Bauwelt

LichtAktivhaus


Debüt Nr. 10


Text: Meyer, Friederike, Berlin


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Adam Mork/Velux

    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Adam Mork/Velux

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Adam Mork/Velux

    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Adam Mork/Velux

Eigentlich hatte sie nur mal an einem Wettbewerb teilnehmen wollen. Heute führt die Architektin Besucher durch die Doppelhaushälfte in Hamburg-Wilhelmsburg, deren Umbau sie als Studentin der TU Darmstadt für die Firma Velux geplant hat.
Die Wohnhäuser am Katenweg in Hamburg-Wilhelmsburg sind in den 50er Jahren für Selbstversorger entstanden – mit großem Garten zum Gemüseanbau. Heute prägen typisch deutsche Siedlungsmerkmale das Straßenbild: akkurate Vorgärten, Carport, Gardinen. In diesem Umfeld hat der Dachfensterhersteller Velux eine Doppelhaushälfte erworben und umbauen lassen. Sie ist eines von sechs in Europa geplanten sogenannten Model Homes 2020, mit denen die Firma die „Verbindung von höchstem Wohnwert und optimaler Energieeffizienz“ erforschen will. Das deutsche Model Home ist zudem als künftiges Wohnhaus für eine 4-köpfige Familie gedacht, die beim Datenerfassen helfen soll, und nicht zuletzt als Showroom für die eigenen Produkte. Für den Entwurf des Umbaus hat Velux den Nachwuchs einbezogen, gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Entwerfen und Energieeffizientes Bauen der TU Darmstadt einen Studentenwettbewerb ausgelobt und die Siegerin Katharina Fey mit ins Planungsteam geholt. Entsprechend Feys Vorschlag ist die einst dunkle Kate nun mit vielen Fenstern versehen und um einen Anbau im Garten erweitert worden. Auf dem Dach des Anbaus sollen Solarkollektoren und eine Photovolataikanlage warmes Wasser und Strom für die künftigen Bewohner produzieren. Energieverbrauch und Raumklima werden ständig überwacht und sind am Bildschirm im Treppenhaus neben vielen anderen Parametern abrufbar. Seit Anfang des Jahres steht das Haus zunächst für angemeldete Besucher offen, die Familie soll im Herbst einziehen.  FM
Wie haben Sie sich die Familie vorgestellt, die hier wohnen wird?
Katharina Fey | Gar nicht.
Sie haben also einfach geplant, was Sie gut finden?
KF | Ja,  man entwirft ja erst mal immer, was man selber gut findet.
Wie war Ihr Eindruck beim ersten Besuch?
KF | Ich war schon ein bisschen erschrocken, wie kleinteilig die Siedlung in Wilhelmsburg ist. Sie ist nach dem Krieg für Arbeiterfamilien entstanden, damit sie sich selbst versorgen können. Deswegen hat jedes Haus Ställe und einen großen Garten – 1000 m2, das ist schon luxuriös. Das Haus war eingerichtet wie vor 40 Jahren, wie in einem alten Film. Mir war schnell klar, dass ich das Haus mehr öffnen will, fragte mich aber auch, wie ich den Charakter bewahren kann und zugleich der Aufgabe gerecht werde.
Der Anforderung, komfortable Wohnräume im energiesparenden Eigenheim zu schaffen?
KF | So ungefähr. Mir kam die Idee, dass im Gewächshaus nicht mehr Gemüse angebaut wird, stattdessen Energie auf dem Dach. Deswegen heißt mein Entwurf „Aus eigenem Anbau“.
Und das hat die Wettbewerbsjury überzeugt?
KF | Ich habe im Gegensatz zu anderen Teilnehmern viel von der alten Struktur belassen und trotzdem eine neue Großzügigkeit geschaffen, in­dem ich die Dachfläche mit Fenstern versehen habe. Der Anbau, das Gewächshaus, hat einen sehr hohen Glasanteil. Um zu beweisen, dass eine Glasfassade auch energetisch funktionieren kann, hatte ich ein 1:1-Detail von meiner Fassadenidee gebaut: ein Fenster mit zwei Seiten, das man je nach Jahreszeit um 180 Grad drehen kann.
Wie funktioniert das?
KF | Im Winter als transparente Wärmedämmung mit einem Kapillarglas, das die Strahlen der flach stehenden Sonne bündelt. Dahinter ist eine mit Paraffin gefüllte Doppelstegplatte, die die Wärme speichert und dann langsam an den Raum abgibt. Im Sommer bleibt die Hitze draußen. Ich hatte mir ein Muster von dieser Kapillarglasscheibe bestellt, eine Fensterrahmenecke gebaut  und in eine Doppelstegplatte Kerzen eingeschmolzen. Das war dann meine Paraffinplatte.
