Die andere Ansicht
Ausstellung des M:AI über Dachtragwerke und ihre Ingenieure
Text: Escher, Gudrun, Xanten
Die andere Ansicht
Ausstellung des M:AI über Dachtragwerke und ihre Ingenieure
Text: Escher, Gudrun, Xanten
„Die fünfte Ansicht – Von Gewölben, Schalen, Kuppeln, Dächern und ihren Ingenieuren“, heißt die neuesten Ausstellung des M:AI, des Museums für Architektur und Ingenieurkunst NRW. Sie könnte, aus Architektenperspektive, auch heißen: Die andere Ansicht. Denn es waren vor allem Ingenieure, die zusammen mit der Kuratorin des M:AI Ursula Kleefisch-Jobst das Konzept und die Auswahl der gezeigten Bauwerke erarbeiteten: Michael Fastabend, Vorstand der Ingenieurkammer-Bau NRW (die mit der Ausstellung ihr 20-jähriges Jubiläum begeht), Wilfried B. Krätzig, Spezialist für die Berechnung von Schalendächern, Herbert Schmidt, der gerade den Stahlbaupreis 2014 für sein Lebenswerk verliehen bekam, und Ewald Bubner, der bei Frei Otto promoviert und in Essen das Institut für leichte Flächentragwerke aufgebaut hat (die jüngste Disziplin dort ist der Membranbau).
Ihre Sicht auf die wichtigsten Bauten unter ingenieurtechnischem Blickwinkel fügt der Bauhistorie keine wesentlich neuen Aspekte hinzu. Vor allem nicht der älteren, vom Pantheon bis zum kleinen Sportpalast von 1956 in Rom, weil, soweit die Urheber überhaupt bekannt sind, hier der „Ingenius“ zum Werk gehört – Bruneleschi zur Florentiner Domkuppel, George Bähr zur Dresdner Frauenkirche, Pier Luigi Nervi zum Sportpalast. Anders in jüngerer Zeit: Meist bleibt nur der entwerfende Architekt im Gedächtnis haften und nicht die Ingenieure, die den Entwurf Realität werden ließen. Deren Leistung zu verdeutlichen, ist Ziel der Ausstellung. Deshalb fokussiert sie auf besondere Tragwerke: steinerne Kuppeln, Glasarkaden, Membranschirme, Holzgewölbe.
Herausragend ist der Ausstellungsort, das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen. Da das M.AI kein eigenes Haus hat, quartiert es seine Ausstellungen anderswo ein, wenn möglich in Gebäuden, die zum Thema passen. So auch hier, denn Kern des runderneuerten Hans-Sachs-Hauses (Bauwelt 37.2013) ist das offene „Bürgerforum“, das hinter der erhaltenen historischen Fassade bis unter das Glasdach auf Stahlträgern in luftiger Höhe hinaufreicht. Hier breitet die Ausstellung die Historie entlang einer Zeitachse auf Tischen aus, mit Querbezügen zu den Darstellungen neuerer Einzelobjekte unter aufgeständerten Satteldächern; die „Dächer“ sind Träger für Fotos von Untersichten in Kuppeln und Dächer (Ausstellungsarchitektur: Martin Sinken, Köln, und Lobdesign, Wuppertal). Im Unterschied zu dem Dach über dem Bürgerforum, das zwar beeindruckend ist, aber keine außergewöhnliche technische Herausforderung darstellte, können die etwa vierzig ausgestellten Beispiele dies für sich sehr wohl in Anspruch nehmen: ob nun das gebogene, röhrenförmige Dach über der Waterloo Station in London, wo die Züge vom Kontinent ankommen (Ingenieure: YRM Anthony Hunt Associates, Sir Alexander Gibb & Partners), oder das Dach der Fußballarena für den Gelsenkirchener Verein Schalke 04, dessen Stahlkonstruktion auf Bergsenkungsgebiet steht und den dynamischen Beanspruchungen des fahrbaren Rasens und des aufschiebbaren Dachs standhalten muss (HBG Engineering, Rijswijk, und Teschner Ingenieure, Kosel). Gudrun Escher
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