Bauwelt

Der Wert unserer zweiten Haut

Wohnen wird immer teurer, sich anziehen – wenn man es darauf anlegt – immer billiger. Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nimmt sich der Schattenseiten der Mode an

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Rana-Plaza-Textilfabrik, April 2013
    Foto: Taslima Akhter

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    Rana-Plaza-Textilfabrik, April 2013

    Foto: Taslima Akhter

Der Wert unserer zweiten Haut

Wohnen wird immer teurer, sich anziehen – wenn man es darauf anlegt – immer billiger. Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nimmt sich der Schattenseiten der Mode an

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Ein Kleidchen für 7, ein Top für 3, eine Jeans-Shorts im used look für 13 Euro. Das sind Preise der aktuellen Sommermode eines irischen Billiganbieters, der gut 250 Filialen in Europa betreibt. Eine designkritische Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe geht den globalen Produktions- und Konsummechanismen in der Textilwirtschaft, vor allem in der kurzlebigen Fast Fashion nach und reißt auch Tendenzen ethischer Produktkultur an, die aber (noch) keine wirklichen Alternativen bieten.
Die Fast Fashion hat seit den 90er Jahren mit beschleunigten Zyklen die Nachfrage radikalisiert. Statt traditionell vier bis sechs Kollektionen pro Saison wie in der höherwertigen Konfektion werden nun zwölf und mehr in die Billigfilialen gespült. Statistisch werden in Deutschland pro Kopf jährlich 27 kg neuer Bekleidung gekauft, knapp 15 kg landen im Gegenzug in der Altkleiderverwertung. Nur sehr gute Stücke werden aussortiert und weitergehandelt, der Rest tritt, wie schon bei der Herstellung, eine lange Reise um die Welt an. Hat eine Jeans vom Design in Europa über Fertigungs- und Veredelungsprozesse in Asien rund 25.000 km bis zum europäischen Kunden zurückgelegt, so sind es nach Gebrauch 17.000 km zum Altkleidermarkt in Afrika. Oder es geht gleich zum Recycling nach Indien.
Dass derartig diversifizierte und anonymisierte Wertschöpfungsketten Intransparenz und Missbrauch provozieren, überrascht nicht. Aber es sind nicht nur die großen Katastrophen wie 2013 der Einsturz der Rana Plaza Textilfabrik in Bangladesch mit weit über tausend Opfern, es sind strukturelle soziale wie ökologische Missstände, die unser westlicher Billigkonsum den Schwellen- und Entwicklungsländern beschert. Hier wiederholt sich im Zeitraffer und mit modernem Gefahrenpotenzial, was Kontinentaleuropa im Zuge der Industrialisierung durchlebte. Dieses trockene und in seinen Bilddokumenten oft beklemmende Thema breitet die Hamburger Ausstellung intelligent in sieben Stationen auf; die Ausstellungsarchitektur greift zu Elementen der Textilpräsentation wie Laufsteg, Hohlkehle der Fotostudios oder Schaufenster.
Anders als Papier, Glas, Kunststoffe oder auch Metalle der Baustoffindustrie liefern zu sogenannten Regeneratfasern recycelte Textilien nur minderwertiges Ausgangsmaterial, etwa für die grauen Decken indischer Fertigung der weltweiten Katastrophenhilfe. Ein Slow-Fashion-Labor zeigt Versuche zu alternativer Material- und Produktkultur. Sicher, statt Chemie können Olivenöl oder Rhabarber zur Ledergerbung eingesetzt werden, oder man greift gleich zur Lachshaut hoffentlich nachhaltiger Zucht. Fasern lassen sich auch aus Milch oder Algen gewinnen statt aus riesigen, ökologisch desaströsen Baumwoll-Monokulturen. Und in Berlin hat sich eine Upcycling-Szene etabliert, die abgelegte (gute) Textilien zu neuer Mode veredelt. Dies sind aber nur partielle Ansätze für eine Klientel, die bereit ist, ihr Gewissen mit etwas höheren Ausgaben für Bekleidung zu beruhigen. Denn, das zeigen Ausstellung und materialreicher Magalog: auch bei einem T-Shirt der Slow Fashion bleibt der Lohnanteil mit drei Prozent skandalös niedrig, während Handel und Gewinn sich gegenüber der Fast Fashion vervierfachen.

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