Bauwelt

30 lose Stahlschwerter formen einen Stern

Research Nr. 02

Text: Geipel, Kaye, Berlin; Zaplin, Tatjana, Berlin

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Foto: Büro ENZO, © Carsten Nicolai

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30 lose Stahlschwerter formen einen Stern

Research Nr. 02

Text: Geipel, Kaye, Berlin; Zaplin, Tatjana, Berlin

Wie entsteht aus den Skizzen eines renommierten Künstlers einestandfeste Konstruktion für eine große Platzskulptur in Tokio? Das Berliner Büro Enzo hat für Carsten Nicolai eine Konstruktion entwickelt, die ohne neu gedachte Stahlverbindungen nicht möglich gewesen wäre.
Im Rahmen eines Kunstwettbewerbs für einen Platz im Geschäftsviertel Chiyoda-ku hat Carsten Nicolai die Skulptur „poly_stella“ entworfen. Sein Vorschlag für einen komplexen Polyeder gewann. Die Skulptur, die auf einem „gedachten“ Ikosaeder basiert, besteht aus 15 langgestreckten Tetraedern, die sich alle in der Mitte kreuzen. Das Berliner Architekturbüro Enzo wurde von Nicolai mit der Umsetzung beauftragt. Zuerst musste geklärt werden, wie die komplizierte Geometrie in eine konstruktive Figur übersetzt werden kann. In einem zweiten Schritt stellte sich die Frage, wie der frei schwebende Stern seine Last auf den Boden abträgt. Die „Stacheln“ dieser Skulptur bestehen aus 30 Stahlschwertern, den Schmalseiten der Tetraeder also, deren Kanten förmlich in den Straßenraum schneiden. Die Flächen dieser Schwerter sind aus spiegelglattem Edelstahl, die Seiten aus schwarz anodisiertem Aluminium.
Die Antwort auf die Frage, wie diese 15 Tetraeder konstruktiv alle durch die Mitte geführt werden können, fand sich in der Figur des Ikosaeders – berühmt geworden durch Buckminster Fullers geodätische Kuppeln. Diese Figur ließ sich durch drei gleich große, ineinander gesteckte Platten (in den Screenshots grün markiert) geometrisch erzeugen. An den Ecken dieser Platten haben die Architekten „Kelche“ fixiert, in denen die Stahlschwerter befestigt wurden. Die Kelche dienen auch dem Ausgleich der Bautoleranzen und fungieren als Widerlager für die Schwerter. Jedes Schwert steckt zugleich in zwei Kelchen, was die kraftschlüssige Verbindung mit den jeweiligen „Nachbarschwertern“ gewährleistet. Ein Problem aber blieb: Die 15 Gewindestangen, die die Schwerter nach innen ziehen und so per Zugkraft im Gleichgewicht halten, können sich nicht alle in der Mitte kreuzen. Eine weitere „Hilfskonstruktion“ in Form einer Auswechslung im Zentrum war nötig: Die Gewindestangen treffen dort auf einen Oktaeder, in den sie eingeschraubt sind. Der leitet die Kräfte auf die andere Seite und garantiert so das Gleichgewicht. Einmal geschlossen, funktioniert die Skulptur als selbsttragendes Flächentragwerk. Die Unterkonstruktion aus Platten und Kelchen ist theoretisch nur für den Aufbau nötig. Allerdings wäre ohne sie die Montage nicht möglich. Schließlich müssen auch die 2,5 Tonnen Gewicht der Skulptur abgefangen werden. Der knapp vier Meter hohe Stern wurde wegen des notwendigen Probeaufbaus in Berlin so konstruiert, dass er für den Transport in seine Bestandteile zerlegt werden konnte.
Fakten
Architekten Nicolai, Carsten, Berlin; Enzo, Berlin
aus Bauwelt 41.2009
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