausprägungen werden in einer Matrix vergleichend zusammengestellt: Entstehungszeit und Morphologie, Form und Größe, Funktion und Aneignung sind die Kriterien der Betrachtung, die durch Piktogramme visualisiert und den Stadträumen entsprechend zugeordnet werden. In jedem Platz sind die spezifischen Potenziale urbaner Situationen als Orte sozialen und urbanen Gebrauchs angelegt. Ihre gesellschaftliche Relevanz und performativen Qualitäten werden in einem einleitenden Text differenziert betrachtet.
Folgt man Karl Schlögel, so sind geschichtliche Vorgänge immer auch als an den Raum gebundene Ereignisse zu denken. Das lässt sich insbesondere an solchen Dokumenten festmachen, die räumliche Geschehen und Zusammenhänge zum Gegenstand haben, wie Karten und Pläne. Sie geben nicht nur den spezifischen Blick ihrer Verfasser wieder, sondern sind historische Dokumente. In diesem Sinne ist der Platzatlas als eine Bestandsaufnahme des heutigen Zustands urbaner Räume zu lesen und damit gleichermaßen ein Wissensarchiv und als solches hervorragendes Werkzeug für den architektonischen Entwurf, als auch ein wertvolles stadtbaugeschichtliches Dokument.
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