Stimmt es, dass für dieses Haus steigende Energiepreise keine Rolle spielen werden?
KF | Das Motto hier ist: „Von der Nahrungsautarkie zur Energieautarkie“. Der komplette Energieverbrauch der Bewohner soll auf dem Dach des Neubaus produziert werden. Weil es noch keine Akkus gibt, die im großen Stil Strom speichern können, speist die Photovoltaikanlage im Sommer ins Netz ein und holt sich im Winter Strom von dort. Warmwasser für Heizung und Dusche produzieren die Solarkollektoren. Wenn keine Sonne scheint, wird die Luft-Wärmepumpe im Garten aktiv.
Was ging in Ihnen vor, als Sie erfuhren, dass die Firma Velux dieses Haus tatsächlich bauen will und Sie planen dürfen.
KF | Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich den Wettbewerb gewinne, weil ich meinen Entwurf als Außenseiter gesehen habe. Als ich nach der Entwurfsabgabe aus dem Urlaub zurückkam, gab es gleich ein Gespräch mit Velux. Kurz darauf begann ich am Lehrstuhl von Manfred Hegger mit der Entwurfsplanung. Plötzlich war ich in einer anderen Welt. Vorher hatte ich normal studiert, auf einmal hieß es: feste Arbeitszeiten, Bauantrag zeichnen, Formulare ausfüllen. Das war eine Umstellung.
Wie groß war das Team?
KF | Wir haben eng mit Tim Bialucha zusammengearbeitet. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl und war der Einzige, der das Potenzial meines Entwurfs recht früh erkannt und immer zu mir gehalten hat, obwohl es Zweifel gab, dass der Glasanbau energetisch funktioniert.
Würden Sie sagen, das ist Ihr Entwurf, der hier gebaut wurde?
KF | Ja. Obwohl es manchmal ein Kampf war, in dem ich lernen musste, dass viele Menschen mitreden. Im Studium kriegt man zwar Korrekturen,
entwirft aber am Ende doch, was man will. Hier hatte ich einen Bauherrn.
Wofür mussten Sie kämpfen?
KF | Ich musste die Bauherren davon überzeugen, dass, wer neue Lösungen sucht, diese im Detail auch neu entwickeln muss. Mir war es zum Beispiel wichtig, dass der Charakter eines Gewächshauses, den ich für den Neubau entworfen hatte, erhalten bleibt. Die Bauherren wollten eine konventionelle Dacheindeckung, weil es technisch einfacher gewesen wäre.
Was kann der Bildschirm im Treppenhaus?
KF | Er zeigt die aktuellen Temperaturen und CO2-Gehalte in den einzelnen Zonen, wie viel Strom die Solaranlage produziert hat, wie hoch der aktuelle Verbrauch ist. Man kann die solaren Gewinne und Verluste der einzelnen Fenster sehen und ablesen, wie man gewirtschaftet hat.
Was passiert, wenn der CO2-Gehalt zu hoch ist?
KF | Dann gehen automatisch die Fenster auf. In jedem Raum ist ein CO2- und Feuchtemesser. Als wir zur Bauabnahme mit sechs Personen im geschlossenen Bad standen, wunderten wir uns, warum das Fenster dauernd aufgeht. Man kann das aber auch auf manuellen Betrieb umschalten.
Was ist wichtig, damit Sie sich in einem Raum wohlfühlen?
KF | Die richtige Lichtstimmung. Durch falsche Beleuchtung kann man einen Raumeindruck kaputt machen. 
Konnten Sie sich in Bezug auf die Stimmung einbringen?
KF | Für das Bad zum Beispiel habe ich Fliesenmuster ausgewählt, die mich wegen ihrer Reliefstruktur aus Halbkreisen an die Bauzeit der Siedlung erinnern. Sie seien Retro und nicht Zukunft, hieß es. Aber dieses Haus ist aus den Fünfzigern, und ich finde, man darf das zeigen.
Wie sind Sie mit den Handwerkern klargekommen?
KF | Einen doofen Spruch musste ich mir anhören. Ansonsten hat es wunderbar funktioniert. Ich war überrascht, wie viel Spaß mir das macht.
Hat das Velux-Haus Ihre persönlichen Pläne beeinflusst?
KF | Ursprünglich wollt ich nach dem Studium in einer Wettbewerbsabteilung arbeiten. Mittlerweile habe ich gelernt, wie wichtig Details sind. Ich arbeite nun in einem kleinen Hamburger Büro und lerne gerade ganz viel aus allen Leistungsphasen.



Fakten
Architekten Fey, Katharina, Hamburg
Adresse Katenweg, 21109 Hamburg


aus Bauwelt 15-16.2011
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

23.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.