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Mittelmäßiges ist hier lang genug gemacht worden!

Mönchengladbach und sein privat initiierter städtebaulicher Masterplan

Text: Escher, Gudrun, Xanten

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Mittelmäßiges ist hier lang genug gemacht worden!

Mönchengladbach und sein privat initiierter städtebaulicher Masterplan

Text: Escher, Gudrun, Xanten

In Mönchengladbach wird nicht demonstriert, sondern gehandelt. Statt nur den Unmut über Stückwerk und Stillstand in der Stadtentwicklung zu äußern, trat eine Gruppe örtlicher Architekten Ende 2010 die Flucht nach vorn an und gründete den Verein „MG3.0_Masterplan Mönchengladbach e.V.“.
Im März ist der Entwurf des städtebaulichen Masterplans dem Stadtrat zur Beratung vorgelegt worden. Erarbeitet hat ihn ein Team um Nicholas Grimshaw, Konrath + Wennemar, Düsseldorf, FSWLA Landschaftsarchitektur und Faltin + Sattler FSW Düsseldorf.
Ziel des Vereins „MG3.0“ war es, Mönchengladbach zu einem tragfähigen, perspektivischen Masterplan mit breitem Rückhalt in Wirtschaft und Gesellschaft zu verhelfen. Das überzeugte die IHK und zahlreiche Förderer. Sie trugen insgesamt 600.000 Euro zusammen, um das Unterfangen zu finanzieren – schwierig genug in einer Mittelstadt. Ebenso anspruchsvoll war es, den Prozess zu organisieren, im Zusammenspiel zwischen externen und internen Planern und den Mönchengladbachern selbst. Exakt zwei Jahre betrug der knapp bemessene Zeitrahmen bis zur Vorlage des Ergebnisses. Dass er eingehalten wurde, ist nur einer der bemerkenswerten Aspekte dieses Vorhabens, zeugt aber von der Zielstrebigkeit und Konsensfähigkeit aller Akteure.
Das „3.0“ im Vereinsnamen meint ausnahmsweise nicht eine neue digitale Dimension, sondern das Ziel einer „dritten Gründung der Stadt“ – nach den beiden ersten Gründungen der Teilstädte Mönchen-Gladbach und Rheydt und deren Zusammenschluss im Zuge der Kommunalreform 1975. Dass da auch nach Jahrzehnten nicht so recht zusammen­gewachsen ist, was zusammengehören sollte, ist eine der Ursachen für die Probleme der Stadt. Eine andere ist der Strukturwandel, denn die einst dominierende Textilwirtschaft existiert nicht mehr, und Fußball allein kann das Defizit nicht wettmachen. Ein Trostpflaster sind die Mönchengladbacher Abteilungen der Hochschule Niederrhein. Aus ihnen soll einmal ein Campus werden, ein Baustein auch im Masterplan.
Wichtiger als Vorschläge für einzelne Neubauten ist die Ausrichtung des Masterplans auf die Grundprobleme eines vielfach zerstückelten Stadtgefüges. Dafür wurden drei Zielrichtungen definiert, die die Gesamtstadt in den Blick nehmen und nicht nur den Altstadtkern. Erstens: Das Tal des Flüsschens Gladbach, das südlich des Abteibergs die Stadt in Ost-West-Richtung durchfließt, soll als große Linie erlebbar werden, mit Konsequenzen für alte und neue Baugebiete. Bisher tritt es nur marginal in Erscheinung. Zweitens: Das Hochschulviertel soll Stadt­räume verbinden, über die Barriere der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Bahnstrecke hinweg, und frühere Industriequartiere mit denkmalwertem Bestand einbeziehen. Drittens: Das Zentrum von Rheydt, einschließlich des Bahnhofs, soll seinen eigenständigen Charakter stärken und Rheydt mit der Gesamtstadt besser verbunden werden.
Daraus ergeben sich drei Grünzüge in Ost-West-Richtung, die sich mit den Straßenachsen in Nord-Süd-Richtung kreuzen und mit Fuß- und Radwegen kleinräumig vernetzen. In einer Reihe von Workshops und Bürger-Dialogen, Expertenanhörungen und Gesprächen mit Eigentümern sind die ersten Ideen modifiziert worden, um „den menschlichen Maßstab zu suchen“, wie es bei den Verantwortlichen hieß. So war es vielen Bürgern wichtig, die Orientierung in der Stadt zu verbessern und auch  Potenziale für neue Wohnquartiere ausfindig zu machen.
Noch ist der Masterplan kein neuer Rahmenplan. Aber, statt des anfänglich wohl intendierten großen Wurfs einer – unter heutigen wirtschaftlichen Bedingungen unerreichbaren – Zukunftsvision (geschmückt mit dem Label des berühmten Nicholas Grimshaw) wurden im Ergebnis Ansätze für kleine realistische Schritte sichtbar, ohne das Ganze aus den Augen zu verlieren. Der jetzt vorliegende Masterplan hat die Aufgabe erfüllt, bei Bürgern und Politik Augen und Ohren für die eigene Stadt zu öffnen. Aber der begonnen Dialog darf nicht abbrechen. Klar ist auch, dass die öffentliche Hand diese allein nicht stemmen kann. Das müssten letztlich die Unternehmen und die Stadtgesellschaft insgesamt leisten, lautete der Tenor des sogenannten „4. Dialogs“, bei dem der aktuelle Stand vorgestellt wurde. „Mittelmäßiges Zeug ist hier lang genug gemacht worden!“, so die einhellige Meinung. 

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