Bauwelt

Zweckform mit Humor

Ausstellung der Firma Wilkhahn über den Designer Walter Papst

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Papst-Möbel für Wilkhahn: Schaukelplastik (1961–68)
    Foto: © Wilkhahn Archiv

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    Papst-Möbel für Wilkhahn: Schaukelplastik (1961–68)

    Foto: © Wilkhahn Archiv

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    Modell 360/1 (1955–59)
    Foto: © Wilkhahn Archiv

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    Modell 360/1 (1955–59)

    Foto: © Wilkhahn Archiv

Zweckform mit Humor

Ausstellung der Firma Wilkhahn über den Designer Walter Papst

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Er gehört zu den unbekannteren deutschen Formgestaltern nach dem zweiten Weltkrieg: der Designer Walter Papst (1924–2008). Sein Werk war ebenso unkonventionell und frohgemut wie sein mit gleicher Haltung geführtes Leben. Das demonstriert derzeit eine multimediale Ausstellung der Firma Wilkhahn im Museum August Kestner in Hannover. Für Wilkhahn hat Papst in den 50er und 60er Jahren sehr eigenständige Produkte entworfen.
Dem international kanonisierten deutschen Design der Nachkriegsjahre haftet ja etwas verhalten Akademisches an. Wilhelm Wagenfeld etwa führte seine diskrete Tischkultur der Zwischenkriegsjahre zu neuer, hoher Blüte, brach aber nicht mit gutbürgerlichen Standards. Die Ulmer Schule wiederum predigte im asketischen Formentzug vorrangig den moralischen Neuanfang, in der DDR überwinterten in ideologischen Nischen Protagonisten einer später als nachhaltig identifizierten Produktkultur des Mangels. Kontrastierend choreografierte rund um den Nierentisch ein populäres Neo-Rokoko die unbedarfte Lebensfreude nach überstandener Katastrophe – in West wie Ost gleichermaßen.
Der Weg dazwischen, sowohl intellektuell reflektierend als auch sinnenfroh, forderte die undogmatisch individuelle Leistung. Walter Papst, in Kiel geboren, beschritt diesen Weg noch während seines Studiums an der dortigen Werkkunstschule. Ihm diente die rurale Urform des dreibeinigen Melkschemels als Vorbild für einen dreieckigen Brettstuhl von eher kräftigem Habitus, der zur spielerischen Benutzung, nicht zum disziplinierenden Sitzen animieren sollte. Dem wackelig Gezwungenen der grazilen Ameise von Arne Jacobsen setzte Papst die stabile Grunddisposition für alle erdenklichen Sitzhaltungen entgegen. Ein medizinisches Gutachten bestätigte die vielfältige Stützfähigkeit bei verschiedenen Positionen, empfahl gar die Verwendung im Schulbetrieb. In der 1907 gegründeten Stuhlfabrik Wilkhahn in Bad Münder am Deister fand Papst einen Hersteller, der das Dreibein ab 1952 produzierte, immer in kräftiger, meist monochromer Lackierung. Auch wenn der Einzug ins Klassenzimmer ausblieb, hielt sich der originelle Solitär lange Jahre im Programm des sich zunehmend auf Büro- und Konferenzeinrichtungen spezialisierenden Möbelwerks. 2007 gab es eine limitierte verbesserte Neuauflage, nun auch in klarmattiertem Massivholz.
Minimaler Naturalismus
Es verwundert nicht, dass sich Walter Papst auch mit den konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten moderner Kunststoffe beschäftigte. Sein ikonisches Statement dazu: die Schaukelplastik, ein stilisiertes Pferd, wiederum in kräftigen Primärfarben – nun in durchgefärbtem Werkstoff –, das Wilkhahn ab 1961 produzierte. Anders als das traditionelle Schaukelpferd aus Holz war es leicht und formal so abstrahiert, dass es zum erweiterten Gebrauch ermunterte, es konnte an den weißen Stangengriffen oder am quastartigen schwarzen Schweif hinterhergezogen werden. Erwartungsgemäß irritierte sein minimaler Naturalismus die Ulmer Zunft.
Es folgten 1961 eine über zwei Meter lange Parkbank aus glasfaserverstärktem Polyester – weiße Wolken im öffentlichen Freiraum – und 1968 eine verstellbare Sitz- und Liegeeinrichtung mit Wetterschutzhaube: die Neuinterpretation des Küstenklassikers Strandkorb. Ihre drei gelenkigen Teile paraphrasierten die Silhouette gesetzter Segel und ließen sich bis zu einer offenen Sonnenliege auseinanderklappen. Allerdings wurde sein leichtes Gewicht dem blau-weißen Maritimer zum Verhängnis: Bei unerwartet hohem Wasserstand wurde er einfach fortgespült, während die schwere, traditionelle Variante aus Holz und Flechtwerk ortsstabil verharrte.
Mit einsetzender Postmoderne zog sich Walter Papst zurück. Altdeutsch entwerfen wolle er nun nicht, so sein Kommentar. Er frönte dem Karneval in seiner Wahlheimat Köln, publizierte zu mythologischen und utopischen Flugobjekten, lebte in seinen bunt ausgemalten, überquellenden Domizilen in Köln und Frankreich. Walter Papst war kein Vertreter einer professionell willfährigen Coolness. Das macht Werk und Person heute zu einer neu zu entdeckenden Instanz.
Fakten
Architekten Papst, Walter (1924–2008)
aus Bauwelt 32-33.2015
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