Projektraum in ehemaliger Bedürfnisanstalt in Halle
Bauwelt-Preisträger 2025: Tim Mahn
Text: Mahn, Tim, Berlin
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Das Bedürfnis nach der Sanierung im Jahr 2023 ...
Foto: Das Bedürfnis e.V.
Das Bedürfnis nach der Sanierung im Jahr 2023 ...
Foto: Das Bedürfnis e.V.
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... und davor in 2021.
Foto: Tim Mahn
... und davor in 2021.
Foto: Tim Mahn
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Das Baudenkmal war über 50 Jahre lang von Leerstand und Verfall betroffen ...
Foto: Daniel Walcher
Das Baudenkmal war über 50 Jahre lang von Leerstand und Verfall betroffen ...
Foto: Daniel Walcher
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... und ist heute eine Plattform für Ideen, Diskurs und Austausch.
... und ist heute eine Plattform für Ideen, Diskurs und Austausch.
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Oberlicht und ...
Foto: Tim Mahn
Oberlicht und ...
Foto: Tim Mahn
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... Glastür holen Tageslicht ins Gebäude ....
Foto: bekko.art/Adrian Gross
... Glastür holen Tageslicht ins Gebäude ....
Foto: bekko.art/Adrian Gross
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... und lassen es nach außen wirken.
Foto: Kristian Gohlke
... und lassen es nach außen wirken.
Foto: Kristian Gohlke
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Tim Mahn arbeitete nach dem Master bei cappellerarchitekten in Halle (Saale), bevor er 2020 sein Büro gründete. Seitdem konnte er eigenverantwortlich und in Kooperation vielfältige Projekte bearbeiten. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden.
Tim Mahn arbeitete nach dem Master bei cappellerarchitekten in Halle (Saale), bevor er 2020 sein Büro gründete. Seitdem konnte er eigenverantwortlich und in Kooperation vielfältige Projekte bearbeiten. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden.
Als Beitrag zur aktiven Stadtentwicklung sicherte der Verein Das Bedürfnis e.V. das wahrscheinlich kleinste Baudenkmal der Stadt Halle (Saale), baute es um und füllte es wieder mit Leben. Das Gebäude auf der Merseburger Straße, entworfen vom damalige Stadtbaurat Carl Rehorst im Jahr 1902, stellt die einzige erhaltene Bedürfnisanstalt aus seiner Amtszeit dar. Das Umbaukonzept bewegt sich im Spannungsfeld zwischen maximalem Substanzerhalt, größtmöglicher Öffentlichkeit und Flexibilität. Auf Grundlage von Befunduntersuchungen wurden die erhaltenen Bauteile aufbereitet, wobei die Spuren der Zeit ablesbar geblieben sind. Die neuen Elemente heben sich hingegen deutlich vom Bestand ab. Die Fassaden betrachteten wir differenziert und behandelten sie entsprechend dem jeweils vorgefundenen Zustand. Nach einer statisch-konstruktiven Sicherung des teilweise stark beschädigten zweifarbigen Sichtmauerwerks entschieden wir, die Südfassade unbehandelt zu belassen. Das Mauerwerk der Ostfassade musste aufgrund erheb-licher Schäden, die ein früherer Zementputz verursacht hatte, mit einer Kalkschlämme vor weiterem Verfall geschützt werden. Die Fenster wurden repariert und nach restauratorischer Befundung instandgesetzt, fehlende Dachziegel durch historische Biberschwanzziegel ersetzt. Der Ausstellungsraum erhielt durch die Entfernung einer Innenwand eine großzügigere Wirkung. Die vorhandene Rabitzwand trennt nun den nördlichen Eingangsbereich, der in historischem Zustand erhalten blieb, vom neu entstandenen Ausstellungsraum. Zur Verbesserung der Außenwirkung setzten wir eine Glastür an die Stelle des ehemaligen Fraueneingangs ein. Das ehemalige Oberlicht wurde in verzinktem Stahl und Glas neu interpretiert. Trotz geringer Grundfläche bietet der Raum dank einer Höhe von bis zu 3,50 Metern vielfältige Nutzungsmöglichkeiten.
Wie kamen Sie zu dem Umbau der ehemaligen Bedürfnisanstalt?
Mein damaliger Mitbewohner und ich sind unabhängig voneinander bei Stadterkundungen auf das leerstehende Objekt aufmerksam geworden. Bei einem Kaffee auf dem Balkon haben wir dann beschlossen, uns gemeinsam für die Revitalisierung des Gebäudes einzusetzen. Schnell konnten wir weitere Mitstreiterinnen für das Projekt gewinnen, den Verein „Das Bedürfnis e.V.“ gründen und die Stadt als Eigentümerin des Gebäudes von unserem Konzept überzeugen. Schließlich erwarben wir das Grundstück mit Mitteln aus einer Crowdfunding-Aktion und konnten das Gebäude mit Unterstützung vieler Menschen und Förderinstitutionen sanieren und reaktivieren. Ich durfte den gesamten Prozess als Architekt begleiten.
