Die Kathedrale in der Kunst
Das Wallraf-Richartz-Museum zeigt den Weg eines Bildmotivs von der Romatik bis heute
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Die Kathedrale in der Kunst
Das Wallraf-Richartz-Museum zeigt den Weg eines Bildmotivs von der Romatik bis heute
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Eine Ausstellung zum Thema der Kathedrale als Motiv der Kunst ausgerechnet in Köln zu ver-anstalten heißt, Eulen nach Athen zu tragen. Aus dem dritten Geschoss des Wallraf-Richartz-Museums blickt der Besucher durch ein seitlich der ansonsten strikt eingehaltenen Gebäudeachse liegendes Panoramafenster auf den Kölner Dom, diesen Höhepunkt, diese Quintessenz der Kathedralgotik. Was soll ihm da noch die Kunst? Allenfalls beschreibt sie den Weg, der bis zur Vollendung des Domes an einem Oktobertag des Jahres 1880 zu gehen war. Die aus dem französischen Rouen übernommene Ausstellung
Kathedrale. Romantik – Impressionismus – Moderne bleibt unentschieden, ob sie nun eine primär kunsthistorische sein will oder doch eher die Architekturgeschichte unterfüttert. Denn wenn Claude Monet, einer der Mitschöpfer des Impressionismus, in seiner Serie der Kathedrale von Rouen zwar das Motiv der Westfassade verwendet, aber doch auf etwas anderes, nämlich die unterschiedlichen Licht- und Farbstimmungen zielt, dann ist das mit der präzisen Widergabe von Bauplänen der Kölner Bischofskirche nicht umstandslos vergleichbar.
Kathedrale. Romantik – Impressionismus – Moderne bleibt unentschieden, ob sie nun eine primär kunsthistorische sein will oder doch eher die Architekturgeschichte unterfüttert. Denn wenn Claude Monet, einer der Mitschöpfer des Impressionismus, in seiner Serie der Kathedrale von Rouen zwar das Motiv der Westfassade verwendet, aber doch auf etwas anderes, nämlich die unterschiedlichen Licht- und Farbstimmungen zielt, dann ist das mit der präzisen Widergabe von Bauplänen der Kölner Bischofskirche nicht umstandslos vergleichbar.
Das Gegenstück zum späten Kölner Glück – der Dom benötigte bis zu seiner Vollendung sage und schreibe 632 Jahre – ist in der Ausstellung die Zerstörung der Kathedrale von Rheims durch deutsche Truppen im Ersten Weltkrieg – die Brandschatzung der Krönungskirche der französischen Monarchie. Sie ist denn auch vielfältig, wenngleich auf künstlerisch dürftigem Niveau dargestellt, um nicht zu sagen ausgemalt worden. Eindrucksvoll ist einer der Wasserspeicher, den erst Violett-le-Duc, der Gotik-Vollender in Diensten des dritten Napoleon wie auch der anschließenden dritten Republik, an der bis dato arg ramponierten Kirche anbringen ließ. Als die schweren Bleidächer durch Feuer schmolzen, floss Blei durch derlei Gargoyle, um in ihnen wie ein Lavastrom zu erkalten. Ein solcher Wasserspeier ist in Köln zu sehen, und mehr braucht es nicht, dem Schrecken des Krieges Ausdruck zu verleihen.
Nationales Glück, nationales Unglück: Was wäre da künstlerisch noch zu sagen? Dass Im- wie Expressionisten sich gern an das Motiv der Kirche-Kathedrale hielten, naheliegenderweise, so sie nicht Schornsteine bevorzugten. Dass die Romantik im Motiv der Kathedrale ein Sinnbild sei’s nationaler, sei’s supranationaler Geschlossenheit imaginiert, ob bei Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus oder Carl Blechen. Dass die Franzosen, auf Victor Hugos Spuren, eher das romantisch-übersinnliche Dunkel der Kathedrale suchten, wie es am besten in den Radierungen von Charles Meryon zur Jahrhundertmitte zum Ausdruck kommt. Übrigens ist Victor Hugos Originalhandschrift des Romans Notre-Dame de Paris von 1831, zu einem mächtigen Folianten gebunden, zu sehen, eine wirklich einmalige Ausleihe aus der Bibliotèque national der französischen Hauptstadt.
Dass es eine künstlerische Beschäftigung mit dem Sujet der Kathedrale auch jenseits roman-tischer Schwärmerei geben konnte, wird an einem, im Kontext der Ausstellung völlig verein-zelt dastehenden Gemälde deutlich: John Constables Ansicht der „Kathedrale von Salisbury, vom Garten des Bischofs aus gesehen“, aus der Zeit um 1825. Constable hat diese nationale Ikone mehrfach gemalt, sie ist auch in der derzeitigen Retrospektive dieses englischsten aller englischen Maler im Londoner Victoria & Albert Museum zu sehen. Die hier gezeigte Version kommt aus New York und hätte es verdient, zumindest eine eigene Wand dieser denn doch etwas übervollen Ausstellung gewährt zu bekommen. Constable malt in pastoraler Ruhe, ihm gelingt das Paradox einer vergangenheitsgesättigten Ansicht ohne jede Geschichtstümelei.
Dass die zeitgenössische Kunst in einer solchen Überblicksausstellung vertreten sein muss, versteht sich, und so erträgt man die bekannten Warhol & Co, die doch zum Sujet nichts Neues oder gar Bedeutendes beizutragen haben. Stattdessen gehe man auf Erkundungstour zum realen Kölner Dom. Da erblickt man, als riesengroßes Fenster des Südschiffs, das Farbquadratmuster Gerhard Richters – und staunt, wie gut es sich in den hochgotischen Bau einfügt. Man könnte sich interpretatorisch zu der Aussage aufschwingen, der Abstraktionsleistung der gotischen Architektur entspreche die geometrisch abstrakte Arbeit Richters aufs Passendste.
0 Kommentare