Kirchenpavillon in Landau
Ein schlichter Sakralraum auf der rheinland-pfälzischen Landesgartenschau, mit dem die Kirchen auf
ihre Inhalte und ihre Arbeit aufmerksam machen
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
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Das Haupttragwerk bilden vier räumlich gekrümmte Zweigelenkrahmen aus Stahl-Hohlträgern, die biegesteif mit Brettschichtholzstützen verbunden sind. Das stählerne „Opaion“ über dem Altar hat einen Durchmesser von drei Metern.
Foto: Sven Paustian
Das Haupttragwerk bilden vier räumlich gekrümmte Zweigelenkrahmen aus Stahl-Hohlträgern, die biegesteif mit Brettschichtholzstützen verbunden sind. Das stählerne „Opaion“ über dem Altar hat einen Durchmesser von drei Metern.
Foto: Sven Paustian
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Dirk Bayer führt seit 2000 zusammen mit Andrea Uhrig in Kaiserslautern bayer uhrig Architekten und lehrt als Professor an der dortigen TU. Die Impulse internationaler Architektur überprüfte das Büro bislang vorzugsweise im regionalen Kontext und im kleineren Maßstab.
Foto: Sven Paustian
Dirk Bayer führt seit 2000 zusammen mit Andrea Uhrig in Kaiserslautern bayer uhrig Architekten und lehrt als Professor an der dortigen TU. Die Impulse internationaler Architektur überprüfte das Büro bislang vorzugsweise im regionalen Kontext und im kleineren Maßstab.
Foto: Sven Paustian
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Auf die vier Rahmen sind bis zu 17 Meter lange Douglasienträger schwertartig aufgelegt
Foto: Sven Paustian
Auf die vier Rahmen sind bis zu 17 Meter lange Douglasienträger schwertartig aufgelegt
Foto: Sven Paustian
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Eine Direktvergabe mit Vorgeschichte: Als Dirk Bayer 2004 Assistent an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart war, gab es eine Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät in Tübingen. Das Entwurfsprojekt „Modellfall Matthäus – Dem Glauben Raum geben – Neue Wege im Umgang mit sakralen Räumen“ wurde ein Jahr darauf auf dem Kirchbautag vorgestellt. 2008 war Bayer, 2011 seine Partnerin Andrea Uhrig wiederum mit studentischen Entwürfen zu Gast auf dem Kirchbautag. 2013 trat die Beauftragte für Kunst und Kirchenbau der Evangelischen Landeskirche Pfalz an sie heran. In Landau solle zur Landesgartenschau ein „Grüner Kirchenraum“ gestaltet werden: ein ökumenischer Pavillon, der sowohl für die Kirchentätigkeit während der Landesgartenschau, als auch für andere Veranstaltungen dienen kann. Auf christliche Symbolik sei daher zu verzichten. Standdauer: ein halbes Jahr. Nach einigem Hin und Her ist der Pavillon im April eröffnet worden. Dirk Bayer im Gespräch über ein Projekt, das fast gescheitert wäre.
Gehört die Kirche denn auf eine Landesgartenschau?
Wir haben das nie hinterfragt, sie war bislang auf jeder Gartenschau in Rheinland-Pfalz vertreten, zuletzt 2011 auf der BUGA in Koblenz. Die LGS in Landau steht unter einem Thema, für das sich beide Kirchen stark engagieren: Inklusion, also das Zusammenleben von Behinderten und Nichtbehinderten. Der Pavillon war ursprünglich als Teil einer integrativen Wohnanlage gedacht.
Wieso steht er nun woanders?
Als das Areal der Landesgartenschau zugeschnitten wurde, geriet der erste Pavillonstandort in eine extreme Randlage. Dann sind wir weiter gewandert auf das zweite Grundstück. Wir waren gerade dabei, den Pavillon neu zu konzeptionieren, als der große Crash kam – Bombenfunde auf dem Gelände. Die LGS musste um ein Jahr verschoben werden. Nach den Bodenuntersuchungen wurden viele Projekte neu positioniert. Wir bekamen ein drittes Grundstück und schließlich das vierte. Darüber sind aber alle sehr glücklich, weil der Pavillon nun an der Hauptachse der LGS liegt. Am Eröffnungswochenende kamen 30.000 Besucher daran vorbei.
