Bauwelt

Modellregionen Elektromobilität

Von Vernetzung keine Spur

Text: Klauser, Wilhelm, Berlin; Spix, Sebastian, Berlin

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

Am Straßenrand posieren die Zeichen des Fortschritts; hier eine Elektro-Zapfsäule der Firma E8Energy, die im Hamburger Speicherviertel.
Foto: Ullstein Bild

  • Social Media Items Social Media Items
Am Straßenrand posieren die Zeichen des Fortschritts; hier eine Elektro-Zapfsäule der Firma E8Energy, die im Hamburger Speicherviertel.

Foto: Ullstein Bild


Modellregionen Elektromobilität

Von Vernetzung keine Spur

Text: Klauser, Wilhelm, Berlin; Spix, Sebastian, Berlin

Acht „Modellregionen Elektromobilität“ werden von der Bundesregierung gefördert. Sechs davon stellen wir auf den folgenden Seiten vor. Ändern die neuen Verkehrsmittel auch den Umgang mit Stadt und Architektur? Das, was an Projekten auf dem Tisch liegt, zeigt meist nur mutlose Technik-Subvention und keine integrierten Ansätze.
Am 6. März dieses Jahres trat das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Kraft, das Konjunkturpaket II. Für 500 Millionen soll damit auch die Elektromobilität gefördert werden. Viel Geld wird bewegt. Deutschland soll, so das Ziel der Regierung, ein „Leitmarkt“ für Elektromobilität werden. Städte und Regionen sollen davon profitieren: Ein Bestandteil des Programms ist die „Förderung der Elektromobilität im öffentlichen Raum“. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat dafür den „Förderschwerpunkt Modellregionen“ eingerichtet und zusätzlich mit 115 Millionen ausgestattet.
Stolpernde Anfänge
Auf 100 in Deutschland lebende Personen kommen derzeit statistisch betrachtet 67 Kraftfahrzeuge. Das stellt der Datenreport des statistischen Bundesamts im Jahr 2008 fest. Bereits seit 1996 finden rein rechnerisch alle Einwohner Deutschlands auf den Vordersitzen Platz. 2008 gab es 41,1 Millionen Pkw, 3,5 Millionen Krafträder und 2,3 Millionen Lastkraftwagen. Man kalkuliert, dass bis zum Jahr 2020 eine Million Elektro- bzw. Hybridfahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein werden. So die Perspektive.
Bereits 1992 wurde auf Rügen ein dreijähriger Großversuch mit 60 Elektroautos gestartet. Der Versuch mit den sanft dahinschnurrenden Autos wurde folgenlos abgebrochen. Warum sollen die Programme jetzt greifen? Ist die mangelnde Reichweite immer noch ein Hinderungsgrund? Die durchschnittliche Reichweite der Elektrofahrzeuge beträgt zurzeit 60 bis 100 Kilometer, und ein Ladezyklus dauert zwischen fünf und acht Stunden. Da allerdings die tägliche Strecke, die ein Fahrzeug im Pendelverkehr zurücklegt, selten mehr als 30 bis 40 Kilometer beträgt, ist Aktionismus eigentlich nicht angebracht: Die Normalbedürfnisse des Pendlers sind abgedeckt. Ein weiteres Problem liegt darin, dass der CO2-Ausst0ß nur dann gesenkt werden kann, wenn der zusätzliche Strombedarf für die Elektroautos über regenerative Energien gesichert werden kann.
Die Energieversorger schätzen den Anteil an Elektrofahrzeugen sogar optimistischer ein als die Regierung: Sie hoffen auf 2,5 Millionen Fahrzeuge im Jahre 2020 und bauen mit erheblichen Mitteln eine Ladeinfrastruktur auf. Die Anschlüsse sind inzwischen genormt. Neue Berechnungen, in die die Endlichkeit der vorhandenen Ölreserven einbezogen wird, sehen bis 2020 einen Rückgang bei den Verbrennungsmotoren: Der weltweite Markt soll um 13,3 Milliarden Euro schrumpfen. Auf deutsche Verhältnisse heruntergerechnet bedeutet das einen Verlust von 46.000 Arbeitsplätzen. Andrerseits sehen diesselben Rechnungen das Entstehen neuer Märkte voraus. Allein neue Batterien und Energiespeicher würden bis 2020 weltweit ein Marktvolumen von 47,5 Milliarden Euro generieren, dem Elektromotor werden 16,2 Milliarden Euro prophezeit. Hochgerechnet auf die Bundesrepublik leitet