Bauwelt

Konzerthaus Blaibach

Der Architekt Peter Haimerl über gute Akustik, gefaltete Wände und das Bauen im Bayerischen Wald

Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin

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    Die Beleuchtung in den Wandfalten hebt die Struktur hervor. Sie basiert auf dem akustischen Konzept der Fachplaner.
    Foto: Edward Baierle

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    Die Beleuchtung in den Wandfalten hebt die Struktur hervor. Sie basiert auf dem akustischen Konzept der Fachplaner.

    Foto: Edward Baierle

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    Neben dem ebenfalls von Peter Haimerl sanierten Bürgerhaus, steht das neue Konzerthaus ...
    Foto: Edward Baierle

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    Neben dem ebenfalls von Peter Haimerl sanierten Bürgerhaus, steht das neue Konzerthaus ...

    Foto: Edward Baierle

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    ... mit Granitbruchsteinfassade
    Foto: Edward Baierle

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    ... mit Granitbruchsteinfassade

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    Peter Haimerl
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    Peter Haimerl

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    Geplante Fehler: Die beim Betonieren in der Wand entstandenen Hohlräume ...
    Foto: Edward Baierle

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    Geplante Fehler: Die beim Betonieren in der Wand entstandenen Hohlräume ...

    Foto: Edward Baierle

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    ... absorbieren die mittleren Töne
    Foto: Edward Baierle

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    ... absorbieren die mittleren Töne

    Foto: Edward Baierle

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    Hinter den Betonfalten und unter den Sitzreihen versteckte Schallabsorber optimieren den Raumklang im gesamten Frequenzspektrum

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    Hinter den Betonfalten und unter den Sitzreihen versteckte Schallabsorber optimieren den Raumklang im gesamten Frequenzspektrum

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    Im Foyer verschwindet der Leichtbeton hinter der Holzvertäfelung
    Foto: Edward Baierle

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    Im Foyer verschwindet der Leichtbeton hinter der Holzvertäfelung

    Foto: Edward Baierle

Konzerthaus Blaibach

Der Architekt Peter Haimerl über gute Akustik, gefaltete Wände und das Bauen im Bayerischen Wald

Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin

Die Gemeinde Blaibach in der Oberpfalz, etwa 20 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, hat knapp 2000 Einwohner. Seit 2014 ragt ein Konzerthaus für 200 Gäste aus dem Dorfplatz und zieht die Besucher in das tiefer gelegene Foyer. Der Münchner Architekt Peter Haimerl, der auch das benachbarte Bürgerhaus sanierte, hat zusammen mit dem renommierten Bariton Thomas E. Bauer das Konzerthaus initiiert und gebaut. Neben der aufwändigen Granitbruchsteinfassade des monolithischen Baukörpers, die an die Steinhauertradition Blaibachs anknüpft, fällt die besondere Gestaltung des Innenraums auf. Die Faltung von Wand und Decke sowie die besondere Materialität des im Konzerthaus erstmals eingesetzten Leichtbetons bestimmen das neuartige akustische Konzept. Thomas E. Bauer, Intendant der Kulturwald Festspiele Bayerischer Wald, betreibt gemeinsam mit Uta Hielscher das Konzerthaus.
Besuchen Sie gerne Konzerte?
Nein, ich habe von Musik wenig Ahnung.
Trotzdem haben Sie in einer kleinen Gemeinde im Bayerischen Wald ein Konzerthaus für klas­sische Musik gebaut. Was hat Sie dann an diesem Projekt gereizt?
Das Schöne an klassischer Musik ist, dass sie einen sehr hohen Standard hat, der sich natürlich in der Architektur widerspiegeln muss. Mich hat gereizt, dass ich in die Region, aus der ich komme, Kultur und Architektur implementieren kann, um dort auf diesem Weg einen Impulse für ein höheres Qualitätsbewusstsein für Architektur und Städtebau zu setzen.
Welche Rolle spielte für Sie dabei Tradition und Baugeschichte der Region?
Die architektonische Moderne hat leider, trotz und vielleicht auch aufgrund ihrer Impulse und Innovationen, die Tradition vergessen. Sie vernichtete Bestehendes, ohne dessen Qualitä­­ten zu berücksichtigen oder zeitgemäß weiterzuentwickeln. Sie hat im Bayerischen Wald einen großen architektonischen Kahlschlag angerich­-tet und zu einer nahezu vollständigen Zerstörung der Hauslandschaft geführt. Mein Ansatz, spe­ziell für den Bayerischen Wald, ist, dass ich die Architektur stark aus der Historie heraus entwickeln möchte, ohne nur kontextuell zu arbeiten.
Das Konzerthaus ist in seiner Gestalt sehr ra­dikal, fast brutalistisch. Würden Sie dennoch sagen, dass es aus dem Ort geboren ist?
Die Gestalt kam, auch wenn es vielleicht manche überraschen wird, aus dem Dorf heraus. Es gibt drei Aspekte, an denen das deutlich wird. Das ist zum einen die architektonische Vielfalt des Bayerischen Waldes. In den Dörfern stehen unterschiedliche Haustypen direkt nebeneinander. Das lässt sich leicht am Beispiel Blaibach zeigen. Die Häuser im Umkreis von 50 Metern sind sehr unterschiedlich und orientieren sich nur wenig aneinander. Deswegen war für mich klar, wir müssen einen neuen, starken Baukörper in diese fraktale, historische Dorfstruktur setzen, der sich im Maßstab anpasst. Der zweite Aspekt ist der Funktion geschuldet. Aus akustischen Gründen sollte es eine Schachtel sein. Es ist hierfür die beste Raumform. Gekippt wurde sie, weil es einen Höhensprung in der Topographie gab, den wir so überwinden konnten. Der dritte Aspekt, der tatsächlich direkt mit der Geschichte des Ortes tun hat, ist die Fassade aus Granitbruchsteinen. Aus diesen Steinen wurde in der Region üblicherweise das Mauerwerk im Sockelbereich der Bauten errichtet. Die Blaibacher identifizieren sich sehr stark mit ihnen, weil sie bis in die sechziger Jahre vom Granitabbau gelebt haben.
Die Realisierung der „Schachtel“ stellte sich als sehr anspruchsvoll heraus.
Ja, es war extrem kompliziert! Wir wollten für das Konzerthaus die beste Akustik erreichen – auch hier im Bayerischen Wald. Da waren wir uns einig, aber das war nicht ohne weiteres umzusetzen.
Wo lagen die größten Herausforderungen?
Eine Fassade aus Bruchsteinmauerwerk in der Größe gab es noch nie, schon gar nicht an ei­ner schiefen Kiste hängend. Wir haben daher ein eigenes „Betonfertigteilsystem“ erfunden, das im Kern einbetonierte Stahlbauelemente besitzt und damit die Stabilität und insbesondere die Präzision gewährleistet. Die einzelnen Elemente sind auf den Millimeter genau gebaut, fast ohne Toleranzen. Die Fertigteillogistik und vor allem die Fertigteilmontage haben wir extra dafür entwickelt; es gab bisher keine vergleichbaren Bauvorhaben. Das war fast das Komplizierteste – und natürlich der Innenraum, der ja schon kompliziert ausschaut. Die gefaltete Oberfläche in dieser monolithischen Betonform musste sehr genauen akustischen Vorgaben folgen, aber auch ästhetischen Ansprüchen genügen. Die Fachplaner von Müller-BBM hatten uns gewisse Faltungen vorgegeben, die für die Akustik im Saal ausschlaggebend waren. Wir haben diese Faltungen nur minimal verändert und strukturiert. In die Betonfalten wurde auch das indirekte Licht und die Bassabsorber integriert, alles nach rein funktionalen Vorgaben! Wir wollten eben die bestmögliche Akustik erreichen, mit den besten Prinzipien, die man kennt.
Wie haben Sie die Faltung in die gebaute Form überführt?
Zunächst mussten wir die Faltungen mit Betoplan-Platten komplett nachbauen. Ich habe der Firma Gföllner aus Österreich nur das 3D-Modell geschickt und sie haben daraus eine komplette Werkplanung für die Innenschalung des Konzertsaals gemacht. Jedes Teil darin war anders. Das Schwierige war die Materialstärke der Schalung, was dazu führte, dass jeder Schnitt auf Gehrung sein musste. Die Schalung wurde komplett mit CAD-Maschinen hergestellt und anschließend per Hand zusammengeschraubt. Drei, vier Platten wurden dreidimensional aneinan­-der gesetzt. Auf die Schalung kam alles drauf: alle Elektroleitungen für die Beleuchtung, die Heizung, die Leuchten selbst, die Bassabsorber – auf den Millimeter gefertigt. Man musste sich alle Details immer negativ vorstellen. Dann wurde die Schalung geschlossen und es wurde betoniert.
