Bauwelt

American Perspectives

Zeichnungen amerikanischer Architekten im Berliner Museum für Architekturzeichnung

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Achilles Rizzoli. Ein bildhaftes Porträt von Janet M. Peck: La Regina Della Vista Dolores, 1937
    Achilles Rizzoli

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    Achilles Rizzoli. Ein bildhaftes Porträt von Janet M. Peck: La Regina Della Vista Dolores, 1937

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    Scott Tulay, Kohlefeuerung, 2009
    Abbildung: © Scott Tulay

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    Scott Tulay, Kohlefeuerung, 2009

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    Hugh Ferriss, Auf Versicherung gegründet, 1920er Jahre
    Hugh Ferriss

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    Hugh Ferriss, Auf Versicherung gegründet, 1920er Jahre

    Hugh Ferriss

American Perspectives

Zeichnungen amerikanischer Architekten im Berliner Museum für Architekturzeichnung

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Zeichnende Architekten gab und gibt es viele; gelernte Architekten jedoch, die sich ganz aufs Zeichnen verlegen, nur wenige. Der berühmteste – jedenfalls in der Moderne und abgesehen von Piranesi – ist Hugh Ferriss. Ihm verdanken wir nicht die Wiedergabe konkreter Bauten, sondern das Bild – heutzutage würde man „ikonisch“ sagen – der modernen Hochhausstadt. Ferriss’ Buch The Metropolis of Tomorrow von 1929, erschienen kurz vor dem Börsenkrach, der solche Utopien binnen Wochenfrist alt aussehen ließ, hat das Image der amerikanischen Stadt geprägt. Nebenbei bemerkt, ohne Ferriss wäre die Ausstattung der Batman-Filme, angesiedelt im finsteren Gotham City, kaum denkbar.
Gleich fünf Zeichnungen von Ferriss sind jetzt im Berliner Museum für Architekturzeichnung zu sehen. Sie überspannen die Zeit zwischen 1916 und den 50er Jahren. Ferriss, geboren 1889 und ausgebildet an der Washington-Universität in St. Louis, starb 1962, zu einer Zeit, da der International Style Ferriss’ stets auch abgründige Fan-tasien ganz und gar aufgelöst hatte in der tiefenlosen Helligkeit der Schuhschachtelhochhäuser. Hierzulande ist er ein Unbekannter geblieben, zumal seine große Zeit in die Epoche der so ganz anderen Bauhaus-Moderne fällt. Was Ferriss zeichnete, folgt dem nach dem New Yorker Zonierungsgesetz von 1916 gängigen Schema der gestuften Hochhäuser, das lichtlose Straßenschluchten wie die – ebenfalls von ihm dargestellte – Wall Street künftig vermeiden sollte.
Zwei Epochen der amerikanischen Architekturzeichnung will die Ausstellung unter dem Titel American Perspectives: from Classic to Contemporary herausstellen, die Sergei Tchoban, der Gründer der nach ihm benannten Stiftung mit dem Museumsbau am Berliner Pfefferberg, selbst eingerichtet hat. Zum einen die klassische Moderne, für die neben Ferriss vor allem Frank Lloyd Wright steht, dessen japanisch inspirierte Landhausstudie von 1910 den Auftakt der Ausstellung markiert. Und zum anderen die Gegenwart, die hier allerdings von den 1980er Jahren an bis heute datiert. Ins Auge springen dabei die kolorierten Blätter von Michael Graves zu seiner Bibliothek in Denver, einem Hauptwerk der Postmoderne von 1993. Etwas unscheinbarer sind die Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Paul Stevenson Oles – Tchoban nennt ihn den „Nachfolger von Ferriss“ – für I.M. Pei, beginnend mit einer nächtlichen Ansicht der Glaspyramide des Grand Louvre in Paris von 1984. Dreizehn Jahre später zeichnete Oles den Entwurf von Pei für den Anbau zum Berliner Zeughaus, der die Wechselausstellungsräume des Deutschen Historischen Museums aufnimmt.
Doch die Wiedergabe konkreter Bauvorhaben und -entwürfe ist in der Ausstellung nur ein Nebenaspekt. Im Vordergrund steht die freie Zeichnung, die nicht notwendigerweise wie bei Ferriss mögliche Bauten darstellt, sondern durchaus auch in den Bereich des Fantastischen ausgreifen kann. Musterbeispiel dafür ist Lebbeus Woods (1940–2012), dem das Berliner Museum bereits eine Einzelausstellung gewidmet hat (Bauwelt 36.2014). Bei Michael Sorkin wird aus der Zeichnung ein aus zehn Tafeln zusammengesetztes, farbiges Wandbild. Überraschend ein Aquarell von Thomas W. Schaller, From the City von 1990, in dessen präzise dargestellten Bauten man unter anderem die beiden berühmten Türme zur Frischwasserentnahme zu erkennen meint, die im Stausee Lake Mead bei Las Vegas mitten im Wasser stehen und bei der derzeitigen Trockenheit nahezu vollständig zu sehen sind.
Die Zeichner der Jetztzeit sind durchweg Mitglieder der American Society of Architectural Illustrators (ASAI), einer weltweit einmaligen Vereinigung, der sich Tchoban als auswärtiges Mitglied besonders verbunden fühlt. Die Gesellschaft lobt alljährlich einen – natürlich nach Hugh Ferriss benannten – Preis aus, und mehrere der in Berlin vorgestellten Architekten-Zeichner haben diesen Preis bereits gewonnen. Zu Ferriss’ Zeiten gab es einen vergleichbaren Preis nicht; die zeichnerische Visualisierung von Entwürfen war selbstverständlich. Dafür steht – zurück zum Anfang der Ausstellung – der Architekt Lloyd Morgan, Mitarbeiter im Büro Schultze & Weaver, der wohl als Schöpfer des von ihm selbst 1930 auf einem großartigen Blatt dargestellten Waldorf Astoria Hotels in New York gelten darf – das zu seiner Zeit weltweit höchste Hotelgebäude. Bezeichnenderweise hatte Morgan an der Pariser Ecole des Beaux-Arts studiert, deren Einfluss auf die amerikanische Hochhausarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts kaum überschätzt werden kann. Es sei daran erinnert, dass Hugh Ferriss seine erste Anstellung als Zeichner im Büro von Cass Gilbert hatte, dem Urheber des neugotischen Woolworth Building von 1913.
Im Gegensatz zu Ferriss’ Berühmtheit steht Achilles Rizzoli: Seine Zeichnungen wurden erst Jahre nach seinem Tod (1981) entdeckt und seither unter anderem bei der Biennale von Venedig gezeigt. Die Tchoban Foundation, aus deren Bestand alle älteren Werke der Ausstellung stammen, kann mit einem wahrlich mirakulösen Blatt aufwarten: dem Bildhaften Porträt von Janet M. Peck von 1937, einer gezeichneten Collage höchst eigenwilliger Baufantasien. Man fühlt sich ins 16. Jahrhundert versetzt, als Maler wie Brueghel den Turmbau zu Babel imaginierten. Die schönsten Bauwerke, das macht die Ausstellung deutlich, sind jene, die nicht nur nicht gebaut wurden, sondern, mehr noch, niemals hätten entstehen können.

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