Eine Galerie in zuvor anders genutzten Gebäudetypologien zu integrieren, ist eine beliebte Praxis. Wurden vor der Umsetzung auch andere Nutzungsideen durchgespielt?
Die Idee, einen Projektraum zu schaffen, formte sich recht schnell nach der Entscheidung, das Gebäude entwickeln zu wollen. Ich hätte es mir auch als Büro vorstellen können, was aber nicht dem gewünschten öffentlichen Charakter entsprach. Schön zu sehen ist, wie vielfältig die Künstlerinnen und Künstler den offenen Raum seither interpretiert haben. Das Bedürfnis verwandelte sich z.B. bereits in ein Nachbarschaftscafé, einen Pop-Up-Friseur, ein Pflanzenhaus, ein Bastelparadies, eine Metallgießerei, eine Küche und einen Kiosk.
Als Baudenkmal ist das kleine Gebäude denkmalgeschützt; es ist über einhundert Jahre alt. Wie haben Sie die Arbeit an der kleinen Ikone wahrgenommen, welche Auflagen gab es von Seiten des Denkmalschutzes, und wo lagen aus Sicht des Architekten die größten Herausforderungen?
Die Arbeit an der kleinen Ikone empfand ich als facettenreich und bereichernd, und ich bin froh, dass ich das Projekt in solch einer Tiefe bearbeiten konnte. Bei nahezu jeder Begehung traten neue bauhistorische oder baukonstruktive Details zutage. Die Besonderheit dieser Bauaufga-be war in allen Gesprächen mit Beteiligten sowie im Interesse von Außenstehenden spürbar. Der Denkmalschutz war dem Projekt von Anfang an wohlgesonnen. Es ging schließlich um den Erhalt eines Gebäudes, das vorher über Jahrzehnte dem Verfall preisgegeben war. Auch der Ansatz, möglichst viele Bauelemente zu bewahren, wurde positiv aufgenommen. Lediglich über die gestalterische Umsetzung gab es hin und wiederunterschiedliche Ansichten, die jedoch offen diskutiert und verhandelt werden konnten. Die größten Herausforderungen ergaben sich aus dem begrenzten Raumangebot. So machen die städtischen Versorgungsunternehmen zum Beispiel keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Gebäuden, daher sind die notwendigen Anlagen für Strom und Wasser äußerst überdimensioniert für ein so kleines Haus. Dies erforderte ab und zu unkonventionelle Lösungen. Auchdie Baustellenorganisation stellte bei so wenig Platz eine Herausforderung dar.
Wie wurde das Projekt von den Bürger:innen angenommen?
Von Beginn an begegneten die Anwohnenden dem Projekt mit großer Neugier. Besonders äl-tere Menschen erzählten häufig, dass sie die Bedürfnisanstalt noch in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt hatten. Das teilweise Unverständnis hinsichtlich der Notwendigkeit der Maßnahme, ging mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten spürbar zurück. Heute bemühen wir uns als Verein aktiv darum, Bürgerinnen und Bürger direkt anzusprechen und zur Beteiligung zu ermutigen. Daher finden im Bedürfnis zunehmend Veranstaltungen mit partizipativem Ansatz statt, die gut angenommen werden.
Sie haben das „Bedürfnis“ von körperlicher auf kulturelle Dringlichkeit verlagert. Wieso gibt es keine öffentliche Toilette in der Galerie?
Die Frage wird tatsächlich häufig gestellt, was auch zeigt, dass der Bedarf an öffentlicher Infrastruktur dieser Art weiterhin hoch ist. Der begrenzte Raum im Gebäude lies es aber leider nichtzu, eine zusätzliche Toilette vorzusehen, ohne auf gemeinschaftlich genutzten Raum verzichten zu müssen. Dank einer Kooperation mit dem benachbarten Dönerimbiss ist dieses Bedürfnis aber dennoch abgedeckt.
An welchem Projekt arbeiten Sie gerade?
Zuletzt bin ich verstärkt in Lehr- und Forschungstätigkeiten an der TU Dresden eingebunden. Parallel arbeite ich im Büro gemeinsam mit Architektenkollegen an der Reaktivierung eines ehemaligen Rittergutes sowie an der denkmalgerechten Sanierung einer gründerzeiltlichen Villa für ein wunderbares soziokulturelles Zentrum
in Halle.
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