War die Ausrichtung ein Problem?
Beim ersten Grundstück hätte die Ostung wunderbar funktioniert, bei dem jetzigen geht es nicht. Wir hätten den Altarraum, also den Rücken des Gebäudes, der Eingangsachse zukehren müssen.
Hat sich die Konzeption mit den verschiedenen Standorten verändert?
Überhaupt nicht, abgesehen von der Fundamentierung. Die Logik der Form und die Achsen leiten sich aus dem ersten Standort ab. Das knappe Budget, aber auch die permanente Unsicherheit, ob der Pavillon überhaupt gebaut wird, ließen danach keine weitere Umplanung mehr zu. Sehr kurzfristig gab es im letzten September grünes Licht und der Bau musste bis zur Eröffnung der LGS am 18. April fertiggestellt und abgerechnet sein.
Wie kam es zu der Form?
Der Pavillon vermittelt das Bild eines schützenden Daches, ein geschlossener Raum wäre nicht zulässig gewesen. Der spätere Rückbau sollte einfach sein, daher die Idee, Hölzer additiv auf- bzw. aneinander zu legen. Wir haben anfangs kaum gezeichnet, sondern hauptsächlich mit Modellen gearbeitet. Wir leuchteten mit Taschenlampen hinein, um zu ermitteln, wie „dick“ die Ellipse sein darf damit das Licht über dem Altar und den Besuchern stimmt.
Eine Absage an komplizierte Renderings und computergenerierte Formen?
Nicht kategorisch. Es gibt ein 3D-Modell, das der Tragwerksplaner für den statischen Nachweis benötigte.
Hat der stählerne Ring über dem Altarbereich eine besondere statische Funktion?
Der ringförmige Stahlrahmen ist nur an den Dachträgern aufgehängt. Querkräfte, Biege- und Torsionsmomente überlagern sich, sodass das Tragsystem nur am räumlich statisch unbestimmten Modell berechnet werden konnte. Beim Aufbau arbeiteten die Handwerker mit Hilfskonstruktionen. Der Ring hat für uns aber eine ikonogra-fische Bedeutung. Dies ist schließlich keine einfache Holzbühne, wo Theatergruppen, Rockbands oder Trachtengruppen auftreten, ...
... sondern ein sakraler Ort.
Ohne die entsprechenden Zeichen und auch ohne kirchliche Weihe. Inzwischen wird viel hineininterpretiert: Ist die Ellipse ein Fisch, das Dach ein Strahlenkranz? Wir hatten immer ein anderes Bild von der Holzkonstruktion vor Augen: Die schlichten Nachkriegskirchen mit viel Beton und den typischen Holzlamellen-Deckenuntersichten haben uns inspiriert. Das Licht spielt in jeder Religion eine wichtige Rolle. Die Baugeschichte kennt viele Sakralbauten, die unterschiedlichen Religionen gedient haben, bei denen das Licht-Thema aber als gemeinsamer Nenner erhalten geblieben ist.
Wenn der Pavillon wie geplant in fünf Jahren abgebaut wird, wozu könnte das Holz dann konstruktiv genutzt werden?
Das ist eine Denksportaufgabe für die nächsten Jahre. Vielleicht als Minikapelle an einem Pilgerweg? Der Inhaber der Holzbaufirma meinte kürzlich bei einem Podiumsgespräch, er würde den Bau gerne zu sich in den Hunsrück holen. Aber da gab es gleich Proteste der anwesenden Landauer, die wollen, dass er hier stehen bleibt.
Das Konzept erinnert an den Schweizer Expo-Pavillon in Hannover, ebenfalls ein Lowtech-Holzstapel, dessen Bestandteile später weiter verwendet werden sollten.
Der Kirchenpavillon ist sicher keine Nachahmung, eher vielleicht ein später Nachhall. Als sich neulich in Landau während einer Andacht die Schwingungen eines Kontrabasses, eines Klaviers und eines Schlagzeugs in der Ellipse fin-gen und durch die unbehandelten Lamellen nach außen drangen, da erinnerte uns das stark an unseren damaligen Besuch in Peter Zumthors Pavillon.
Fakten
Architekten
bayer uhrig Architekten, Kaiserslautern
Adresse
Erzabt-Josef-Koch-Straße 6 76829 Landau in der Pfalz
aus
Bauwelt 21.2015
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