Waren Sie aufgeregt, als die Schalung des Konzertsaals abgenommen wurde?
Das war höchst aufregend. Vor allem haben wir ja diese Nester im Beton. Als wir die Schalung runter genommen hatten, hielten die Blaibacher die Betonnester für Fehlbetonagen.
Diese Nester sieht man jetzt in der Wand des Konzertsaals.
Und wie. Das ist entscheidend für die Akustik. Diese Nester absorbieren die mittelhohen Töne. Beton ist technologisch eine der schwierigsten Sachen. Manche glauben, Beton sei primitiv. Das ist völlig falsch. Beton ist technisch gesehen sehr anspruchsvoll.
Sie haben absichtlich mit Fehlern gebaut?
Was mir bei meinen Bauten sehr wichtig ist, ich möchte es so machen wie ein Velasquez malt. Alles muss auf einmal sitzen! Weder die Innenwände noch die Fassaden wurden vorher schon einmal gebaut. Es gab kein Vorbild. Wir hatten nicht einmal ein 1:1-Modell, kein Mock-up. Das war gerade bei dieser Fassade höchst riskant. Aber das mache ich absichtlich, weil ich glaube, dass zahlreiche Testläufe Leichtigkeit und Lässigkeit schlucken. Bauen ohne die Sicherheit des Bewährten erhöht die Verantwortung des Architekten, aber auch die Lust am Bauen und die Ausdruckskraft des Bauwerkes.
Gab es einen Plan B?
Nein, es gab keinen Plan B. Das hätte sich dann ergeben. Man muss dazu sagen, wir arbeiten nicht wie die Schweizer. Wir hatten kein Geld. Wir haben die Fassade fast vollständig selbst gebaut, man könnte sagen, mehr oder weniger in Handarbeit.
Sie haben für das Konzerthaus einen eigenen, neuartigen Beton entwickelt.
Ich hatte bereits mehrere Projekte mit der Firma Fleischmann & Zankl realisiert, die unseren Leichtbeton entwickelt hat. Leichtbeton mit Glasschaumschotter, der ursprünglich aus der Schweiz kommt, hatte nicht die nötige Druckfestigkeit. Dadurch hatte er keine Zulassung und man brauchte für jedes Gebäude eine Zulassung im Einzelfall. Die Firma aus dem Nachbarort hat es tatsächlich innerhalb kürzester Zeit geschafft, die Festigkeit deutlich zu erhöhen. Und damit ist er jetzt zugelassen, das ist der Hauptvorteil.
Ist Beton nicht ein eher ungewöhnlicher Baustoff für einen Konzertsaal?
Es ist ein Vorurteil, dass ein Konzertsaal aus Holz besser sei. Man baut meist mehr Holz ein, als man eigentlich braucht. Die Akustiker sagen, ein Großteil der Akustik ist Einbildung. Wenn man in einen Saal geht und denkt, er sei akustisch gut, dann empfindet man die Akustik auch besser. Da die meisten Menschen eben annehmen, das Holz akustisch gut ist, verwendet man relativ viel Holz um die akustische Wirkung um 20 Prozent zu erhöhen, also das Empfinden der Akustik. De facto, rein messtechnisch, ist das gar nicht so!
In Blaibach geht man also ins Konzerthaus und erwartet, dass es scheppert?
So ist es. Sie können auf  Facebook die Kommentare lesen: „So kalt. Wie kann das gehen?“ Wir haben uns natürlich am Anfang erkundigt: Der perfekte Saal hat zu einem großen Teil eine sehr harte Oberfläche. Das ist auch leicht verständlich, weil der Schall präzise weitergeleitet werden muss. Er soll ja zunächst nicht gedämpft werden, er soll auch nicht selbst schwingen, sondern man soll ihn ganz präzise dahin bekommen, wo man ihn haben will. Deswegen gibt es eben diese Faltungen. Früher hat man sehr viel Holz verwendet, es gab lauter Verkleidungen, weil so leicht nachjustiert werden konnte. Damals gab es kaum Berechnungsmöglichkeiten, es war ein „Try and Error“-Verfahren. Wenn der Klang nicht gut war, dann hat man die Vertäfelung wieder entfernt und bestimmte akustische Veränderungen vorgenommen. Das war der Hauptgrund für die Verwendung von Holz.
Hätte man denn im Konzertsaal in Blaibach nachjustieren können?
Klar, wir haben eine Menge Nachjustierungmöglichkeiten. Die wurden aber nicht gebraucht. Es gibt beispielweise die integrierten Bassabsorber. Es handelt sich dabei um lange Röhren, die Schlitze haben, die sich einstellen lassen. Und vieles mehr.
Vieles an dem Konzerthaus entstand in Handarbeit. Waren Sie mit dem Büro die ganze Zeit vor Ort?
Man kann sagen, wir waren das letzte halbe Jahr auf der Baustelle. In einem halben Jahr haben wir das ganze Ding schließlich gebaut. Ich glaube, zwei Wochen vor der Eröffnung war noch keine Fassade dran. Die haben alle gedacht, wir spinnen.
Kann man schon sagen, wie sich das Konzerthaus insgesamt auf den Ort ausgewirkt hat?
Ich weiß nicht, wie stark die Übernachtungszahlen gestiegen sind. Natürlich, wenn ein Festival stattfindet oder ein Konzert, dann sind alle Häuser im Umkreis ausgebucht. Das hat schon viel gebracht, wobei es noch zu früh ist, um zu sagen, im Ort müssen jetzt Hotels gebaut werden. Wirtschaftlich hat es sicher jetzt schon sehr viel gebracht. Unser Ansatz zielt nicht nur auf Blaibach. Es soll überhaupt ein Modell sein, um zu zeigen, dass Kultur einfach eine Möglichkeit ist, um Orte wieder attraktiv zu gestalten, um so speziell Ostbayern und den Bayerischen Wald aufzumöbeln.
Wie begeistert man eine Dorfgemeinschaft für ein solches Projekt?
Indem man es selber einfach gut findet! Man muss es mit Leidenschaft machen, mehr Zeit und mehr Energie reinstecken, als man das von anderen Aufträgen gewohnt ist.

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