Bauwelt

Kritik oder Krise

Symposium in Wien

Text: Voermanek, Katrin, Berlin

Kritik oder Krise

Symposium in Wien

Text: Voermanek, Katrin, Berlin

Zu ihrem fünfzigsten Geburtstag hat sich die sterreichische Gesellschaft für Architektur ÖGFA ein Symposium geschenkt. Wer dachte, unter der Überschrift „Kritik oder Krise“ kämen in Wien Publizisten zusammen, um über Architekturkritik in den Medien zu diskutieren (Journalismus versus PR, wortmächtiges Feuilleton versus wirkmächtiger Lokalteil, Print versus online) wurde eines Besseren belehrt. Zwei Tage lang war von solchen Themen nicht die Rede. Das wiederum war aber keineswegs enttäuschend, sondern bereichernd. Und sicher auch nicht zufällig, sondern symptomatisch. Nehmen wir die ÖGFA-Tagung beim Wort, hat dem berufsmäßigen Kritiker, der ab und an aus der Deckung seiner Schreibstube einen Kommentar abgibt, längst das letzte Stündchen geschlagen. Der in den Akademien um kritische Deutungshoheit ringende Architekturtheoretiker mag noch etwas besser aufgestellt sein. Allerdings blieben Vertreter dieser Zunft in Wien auch überwiegend blass. Die Stunde gehört dem kritisch handelnden Subjekt, das seine Anliegen und Aktionen über soziale Medien gleich selbst publiziert. Kritische Praxis ist gefragt. Das passt zur ÖGFA – aber auch in unsere Zeit.
Respekt für so viel Rückgrat: Da ist der Student, der eine Vorlesung platzen lässt, weil über ein Flüchtlingsheim allein unter gebäudekundlichen Aspekten diskutiert werden soll, statt unter ethischen (Johannes Puchleitner, Wien). Da ist die türkische Soziologin, die sich an den Gezi-Protesten in Istanbul beteiligte und nun in der kurdisch dominierten Süd-Türkei eine Architekturfakultät mit aufbaut (Pelin Tan, Mardin Artuklu University). Da ist die Professorin, die Repressalien erleidet, weil sie gegen die Förderung ihrer Hochschule durch einen Rohstoffkonzern eintritt (Jane Rendell, London). Im Dialog mit ihr gelang es der Wiener Philosophin Ruth Sonderegger, Foucault für die Tagung wirklich handhabbar zu machen: Kritisch sein heiße, sich nicht so sehr regieren zu lassen. Das gilt auch für Iva Čukić, die mit dem „Ministry of Space“ den Protest gegen ein völlig irrwitzig anmutendes, staatliches Projekt namens „Belgrade Waterfront“ in Serbiens Hauptstadt anführt. Mit ihren Aktionen weisen die Aktivisten darauf hin, dass hier der Ausverkauf von Lebensraum an einen Investor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten droht, die großflächige Privatisierung und Kommerzialisierung des Allgemeingutes Stadt.  

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