Bauwelt

Der Formsammler

Walter-Dexel-Ausstellung in Braunschweig

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Merkblatt zur Richtungsbezeichnung der Hauptverkehrsstraßen, um 1925


    © Nachlass Walter Dexel

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    © Nachlass Walter Dexel

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    Friedrich der Schöne und sein Urenkel, 1932
    © Nachlass Walter Dexel

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    Friedrich der Schöne und sein Urenkel, 1932

    © Nachlass Walter Dexel

Der Formsammler

Walter-Dexel-Ausstellung in Braunschweig

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Im letzten November überraschte eine 1923 entstandene, konstruktivistische Komposition von Walter Dexel auf einer Berliner Auktion. Die Arbeit wurde mit 30.000 Euro aufgerufen und für 381.000 Euro verkauft. Man könnte dies als Rehabilitierung von Dexels frühem Werk lesen. Walter Dexel (1890–1973) war ein in vielen Disziplinen schöpferisches Talent. Er geriet, wie nicht wenige Zeitgenossen, in die ideologischen Verstrickungen des 20. Jahrhunderts und zog es über lange Zeit vor, sich von seiner künstlerischen Arbeit der 20er Jahre zu distanzieren. Das städtische Museum Braunschweig widmet Dexel derzeit eine Werkschau mit rund 150 Exponaten, die wesentliche Facetten seines Schaffens anreißt. International renommiert, wohl einzigartig in ihrer typologischen Systematik und zentral in Dexels Biografie ist die Formsammlung handwerklichen und industriellen Gebrauchsgutes des Museums, deren Grundstock er während der NS-Zeit legte.
Walter Dexel studierte Kunstgeschichte, unter anderem bei Heinrich Wölfflin, der eine vergleichende Formwissenschaft vertrat. Während des Studiums begann er autodidaktisch mit Malerei und Druckgrafik; Einzel- und Gruppenausstellungen folgten. Als Ausstellungsleiter des Jenaer Kunstvereins kam er in Kontakt mit der internationalen Avantgarde und dem Bauhaus. Ludwig Mies van der Rohe skizzierte 1925 ein Wohnhaus für ihn. Die eigene Malerei schränkte Dexel zunehmend ein, auf die angewandte Kunst sowie für wissenschaftliche und pädagogische Aufgaben. Seine letzte Einzelausstellung in Deutschland fand 1925 statt, 1927 beteiligte er sich noch am „Kabinett der Abstrakten“ von El Lissitzky im Provinzialmuseum Hannover.
Für Ernst Mays Neues Frankfurt entwickelte Dexel um 1927 eine Reklameordnung, er empfahl z.B. einheitlich hohe Bänder über den Schaufenstern, entwarf Leuchtreklamen an Straßenlaternen und illuminierte Webesäulen. Bis heute Standard: die von Dexel entwickelte Richtungsbezeichnung für Verkehrsstraßen. Seine zahlreichen Bucheinbände in plakativer Geometrie und mit großen serifenlosen Schriften reihen sich nahtlos ein in die zeitgleichen Entwürfe etwa von Kurt Schwitters oder der Bauhausbücher. Zusammen mit seiner Frau Grete veröffentlichte er 1928 das Buch, „Das Wohnhaus von heute“. Während seiner Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg verfestigte sich Dexels Auffassung, dass für die Ausbildung des modernen Handwerkers eine künstlerische Erziehung wesentlich sei, er eine theoretische Kenntnis der Form haben müsse. Als Anschauungsmaterial einer vergleichenden Formlehre schwebte ihm eine nationale Belegsammlung vorbildlichen Handwerksgutes vor.
Obwohl Dexel in die NSDAP eingetreten war, gerieten zwei seiner Bilder 1937 in die Ausstellung Entartete Kunst. Ihre Entfernung konnte er per Distanzierung von seiner Malerei erreichen. Zudem konkretisierte er seine Idee einer Lehrschau, nun im Kontext der SS-Forschungsgemeinschaft „Deutsches Ahnenerbe“: Die Volksform, das vom echten Handwerk der Vergangenheit geschaffene, einfach-schlichte Formgut galt als der verfemten akademischen Stilform überlegen. Im ideologischen Klima Braunschweigs erhielt Dexel optimale Bedingungen: eine Beamtenstelle, weitläufige Ausstellungsräume, umfangreiche Finanzmittel. Unter anderem in den besetzen Niederlanden, in Frankreich und Belgien fand er einen wohlsortierten Kunst- und Antiquitätenhandel, bezahlte anstandslos, ohne den Preis zu verhandeln. Nach 1945 wurde Dexel entnazifiziert, konnte 1946 die Leitung der nun Formsammlung genannten Institution fortsetzen und an der Werkkunstschule, der späteren HbK, lehren. Sein Sohn Thomas übernahm 1955 die Aufgaben. Er erweiterte die Sammlung um zeitgenössisches Design auf geschätzte 5500 Objekte; ihr problematischer Kern wird seit 2012 einer Provenienzforschung unterzogen.
Leider sind nur marginale Teile der Formsammlung in die Dauerausstellung des städtischen Museums Braunschweig aufgenommen. Ihr langjähriger Aufstellungsort, eine Villa in der Nähe, fiel 2003 der Privatisierung städtischer Liegenschaften zum Opfer.

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