Bauwelt

Dieter Bartetzko

1949–2015

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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    Foto: Wolfgang Eilmes, FAZ

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Dieter Bartetzko

1949–2015

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Frankfurt am Main, 8. Mai 1987. Voller Stolz eröffnet Hermann Glaser, der Vorsitzende des Deutschen Werkbundes, die „Werkbundräume“ in der Weißadlergasse. Am nächsten Tag findet in den neuen Räumen ein Fest statt. Dabei tritt ein schlanker Mann auf, den viele nur als Architekturkritiker der „Frankfurter Rundschau“ kennen: Dieter Bartetzko. Doch an diesem Abend gibt er, im schwarzen Anzug und dezent geschminkt, mit Liedern aus den 20er Jahren den Interpreten der leichten Muse. Hätte man zwei Jahre zuvor in seinem Buch „Illusionen aus Stein – Stimmungsarchitektur im deutschen Faschismus“ die Angaben zum Autor gelesen, hätte man es wissen können: „Er lebt als wissenschaftlicher Publizist, Schauspieler und Sänger in Frankfurt am Main.“
In der großen Spannweite, zwischen architekturhistorischer Forschung und Schlagerwelt, hat Bartetzko sein Leben gestaltet. 1949 in Rodalben bei Pirmasens geboren und in Frankfurt aufgewachsen, studierte er dort und in Marburg Kunstgeschichte, Soziologie und Germanistik. Promoviert wurde er mit einer Arbeit zur Theatralik von NS-Architekturen: Auch im Thema seiner Dissertation zeigte sich sein Interesse für Bühne und Inszenierung. Zehn Jahre lang arbeitete er freiberuflich für Presse und Radio, ehe er 1994 im Feuilleton der FAZ begann. Dort war er nicht nur für die Architekturkritik zuständig, für Denkmalschutz und Archäologie, dort konnte er auch die Fernsehkritik und das selbst gewählte Fach der populären Musik pflegen. Seine große Produktivität auf diesen so verschiedenen Gebieten ist ein Beweis für die These: Wer nur von Architektur etwas versteht, versteht auch von ihr nichts. Seine Leistungen wurden 2006 mit dem Preis für Architekturkritik des BDA gewürdigt, den er zusammen mit Heinrich Wefing erhielt.
Dieter Bartetzko, der am 19. Mai im Alter von nur 66 Jahren gestorben ist, war ein Vertreter der guten alten Schule. Auch in der persönlichen Begegnung feinfühlig, ja diskret, mochte er jene Kollegen nicht, die mit wohlfeiler Polemik die öffentliche Rampe suchen, die mit Stakkato-Sätzen eine Sache unterkomplex behandeln. Er feilte an den Zwischentönen, um einem Thema gerecht zu werden. Hoch gebildet bis hinein in die Feinheiten von Literatur und Theologie, verband er Engagement mit Ernsthaftigkeit. In seinem Buch „Architektur kontrovers – Schauplatz Frankfurt“ (1986) kann man nachlesen, wie differenziert er sich mit der sogenannten Post-moderne auseinander setzte. In diesem Sammelband hat er auch über sich selbst Auskunft
gegeben, über den Frankfurter Bub’, der in den Trümmern des Nordends aufwuchs. Mit Gleichaltrigen durchstöberte er die Ruinen, im Rückblick der Beginn seiner intensiven Streifzüge durch den Alltag der Städte. Hierin folgte der Flaneur Bartetzko dem berühmten Frankfurter Feuilletonisten Siegfried Kracauer nach, der auch hätte schreiben können: „Architekturkritik beginnt mit eben solchen Erkundungsgängen.“
In Kunst und Architektur hatte Bartetzkos Leidenschaft zwei Pole. Auf der einen Seite waren es die Stätten des Altertums. Im Gedenken an ihn druckte die FAZ seinen Aufsatz „Wir alle sind Gilgamesch“ am 23. Mai nach, jenen großen geistesgeschichtlichen Essay, in dem er die Überlie-ferungen der alten Kulturen mit deren Verzerrungen durch das Christentum konfrontiert. Auf
der anderen Seite stand sein eigentliches Lebensthema: die beharrliche Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart von Frankfurt am Main. Immer wieder beklagte er, dass „seine“ Stadt zunehmend verschwinde, nach den abgeräumten Ruinen auch die Zeugnisse der 50er Jahre, für die er sich besonders in dem von ihm herausgegebenen Band „Sprung in die Moderne“ (1994) eingesetzt hatte.
Schon sehr geschwächt, rang er sich in seinen letzten Lebenswochen eine fünfteilige FAZ-Serie zur Planung der neuen Frankfurter Altstadt ab. Diese Serie, die den anhaltenden Streit um die Planung mit guten Argumenten versachlicht hat, ist Bartetzkos Vermächtnis an die eigene Stadt – in der Hoffnung, dass sich die Spolien mit den neuen Gebäuden zu einer überzeugenden Einheit fügen mögen. In dem von Michael Geb-hard herausgegebenen Band „Kritik der Kritik“ (2014) antwortete Bartetzko auf die Frage nach seinem sehnlichsten Wunsch: „Ein spürbares Ansteigen der Qualität in der Durchschnittsarchitektur, was mit dem Stichwort vom Bauen im Bestand zusammengefasst wird. Da sehe ich auch die große Herausforderung an die Architekturkritik, die Notwendigkeit eines solchen soliden, qualitätvollen und durchaus nicht unoriginellen, aber nicht nur nach Effekten schielenden Bauens durchzusetzen.“

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