sich daraus ein möglicher Beschäftigungseffekt von 250.000 Personen ab. Das prognostiziert zumindest das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die wichtigsten Märkte für die Elektromobilität liegen in Asien, wo Firmen wie Toyota zu Hause sind, die längst die Technologieführerschaft für sich beanspruchen. Konkurrenz allenthalben: Allein China fördert zwischen 2009 und 2011 innovative Antriebstechnologien mit einer Milliarde Euro und lässt in zehn Pilotregionen mit weiteren zwei Milliarden Finanzspritze 10.000 Fahrzeuge starten. Sicher ist, dass sich die Stromproduktion bei der Anpassung an die neuen Märkte verändern wird. Erstens werden neue Kraftwerke nicht mehr dort entstehen, wo die Energie auch unmittelbar abgenommen wird, sondern etwa vor den Küsten durch Windkraft oder in den Wüsten durch Sonnenenergie. Zweitens wird die Einspeisung über kleine dezentrale Quellen zunehmen, etwa bei Häusern, die zusätzliche Energie produzieren. Schließlich wird sich das Netz in Zukunft nicht nur aus einer größeren Zahl von Anbietern speisen, sondern umgekehrt auch eine Vielzahl dezentraler Abnehmer anschließen. Dass sich dabei unerwartete Kooperationen ergeben, zeigt z.B. das geplante „ZuHause-Kraftwerk“ von VW und dem Öko Stromanbieter Lichtblick. Doch weder für die Aufnahme volatiler, also nicht beständig zur Verfügung stehender, regenerativer Energien, noch für extreme Leistungsspitzen in der Abnahme sind die Stromnetze derzeit ausgelegt. Der Subventionswettkampf ist auch hier längst im Gang: Die US-Regierung pumpt Milliardensummen in den Aufbau neuer Stromnetze, und die Energiestrategien der EU ziehen nach.
Blasse Konzepte und drei Fragen
In Deutschland werden acht Modellregionen von der Bundesregierung gefördert, sechs davon vergleichen wir auf den folgenden Seiten. Bei unserer Recherche haben wir festgestellt, dass sich niemand wirklich sicher ist, wo die Reise hingeht. Eine Vielzahl ähnlicher Einzelansätze wird verfolgt; ausprobiert wird, was technisch gerade möglich ist. Meist geht es um die Erprobung eines Elektrofuhrparks der derzeit verfügbaren Modelle großer und kleiner Auto- und Zweiradbauer. Bis 2011, so sieht es das Konjunkturpaket II vor, muss das Geld ausgegeben sein. Aber noch sind die allermeisten Projekte in der Konzeption.
Wo aber bleibt das regionale Modell, das über die pure Einführung von einem Dutzend neuer Elektrofahrzeuge im kommunalen Fuhrpark hinausgeht? Warum gibt es – mit Ausnahme des Flugfelds Sindelfingen/Böblingen – so wenig Modellanträge, in denen die Elektromobilität zum hauptsächlichen Verkehrsträger eines ganzen Quartiers aufgebaut wird? Warum werden neue städtische Strukturen nicht mitgedacht? Immerhin bietet gerade die „schwache Reichweite“ der Elektrofahrzeuge eine Chance für ein leichtes Fortbewegungsmittel, um den Weg von der Haustür zum nahen Supermarkt oder zur Arbeit zu überbrücken und auf diese Weise den schweren Pkw vielleicht ganz überflüssig zu machen. Fast schon heroisch mutet da das Modellvorhaben „Car2go“ an, das die Stadt Ulm zusammen mit der lokalen Forschungszentrale der Daimler AG zurzeit ausprobiert – ohne Elektroantrieb, ohne Geld aus dem Programm, dafür aber vernetzt. Das Thema Intermodalität, auch wenn es im Nationalen Entwicklungsplan mehrmals zitiert wird, spielt in den acht Modellregionen so gut wie keine Rolle. Die neuen Initiativen seien vorbildlich und interdisziplinär, so verkündet der Plan, die Elektromobilität führe erstmals die Energiewirtschaft und die Autoindustrie zusammen. Das aber ist zu wenig. Wenn die Stadt, ihre Strukturen und ihre Nutzer nicht präzise mitbedacht werden, dann führt das zerstückelte Verkehrskonzept, wie in den sechziger Jahren schon einmal, zu einem schönen runden Flop.

0 Kommentare


loading
x
loading

9.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.