Bauwelt

„Mir war es schnuppe, ob meine Projekte angenommen wurden – ich hatte meinen Spaß beim Entwerfen“

Das 11. Hermann-Henselmann-Kolloquium zeichnete den Architekten Henselmann als cleveren Taktiker

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Modell „Zentrum der Hauptstadt Berlin“, 1959
    Abbildungen: © Akademie der Künste Berlin, Hermann-Henselmann-Archiv, 120-847, F.24a, Fotograf unb.

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    Modell „Zentrum der Hauptstadt Berlin“, 1959

    Abbildungen: © Akademie der Künste Berlin, Hermann-Henselmann-Archiv, 120-847, F.24a, Fotograf unb.

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    Hermann Henselmann während seiner Zeit beim VEB Typenprojektierung (1964–1966)

    Abbildungen: © Akademie der Künste Berlin, Hermann-Henselmann-Archiv, 120-954, F.52a, Fotograf: Horst E. Schulze

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    Hermann Henselmann während seiner Zeit beim VEB Typenprojektierung (1964–1966)

    Abbildungen: © Akademie der Künste Berlin, Hermann-Henselmann-Archiv, 120-954, F.52a, Fotograf: Horst E. Schulze

„Mir war es schnuppe, ob meine Projekte angenommen wurden – ich hatte meinen Spaß beim Entwerfen“

Das 11. Hermann-Henselmann-Kolloquium zeichnete den Architekten Henselmann als cleveren Taktiker

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Lange fiel im Zusammenhang mit Architektur in Ostdeutschland nur ein Name: Hermann Henselmann (1905-1995). Von Anbeginn gehörte er zu den richtungsweisenden Architekten der DDR – dank cleveren strategischen Taktierens. Anlässlich seines 110. Geburtstags veranstaltete die Hermann-Henselmann-Stiftung im Februar die Tagung „Der Architekt, die Macht und die Baukunst“ zu Henselmanns Berliner Zeit (ab 1949).
Henselmann leitete ab 1951 eine Meisterwerkstatt der Deutschen Bauakademie. Er pflegte das althergebrachte Bild eines kreativen, durchsetzungsstarken „Künstler-Architekten“. Wolf R. Eisentraut, langjähriger Mitarbeiter Henselmanns, veranschaulichte das an einem Gruppenbild der „Experimentalwerkstatt“. Die Zeichnung zeigt den Architekten als Steuermann einer Galeere, unzählige rudernde Mitarbeiter liegen ihm zu Füßen. Hermann Henselmann, so wurde bei der Tagung deutlich, ging auf dem Weg zum Ruhm mit seinem staatlichen Auftraggeber auf Tuchfühlung; er wusste gesellschaftliche Freiräume zu nutzen und nach eigener Vorstellung auszudehnen; notfalls erwarb er sich das Wohlwollen der Funktionäre aber auch durch – für ihn schmerzhafte – gestalterische Anpassung. Norbert Korrek, Bauhaus-Universität Weimar, beleuchtete Henselmanns Lavieren in der Frühphase der DDR, als er seine gemeinsam mit Hans Scharoun formulierte Kritik an den „16 Grundsätzen des Städtebaus“ revidierte, um Institutsdirektor der Bauakademie zu werden. Nach einer harschen öffentlichen Abkanzelung legte er 1951 einen vollkommen neuen Entwurf für das „Hochhaus an der Weberwiese“ im Stil des Schinkel’schen Klassizismus vor: Es wurde der erste Leitbau der „Nationalen Tradition“.
Thomas Flierl, Vorsitzender der Henselmann-Stiftung, lenkte den Blick auf den Höhepunkt der sogenannten Formalismus-Debatte. Zu der entscheidenden Klausurtagung, auf der der Masterplan für die Stalinallee erarbeitet wurde, waren nur die Preisträger des städtebaulichen Wettbewerbs (Hartmann, Paulick, Hopp, Souradny, Leucht) eingeladen. Doch Henselmann verfügte über exzellente Kontakte. Er entwickelte einen Gegenentwurf für den noch strittigen, zentrumsseitigen Eingang der Magistrale, den er auf der Sitzung der Partei- und Staatsführung, die sich an die Klausur anschloss, präsentierte – zum Erstaunen des im Wettbewerb erstplatzierten Egon Hartmann, aus dessen Zeitzeugenbericht Thomas Flierl zitierte: „Nach der Erläuterung der Fassaden spielte Henselmann seinen Trumpf aus. Er holte den letzten Bilderrahmen mit einer Perspektive des Strausberger Platzes und stellte ihn direkt vor Pieck auf. In der Mitte des Platzes war ein großer Brunnen zu sehen. Wasserfontänen umspülten eine gewaltige Plastik, die eine siegesbewusste, kämpferische Gruppe darstellte. Als Schlussakkord nahm Henselmann die gleiche Haltung wie seine Brunnenfigur ein. Er machte, leicht das Knie beugend, mit einem Fuß einen großen Schritt nach vorn, ballte die Faust, stieß den Arm in die Höhe und sagte: ,Sch- Scht- Stürmische Jugend!‘ Wie elektrisiert sprangen Ulbricht, Pieck und auch Grotewohl von ihren Sesseln. Pieck streckte ebenfalls gleich beide Hände in die Höhe, und mit ihnen Henselmann zuwinkend, rief er laut: ,Hermann, Hermann, DU baust den Strausberger Platz!‘“
Der Rest ist bekannt: Richard Paulick setzte einen ovalen Platz durch, jeder Preisträger des Wettbewerbs konnte einen Teil des ersten Bauabschnitts realisieren, der Zuschlag für die beiden Torsituationen ging jedoch an Henselmann. Seine Zwillingstürme am Frankfurter Tor wurden zum Blickfang der Stalinallee.
Der Architekt Bruno Flierl vertrat auf dem Kolloquium die Ansicht, Henselmann sei ein „Häuserarchitekt“ gewesen. Er habe sich vor allem dafür begeistert, an prägnanten Standorten Bauten mit prägnanter Gestalt zu entwickeln. Weniger ernsthaft habe er sich seiner Aufgabe als Chefarchitekt beim Magistrat von Berlin gewidmet (die er ab 1953 innehatte), die Stadt als Ganzes zu betrachten. In Ostberlin wurde, weit über Stalins Tod hinaus über ein monumentales Regierungshochhaus debattiert. Das muss Henselmann die letzten Nerven geraubt haben. Er machte am Rande eines offiziellen Ideenwettbewerbs zur Umgestaltung Ostberlins (1958/59) außer Konkurrenz den Vorschlag, das Zentrum in eine moderne Stadtlandschaft mit historischen „Traditionsinseln“ zu verwandeln.

