Venetian Settings
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Venetian Settings
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Bei Nacht, am Tag und noch mal bei Nacht, in einer der schönsten Städte, die der Mensch geschaffen hat – das ist, kurz gesagt, der Rahmen, den der Berliner Fotograf Maximilian Meisse für sein jüngstes Stadtporträt aufgespannt hat. Zumindest hat er seine Fotos der „Serenissima“ im Buch zu diesem Triptychon arrangiert, und es gibt keinen Grund, ihn nicht auf seinem Weg zu begleiten.
Denn mag Venedig auch einer der meistfotografierten Orte Europas sein, mit Meisse sieht der Betrachter eine Seite der Stadt, die meist nicht Gegenstand der Bildproduktion ist. Hier geht es nicht um Szenen des venezianischen Alltags, nicht um die Auswüchse des Massentourismus, nicht um die Architektur einzelner Gebäude – wie der Titel schon andeutet, zeigen die Fotos das, was das alles aufnimmt: den Raum der Stadt, das Beieinander der Gebäude, ihren Zusammenklang. Im Fokus steht dabei ein Phänomen, das der Architektur in den letzten Jahrzehnten zunehmend fremd geworden ist: das gelassene, heitere Zusammenspiel der so unterschiedlichen Architekturen, die Dichte an räumlichen Situationen und baulichen Details, die Rede und Weiterrede, die die Häuser und ihre Architekten durch die Jahrhunderte miteinander führen. Hier gibt es keinen „Bruch“, so gestalterisch heterogen die Gebäude, so unterschiedlich groß sie auch sein mögen; immer fügen sie sich zu einem Ganzen. „In der Eintracht der Bauten Venedigs entdeckt Meisse das historische Ideal unseres zukünftigen Miteinanders“, schreibt Bernard Sein im Vorwort. Der Weg in diese erhoffte Zukunft steht in den Bildern offen, denn die Gegenwart ist in ihnen aufgehoben: Das Licht, das die nächtlichen Fenster erhellt, ist unverkennbar elektrisch, auch das bläuliche Licht des Fernsehers ist da; auf einer Mauer hat ein Sprayer Graffiti hinterlassen, auf den Kanälen schaukeln Motorboote und nicht Gondeln. Ein Aufruf, ein Weckruf. Nicht nur an Architekten.
0 Kommentare