Bauwelt

Hauptstadtplaner

Hans Gericke, dem ehemaligen Chef-Architekten von Ostberlin, zum Hundertsten

Text: Wimmer, Martin, Berlin

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Bundesarchiv, Bild Nr. 183-18314-0002

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Hauptstadtplaner

Hans Gericke, dem ehemaligen Chef-Architekten von Ostberlin, zum Hundertsten

Text: Wimmer, Martin, Berlin

Wenn ein Architekt seinen 100. Geburtstag feiert, kommt einem unweigerlich Oscar Niemeyer in den Sinn. Hans Gericke, der am 27. Juli 1912 in Magdeburg geboren wurde, hat mit dem inzwischen 104-jährigen Niemeyer aber nicht nur ein nahezu biblisches Alter gemein.
Beide sind sie Hauptstadtplaner: Der eine zeichnete in Brasilia mitverantwortlich für den Bau einer ganz neuen, der andere in Berlin für den Wiederaufbau einer nahezu vollständig zerstörten Kapitale. Hans Gericke war von 1958 bis 1965 Chefarchitekt von Ostberlin. Geistig und körperlich fit, interessiert er sich bis heute für die städtebaulich-architektonische Entwicklung „sei­ner“ Stadt.

Hans Gericke studierte von 1932 bis 1937 Architektur an der Technischen Hochschule in Hanno­ver. Nach dem Diplom erhielt er ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom. 1939 wurde er zur Luftwaffenbauverwaltung eingezogen; er arbeitete auf Sylt, dann in Brüssel und schließlich in Italien. Nach Kriegsende begann für Hans Gericke als Architekt in der Ostzone eine neue Ära. Mit Entwürfen für Neubauerndörfer, für Schulen und in nationalen Städtebauwettbewerben machte er auf sich aufmerksam. 1950 wurde er in Naumburg Chefarchitekt eines der ersten volkseigenen Entwurfsbüros der DDR; mit der kollektiven Arbeitsweise in diesen Büros verband sich seinerzeit die Hoffnung, das Berufsbild des Architekten – seit Jahrzehnten überwiegend Einmannbetriebe – grundlegend verän­dern und verbessern zu können.

Als sich 1952 der Bund Deutscher Architekten in der DDR neu gründete, wurde Gericke dessen Vizepräsident. Er bekleidete das Amt 35 Jahre lang. Der BDA in der DDR (ab 1971 „BdA/DDR“) verstand sich nicht als Eliteverband, sondern als Berufsverband aller Architekten. Viele Kollegen fanden in den Bezirks- und Fachgruppen ein Forum, wo sie auch Pro­b­leme und Missstände offen diskutieren konnten: Schwierigkeiten beim Aufbau der Stadtzentren, bei der Lösung der Wohnungsfrage, mit der Neuorientierung auf das industrielle Bauen.

Hans Gerickes Hauptwirkungsstätten waren der Magistrat von Groß-Berlin und die Deutsche Bau­akademie zu Berlin. Von 1951 bis 1953 war er Stadtrat für Aufbau. In diese Zeit fiel der Beginn des Wohnungsbaus in Ostberlin mit dem Wohngebiet Weberwiese und der Stalinallee im Rahmen eines gigantischen nationalen Aufbauprogramms. In seinen Jahren als Chefarchitekt der DDR-Hauptstadt, 1958–65, war er u.a. verantwortlich für die Bebauungsplanung des Stadtzentrums. Zusammen mit verschiedenen Planungskollektiven um Josef Kaiser, Dorothea Tsche­schner, Peter Schweizer, Helmut Stingl und andere hat er den „Schutthaufen bei Potsdam“, wie Brecht das zerstörte Berlin nach seiner Rückkehr aus den USA genannt hatte, neu geplant und gebaut – nach den Prinzipien eines sozialistischen Städtebaus, der die historischen Baufluchtlinien weitgehend ignorierte und stattdessen ein weiträumiges Zentrum mit verkehrsgerechter Erschließung schuf. Begonnen hatte das Gerickes Vorgänger als Chefarchitekt Hermann Henselmann, seine Nachfolger Joa­chim Näther und Roland Korn führten es fort.

In der Deutschen Bauakademie zu Berlin war Hans Gericke Stellvertreter des Institutsdirektors für Theorie und Geschichte der Architektur (1953–58), Direktor des Instituts für Städtebau (ab 1965) und – bis zu seiner Pensionierung 1982 – wissenschaft­licher Direktor des 1966 neu geschaffenen Instituts für Städtebau und Architektur (ISA). Er stellte die am ISA erarbeiteten Studien auf internationalen Kongressen vor, etwa auf der UNO-Habitat-Tagung in Vancouver und einer UNESCO-Beratung in New York, beide 1977, sowie auf zahlreichen Veranstaltungen der UIA.

Bei aller Planungsarbeit in der städtebaulichen Dimension ist Gericke immer wieder in den Archi­tekturmaßstab zurückgekehrt. So gewann er 1966 den ersten Preis im internationalen Wettbewerb für den Bahnhof in Sofia (mit Helmut Stingl). Und 1959 erreichten Hans Gericke, Josef Kaiser und Peter Schweizer mit ihrem Vorschlag eines Glaskuppelbaus für das DDR-Parlament, dass das lange von der Regierung geforderte Hochhaus endgültig ad acta gelegt wurde.
Fakten
Architekten Gericke, Hans, Berlin
aus Bauwelt 29.2012
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