Brüder zur Sonne, zur Freiheit

Der Mittelpunkt des provokanten Entwurfs war ein „Forum der Nation“, das – als Gegenmodell zum sowjetisch kodierten Zentralbau konzipiert – aus einem aufgeständerten Parlamentsgebäude, einer in zwei Parabelbögen eingehängten Kundgebungshalle und einem rund 300 Meter hohen „Turm der Signale“ bestehen sollte. Um seine offenkundig aus dem Westen stammende neue Architektur-Linie mit einem sozialistischen Inhalt zu füllen, nannte Henselmann den Turm spitzbübisch „Marx-Engels-Denkmal“. „Das Denkmal drückt baukünstlerisch das aus, was das alte Arbeiterlied meint: ,Brüder zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lichte empor.‘“
Für die politisch Verantwortlichen war das ein unverzeihlicher Affront. Henselmann wurde 1959 als Chefarchitekt von Ostberlin abgesetzt, sein Fernsehturm-Entwurf verschwand in der Schublade. Er wurde ab 1965 in modifizierter Form doch realisiert, mit der offiziellen Bezeichnung „Spree-Sputnik“. In der Zwischenzeit hatten sich die gestalterischen Leitlinien in der DDR radikal geändert. Henselmanns Alexanderplatz-Ensemble (1961–64) markierte den offiziellen Umbruch in Richtung Ostmoderne. Nach dem Bau des Hauses des Lehrers wurde Henselmann zum Volkseigenen Betrieb Typenprojektierung, er muss es so empfunden haben, „strafversetzt“: Von 1964 bis 1966 hatte er sich dort mit dem standardisierten Wohnungsbau zu beschäftigen, wovon er nie begeistert war.
Mit Henselmanns „Bildzeichenarchitektur“, stadtbildprägenden Einzelbauten wie dem „Uni-Riesen“ in Leipzig und dem Jenaer „Fernrohr“, die er später entwarf, gelangte das Kolloquium schließlich zu den aktuellen Fragen. Die Fassaden der beiden Türme wurden, als man sie sanierte, stark verändert. Wie soll man in Zukunft angemessen mit Bauten aus dieser Zeit umgehen?

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